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Unbedankte Helden der Corona-Krise: Die Beschäftigten haben den Bezirk Gmunden am Laufen gehalten

Daniela Toth, 30.10.2020 08:12

BEZIRK GMUNDEN. In ihrer Bilanz-Pressekonferenz für den Bezirk strich die Arbeiterkammer die herausragenden Leistungen der Beschäftigten in der Corona-Krise heraus. Diese müsse belohnt werden. Zudem wurden Konjunkturprogramme und arbeitsmarktpolitische Schwerpunkte für die Jugend und Langzeitarbeitslose gefordert.

Elfriede Schober,  Vizepräsidentin der AK Oberösterreich und Dominik Gessert,  Betriebsrat Hipp Produktion Gmunden GmbH    Foto: WSturm/AKOÖ
Elfriede Schober, Vizepräsidentin der AK Oberösterreich und Dominik Gessert, Betriebsrat Hipp Produktion Gmunden GmbH Foto: WSturm/AKOÖ

Gut 76 Prozent aller Frauen und fast 82 Prozent der Männer aus dem Bezirk Gmunden sind erwerbstätig. Im Jahresdurchschnitt 2019 waren 42.600 Gmundner unselbständig beschäftigt. Zwischen 2008 und 2019 hat die Beschäftigung um knapp neun Prozent zugenommen – bei Frauen doppelt so stark wie bei Männern.

Die mit Abstand größte Branche ist die Warenherstellung – hier arbeiten 22,6 Prozent aller Beschäftigte. Im Handel sind knapp 15 Prozent tätig. Die drittgrößte Branche, das Gesundheits- und Sozialwesen, weist mit fast 80 Prozent den höchsten Frauenanteil auf.

Über 25 Prozent arbeiten in Kleinbetrieben

Die größten Betriebe im Bezirk sind der Miba-Konzern, die Firma Wolf Systembau GmbH, das Salzkammergutklinikum in Gmunden und Bad Ischl, der Sozialhilfeverband Gmunden und die Baufirma Kieninger GmbH. Der größte Tourismusbetrieb ist die Dachsteinkönig Hotel GmbH in Gosau. Mehr als ein Viertel aller Beschäftigten arbeitet in Kleinbetrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern, nur ein Sechstel in Betrieben mit mehr als 250 Mitarbeitern.

72 Millionen Arbeitsstunden in Gmunden2019 leisteten die Gmundner Arbeitnehmer nach AK-Berechnungen knapp 72 Millionen Arbeitsstunden, davon waren rund 2,9 Millionen Überstunden – diese entsprechen umgerechnet annähernd 1.700 Vollzeitarbeitsplätzen.

In Österreich werden rund 15 Prozent der Mehr- und Überstunden nicht abgegolten – weder in Geld noch durch Zeitausgleich. Umgelegt auf Gmunden werden dadurch den betroffenen Beschäftigten jährlich rund elf Millionen Euro vorenthalten.

Viel Bewegung auf dem Arbeitsmarkt

Im Jahr 2019 war die Zahl der Arbeitsuchenden in Gmunden noch leicht rückläufig. 1.827 Personen waren arbeitslos, 529 in Schulung und 27 Jugendliche suchten eine Lehrstelle. Im Laufe des Jahres wurden 8.700 Beschäftigte aus dem Bezirk Gmunden zumindest vorübergehend arbeitslos. Beinahe 74 Prozent aller Arbeitslosen haben innerhalb von drei Monaten wieder einen neuen Job gefunden. Insgesamt haben rund 16.600 Beschäftigte den Job gewechselt. Das zeigt die hohe Dynamik auf dem Arbeitsmarkt.

Die steigende Beschäftigung und der leichte Rückgang der Arbeitslosigkeit bewirkten ein geringfügiges Absinken der Arbeitslosenquote auf 4,1 Prozent. Damit liegt der Bezirk Gmunden unter dem Landesdurchschnitt von 4,8 Prozent.

Corona: Beinahe Verdoppelung der Arbeitslosigkeit

Am Höhepunkt der Krise im Frühjahr 2020 haben mehr als 1.400 Betriebe für gut 19.100 Beschäftigte Kurzarbeit beim AMS beantragt. Ende August waren immer noch 5.900 Beschäftigte in 450 Betrieben in Kurzarbeit. Dennoch haben auch im Bezirk Gmunden viele Arbeitnehmer/-innen ihren Job verloren: Binnen kürzester Zeit ist die Zahl der Arbeitslosen bis Ende März auf 3.827 hinaufgeschnellt, das sind doppelt so viele wie im Jahr zuvor.

