Steigende Auflagen setzen Almbewirtschafter unter Druck
BEZIRK KIRCHDORF. Bei einer Wanderung in der schönen Bergwelt des Bezirkes in eine der Almen einzukehren ist ein besonderes Erlebnis. Die Geschichte der Almen und die Arbeit, die dahinter steckt, wird jedoch oft vergessen. Dazu kommen immer mehr Auflagen wie die Registrierkassenpflicht, welche die Almbewirtschafter unter Druck setzen. Die Zukunft ist für viele ungewiss.
Die Almen entstanden ursprünglich aus Rodungsinseln im Wald. Um 1500 gab es nur im Gebiet des Sengsengebirges und des Hengstpasses 75 Almen. Es war üblich, dass die Almen den Namen des Hofes, der die Weiderechte besaß, erhielten. Vom Hof wurde das Vieh im Frühjahr erst auf eine Nieder- und von dort auf eine Hochalm aufgetrieben. Die Almen waren eine unverzichtbare Ergänzung zur Futterproduktion im Tal und sie erlebten im 17. und 18. Jahrhundert ihre Blütezeit.
Rückgang der Almen
Ab Mitte des 19. Jahrhunderts setzte mit der Industrialisierung ein Rückgang in der Almbewirtschaftung ein. Adelige kauften viele Waldbauernbetriebe auf und durch die Weltkriege wurde die Bewirtschaftung vieler Almflächen vernachlässigt. Mit der Mechanisierung und Intensivierung der Landwirtschaft in den 1960er-Jahren wurden die Almen ein weiteres Mal der Verwaldung überlassen. „Heute gibt es noch insgesamt rund 150 bewirtschaftete Almen im Bezirk Kirchdorf“, so Johann Feßl, Obmann des Oö. Almvereins, aus Edlbach. Die meisten Almen werden von Juni bis September bewirtschaftet.
Almen als Lebensraum
Die Almen des Bezirkes sind Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten. Auf den ungedüngten Almen kommen bis zu 60 Pflanzenarten vor. Die Pflanzenvielfalt bedingt, dass die Raupen von Faltern Lebensraum finden. Daher flattern um die 500 Schmetterlingsarten auf den Almen des Bezirkes. Auch kleine Tiere wie Insekten, Spinnen oder Reptilien profitieren von den Almflächen. „Die Vielfalt, die sich jeder wünscht, gibt es nicht im Wald, sondern auf den Almwiesen“, sagt Johann Feßl.
Pflege von Tradition
Auf den Almen bekommen die Besucher nicht nur eine herzhafte Brettljause, sondern erleben auch Brauchtum. Es wird gerne musiziert und gesungen. Unzählige Volkslieder und Sagen erinnern an die Blütezeit der Almen.
Zukunft der Almen
Die Beliebtheit in der Bevölkerung auf die Alm zu gehen steigt. Doch vielen ist unbekannt, dass es die Almbewirtschafter zunehmend schwerer haben. Stets neue Auflagen und fallende Milchpreise erhöhen den Druck. „Die Anzahl der bewirtschafteten Almen ist zwar in den vergangenen Jahren stabil geblieben, durch den Strukturwandel werden jedoch die landwirtschaftlichen Betriebe weniger und damit auch das Weidevieh. Die Anzahl der Auftreiber, die ihre Tiere auf die Alm treiben, ist seit dem EU-Beitritt um ein Drittel zurückgegangen. Dadurch fehlen Arbeitskräfte. Dieselbe Arbeit muss von weniger Leuten bewältigt werden“, erklärt Johann Feßl. Der Obmann des Oö. Almvereins macht sich Sorgen, „ob wir in den nächsten Jahren noch genug Weidevieh haben werden“. Unter dem Rückgang leide die Qualität der Almen, denn „Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde stellen die Weidequalität sicher“.
Hürden, die für viele nicht mehr zu bewältigen sind
Ein zusätzliches Problem sind, laut Feßl, die vielen Auflagen. Im Bezirk Kirchdorf hat rund ein Drittel der Almen mit bäuerlichen Bewirtschaftern eine Ausschank. Das ergibt rund 30 Almausschanken, die von den Gesetzesänderungen wie Registrierkassa, Belegerteilungspflicht und Aufzeichnungspflicht betroffen sind. Diese Hürde ist von vielen nicht mehr zu bewältigen, denn Infrastruktur wie Strom, Internet und Telefon ist nicht auf jeder Alm vorhanden.
Polz Hütte heuer geschlossen
Ein Beispiel sind Rosi und Gerd Rettenbacher, die sich dazu entschlossen haben, die Polz Hütte auf der Feichtaualm in diesem Sommer nicht mehr zu bewirtschaften. „Die Familie war mit Herzblut dabei und uns und den Wanderern tut es sehr leid, dass sie aufhören mussten“, ist Johann Feßl traurig und weiß, „man kann eine Almausschank nicht mit einem Gasthof im Tal gleichstellen.“ Der Oö. Almvereinsobmann wünscht sich, „dass der Gesetzgeber Änderungen vornimmt, um die Bewirtschaftung aufrechtzuhalten. Die Almen müssen wirtschaftlich betrieben werden können, damit es auch eine Perspektive für junge Almbetreiber gibt.“
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