GMUNDEN. Der Rechnungshof hat die Vorgänge rund um die Errichtung der Traunseetram geprüft. In einem vorzeitig an die Öffentlichkeit geratenen Rohbericht wird der Bau kritisiert. Die Diskussion rund um die Sinnhaftigkeit des Bahnbaus ist damit neu entflammt.
In dem den OÖN vorzeitig zugespielten – und noch unvollständigen – Bericht wird die Entscheidung für die Traunseebahn grundsätzlich kritisiert: Die Referenzwerte für die Leistungsfähigkeit von Straßenbahnen lägen laut Fachliteratur bei 20.000 bis 100.000 Fahrgästen pro Tag. Die Potenzialanalyse, die die Grundlage für die Entscheidung pro Traunsee-Tram bildete, ging jedoch von 2.730 Fahrgästen pro Tag aus. Aus Sicht des Rechnungshofes hätte dies „zur Umsetzung eines Buskonzeptes führen müssen.“ Zudem liegen die tatsächlichen Fahrgastzahlen mit 2.260 pro Tag derzeit auch unter diesen Erwartungen.
Der Rechnungshof sieht auch eine von Land OÖ und Stadt Gmunden in Auftrag gegebene Kosten-Nutzen-Analyse zur Traunsee-Tram als mangelhaft an: Die jährlichen Kosten seien viel zu niedrig, der Nutzen zu hoch eingeschätzt worden. Tatsächlich würden die Kosten den Nutzen um das Dreifache übersteigen, so der Schluss des Rechnungshofes. Auch bei der Vergabe von Aufträgen soll es zu Mängeln gekommen sein. Zudem wird kritisiert, dass Stern&Hafferl sowohl mit der Einholung der Analysen als auch mit der Errichtung der Tram beauftragt war.
„Fahrgastzahlen haben sich verdoppelt“
Stern&Hafferl Verkehr-Geschäftsführer Günter Neumann betont in einer ersten Stellungnahme, dass auch ihm der Rohbericht noch nicht vorliege, eine seriöse Stellungnahme sei daher schwer möglich. „Fakt ist, dass sich die Fahrgastzahlen seit der Fertigstellung der Traunseetram im September 2018 bereits jetzt gegenüber dem Basisjahr 2014 verdoppelt haben und die aktuelle Entwicklung sich sehr positiv gestaltet“, verweist er auf einen laufenden Anstieg an Fahrgästen; der Umstieg vom PKW in ein öffentliches Verkehrsmittel brauche jedoch Zeit und Geduld. So sei etwa die Sanierung der Nordumfahrung mit teilweiser halbseitiger Sperre für viele eine Möglichkeit, die Vorteile der Tram zu nutzen. Insgesamt bilde die Tram einen „wesentlichen Beitrag für einen umweltschonenden Nahverkehr in der Region.“
„Sehe Handlungsbedarf bei den Ticketpreisen“
Auch Bürgermeister Stefan Krapf (VP) verweist auf den noch unfertigen Bericht. „Dennoch darf man das nicht schönreden: Gerade in der Anfangsphase sind hier offenbar gravierende Mängel passiert“, so Krapf. Nicht außer Acht lassen dürfe man die sich verändernde Sicht auf die Mobilität – „Stichwort Klimaschutz“, zudem habe gerade Gmunden vom Bau der Tram auch auf anderer Ebene vielfältig profitiert, vom Brückenneubau bis zum Kanal. Handlungsbedarf sieht Krapf bei den Ticketpreisen: „Wir müssen hier auf die Wünsche der Bevölkerung eingehen“, so sein Appell.
„Diskussionen wegen möglicher Schritte“
Vizebürgermeisterin Beate Enzmann (FP) fordert in einer ersten Reaktion „politische Konsequenzen und sofort eine ernsthafte Diskussion darüber, welche Schritte gesetzt werden müssen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten“, vor allem auch für die folgenden Jahre. Sie erinnert daran, dass sich die FPÖ von Anfang an vehement gegen das Projekt ausgesprochen und „in allen Gremien vor dieser sinnlosen Steuergeld-Verschwendung gewarnt“ habe. „Nun hat der Rechnungshof uns zu 100 Prozent Recht gegeben.“
„Großteil der Investitionen ging in die Infrastruktur“
Gmundens Mobilitätsstadtrat Wolfgang Sageder (SP) erinnert daran, dass „die Entscheidung zum Bau der Bahn vor 15 Jahren im Gemeinderat einstimmig erfolgt“ ist. Zudem sei der Großteil der Investitionen in Infrastruktur erfolgt, die für Gmunden wichtig sei. Insgesamt gebe es mit dem aktuellen „Klimanotstand“ auch Entwicklungen, die insgesamt den öffentlichen Verkehr stärken würden. „Und man muss auch sagen: Wäre das selbe Geld in ein Parkhaus investiert worden, hätte heute niemand ein Problem“, so Sageder.
„Man hätte das Geld besser einsetzen können“
Differenziert sieht die Sache BIG-Obmann Reinhold Kassmannhuber: „Der öffentliche Verkehr ist wichtig, man hätte mit dem selben Geld in anderen Bereichen aber sicher mehr erreichen können.“ Er sieht auch die Frage, ob sich das Land – nach dem derzeit für zehn Jahre laufenden Vertrag mit dem Betreiber Stern & Hafferl – den Betrieb der Traunsee-Tram weiter leisten wird. Auch Kassmannhuber verweist auf den noch vorläufigen Bericht, „aber die Zahlen werden sich nicht mehr ändern.“
„Werde den Prüfungsausschuss damit befassen“
Josef Sperrer (Grüne) sieht die Straßenbahn „weiterhin grundsätzlich positiv, auch entsprechen die niedrigen Fahrgastzahlen nicht meiner Wahrnehmung.“ Man brauche Alternativen zum Straßenverkehr, denn „die Straßen gehen über“. Der Rechnungshofbericht liege ihm noch nicht vor. „Sobald wir ihn haben, wird sich der Prüfungsausschuss unter meinem Vorsitz damit auseinandersetzen – intensiv und ohne Scheuklappen“, verspricht Sperrer.
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25.03.2020 19:55
Rechnungshof
Wann wird endlich der Rechnungshof überprüft? https://www.mobbing-konkret.at/rechnungshof/rechnungshof-bezahlt-private-rechtsanwaltskosten/
04.03.2020 17:30
ein großer Nachteil für die Gmundner
warum schreibt niemand, dass wegen der Straßenbahn-Durchbindung über die Traunbrücke von den zuvor 5 Buslinien auf 4 verringert wurde? Jetzt hat man den viel längeren Takt der verbliebenen Linien von 30 Minuten auf 60 Minuten - DIESE Strassenbahn über die Brücke hat massive Verschlechterungen für die Stadtbewohner gebracht!!!
05.03.2020 12:07
Traunseetram
Wie überall gibt es auch hier nicht nur positives oder negatives. In letzter Zeit habe ich, im Gegensatz zu früher, den Zug einige Male verwendet. Wenn man Parkgebühren und Parkmöglichkeiten berücksichtigt ist er für die Umlandgemeinden sicher eine gute Alternative zum Auto, auch für Wanderer, was ich selbst schon des öfteren mitbekommen habe. Ich persönlich würde mir eine zeitunabhängige und gegenüber den Einzeltickets auch etwas günstigere Mehrfahrten- oder Punktekarte wünschen, auch für Nichtgmundner, für nicht regelmäßig Fahrer.