Nicht nur zwischen den Bezirken gibt es deutliche Unterschiede. Auch innerhalb des Bezirks Gmunden war der Anstieg der Arbeitslosigkeit sehr unterschiedlich: In Gosau beispielsweise explodierte die Arbeitslosigkeit durch das jähe Ende der Skisaison – Ende März waren hier mehr als sechsmal so viele Arbeitslose vorgemerkt wie im März 2019. Ein ähnliches Bild zeigte sich im Mai aufgrund des verzögerten und schaumgebremsten Anlaufens der touristischen Sommersaison. Das Ausbleiben der internationalen Gäste traf Hallstatt besonders hart. Die höchsten Zuwächse bei der Arbeitslosigkeit wurden hier im Mai und Juni mit einem rekordverdächtigen Plus von 2000 bzw. 2100 Prozent erreicht. Ähnliche Entwicklungen gab es auch in Obertraun und St. Wolfgang. Nach dem allmählichen Wiederhochfahren der Betriebe und Geschäfte hat sich der Anstieg der Arbeitslosigkeit allmählich abgeschwächt. In den Tourismusgemeinden haben dann auch die heimischen Tagesausflügler die Gäste aus dem Ausland „ersetzt“.

Fast zwei Drittel der Arbeitslosen haben innerhalb von drei Monaten wieder einen – vielfach den alten – Arbeitsplatz gefunden. Für alle, die nicht mit einer Wiedereinstellungszusage rasch wieder beim alten Dienstgeber eingestellt wurden, gestaltet sich die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz aber wesentlich langwieriger. Daher liegt die Arbeitslosigkeit im September immer noch um rund 28 Prozent über dem Vorjahresniveau:

Gmundner Beschäftigte sind produktiv

Die Beschäftigten im Bezirk Gmunden verbringen nicht nur viel Zeit in der Arbeit, sie sind dort auch höchst innovativ und produktiv. Ihre in den Finanzkennzahlen messbare Leistung kann sich sehen lassen: Die Pro-Kopf-Wertschöpfung in dem Mittel- und Großbetrieben lag im Bilanzjahr 2018 bei rund 81.900 Euro. Zieht man davon die durchschnittlichen Personalkosten ab, bleiben den Unternehmen jährlich immer noch mehr als 23.400 Euro pro Mitarbeiterin und Mitarbeiter. Aus den für 2019 bereits vorliegenden Jahresabschlüssen lässt sich ablesen, dass die Betriebe auch im vergangenen Jahr gut an ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verdient haben.

Anmerkung: Analyse der veröffentlichten Jahresabschlüsse beinahe aller oberösterreichischen Mittel- und Großbetriebe mit mehr als 49 Beschäftigten (mit Ausnahme von Banken, Versicherungen und Non-Profit-Unternehmen) für das (zuletzt verfügbare) Jahr 2018. Im Bezirk Gmunden sind das 65 Unternehmen mit mehr als 11.800 Beschäftigten.

Im Bezirk Gmunden wurden im Vorjahr 101 Erfindungen angemeldet. Damit werden berufliche Spitzenleistungen dokumentiert. Unsere Arbeitnehmer/-innen sind aber nicht nur deswegen die wahren Leistungsträger/-innen der Gesellschaft. Dazu machen sie vielmehr ihr täglicher Arbeitseinsatz, die Bereitschaft zur Mehrleistung, wenn es der Arbeitsaufwand erfordert, die Bereitschaft zur (beruflichen) Weiterbildung, aber auch ihr vielfältiges ehrenamtliches Engagement, etwa bei der Berg- oder Wasserrettung, die heuer besonders viel zu tun hatten. Für Eltern stellt die Kinderbetreuung in „Normalzeiten“ schon eine große Herausforderung dar. In den vergangenen Monaten waren sie aufgrund der Schulschließungen – neben ihrer Berufstätigkeit – nicht nur als Eltern gefragt, sondern auch als Lehrer/-innen.

Einkommensverluste durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit

Im ersten Halbjahr 2020 lag das mittlere Einkommen der in Gmunden beschäftigten Arbeitnehmer/-innen bei 2.440 Euro im Monat, das entspricht knapp 1.750 Euro netto (14 Mal im Jahr). Der Unterschied zwischen den Bruttoeinkommen von Frauen (1.731 Euro) und Männern (2.898 Euro) beträgt mehr als 40 Prozent. Das ist der vierthöchste Einkommensunterschied aller oberösterreichischen Bezirke.

Der Einkommensverlust durch die Kurzarbeit wird durch diese Statistik verschleiert, weil hier die ungekürzte Sozialversicherungsbemessungsgrundlage in die Berechnung eingeht. Tatsächlich haben die Betroffenen durch die Kurzarbeit zwischen zehn und 20 Prozent ihres Einkommens eingebüßt. Beim einem mittleren Einkommen macht das bis zu 350 Euro im Monat aus.

Wer in der Krise sogar seinen Job verloren hat, stürzt mit dem Arbeitslosengeld auf 55 Prozent des vorigen Nettoentgelts ab und muss im Durchschnitt mit nur 1.100 Euro im Monat auskommen. Das sind monatlich um 640 Euro weniger im Haushaltsbudget – bzw. eigentlich sogar um rund 960 Euro, weil es beim Arbeitslosengeld keinen 13. und 14. Monatsbezug gibt.

Betriebsrat Dominik Gessert: Die Arbeitnehmer haben diese Krise gestemmt

Die Firma Hipp Produktion ist insbesondere für die Herstellung von Babynahrung weit über die Bezirks- und Landesgrenzen hinaus bekannt. Während des Lockdown stieg der Bedarf an Baby- und Kindernahrung enorm. Darum arbeiteten die Beschäftigten in diesem systemrelevanten Betrieb auch während der Krise auf Hochtouren – und das trotz Angst vor Ansteckung und großer Unsicherheit.

Gleich nach Ausbruch der Corona-Krise wurden in der Firma die – ohnehin schon hohen – Hygienestandards nochmals erhöht: Schichten wurden verschoben, damit weniger Beschäftigte zusammenkommen. Abstandsregeln und Maskenpflicht wurden eingeführt, und die Sitzplätze in der Kantine wurden drastisch reduziert.

Mitarbeiter mit Kindern mussten sich wegen der Schul- und Kindergartenschließungen die Kinderbetreuung neu organisieren – und waren dabei extrem flexibel. „Alle haben sich in dieser schwierigen Situation arrangiert, waren flexibel und haben alles für den Betrieb und die Gesellschaft gegeben. Wenn Kollegeninnen oder Kollegen krank geworden sind, sind die anderen eingesprungen, haben – wenn nötig – Überstunden geschoben, ohne zu jammern“, betont Dominik Gessert und sagt: „Die Beschäftigten haben diese Krise hauptverantwortlich gestemmt.“

Auch über die erschwerten Arbeitsbedingungen haben sich die Beschäftigten nicht beklagt. Das Arbeiten mit Maske bei Temperaturen um die 45 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit, schweres Heben und Tragen – die körperlichen Belastungen waren unter diesen Umständen noch höher als sonst. Und somit auch die enormen Leistungen der Beschäftigten.

Mangelnde Wertschätzung für die Heldinnen und Helden der Krise

Die vergangenen Monate haben mehr denn je gezeigt, dass auf die Beschäftigten Verlass ist. Sie haben unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft am Laufen gehalten. Ohne die mobilen, flexiblen, produktiven, innovativen Beschäftigten hätten die Unternehmen die Corona-Krise nicht überstanden. Mit Geduld, Improvisationsfähigkeit und Fleiß waren und sind sie trotz der vielen, massiven und ständig wechselnden Belastungen und Einschränkungen im Einsatz.

Für diese Loyalität und ihr Engagement haben sich die Beschäftigten mehr Wertschätzung verdient. Aber die Realität sieht vielfach anders aus: Zahlreiche Unternehmen haben sich bei Ausbruch der Krise sofort von ihren Mitarbeitern getrennt, haben sie bestenfalls mit Wiedereinstellungszusagen auf eine bessere Zukunft vertröstet.

Viele als Helden der Krise gelobte Beschäftigte warten immer noch darauf, dass ihr Einsatz (samt Erkrankungsrisiko) honoriert wird. Die Beschäftigten in Kurzarbeit tragen mit ihrem Einkommensverzicht ganz wesentlich dazu bei, dass die Betriebe die Auftragslöcher überstehen und anschließend mit einem eingearbeiteten Team die Produktion rasch wieder hochfahren können.

Forderungen der Arbeiterkammer Oberösterreich

Die Corona-Pandemie hat die Krisenanfälligkeit unseres bisherigen Wirtschaftssystems deutlich gemacht. Um unseren Wohlstand nachhaltig abzusichern, müssen wir den arbeitenden Menschen jene Wertschätzung zukommen lassen, die sie verdienen, und das soziale Netz absichern und an einigen Stellen verbessern:

  • Anhebung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung auf mindestens 70 Prozent des letzten Einkommens. Die Einmalzahlung von 450 Euro ist kein Ersatz dafür.
  • Anerkennung der hohen Produktivität und Leistungsbereitschaft der Beschäftigten durch faire, deutliche Lohn- und Gehaltserhöhungen. Insbesondere für viele der als Corona-Heldinnen und Helden bezeichneten Beschäftigten ist die Anhebung der KV-Löhne und Gehälter auf mindestens 1.700 Euro wichtig.
  • Darüber hinaus muss die Regierung den geschätzt eine Million Arbeitnehmer/-innen, die während der Krise das Land am Laufen gehalten haben, endlich den zugesagten „Corona-Tausender“ auszahlen und die Lohnsteuer-Reform vollständig rasch umsetzen.
  • Ankurbelung der Wirtschaft durch Konjunkturprogramme von Bund und Land – insbesondere Ausbau der sozialen Infrastruktur und des öffentlichen Verkehrs sowie Ankurbelung des Wohnbaus bzw. der thermischen Sanierung. Durch diese Investitionen wird die Beschäftigung in vielen Branchen gesichert und es entstehen auch zahlreiche neue, dauerhafte Arbeitsplätze.
  • Arbeitsmarktpolitische Schwerpunkte müssen die Sicherung der Ausbildung der Jugendlichen und die Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit bei benachteiligten Gruppen durch geförderte Beschäftigung sein.

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