Corona-Pandemie lässt die Busse der heimischen Reiseunternehmen still stehen
KIRCHDORF/HINTERSTODER. Die Corona-Pandemie hat die Reisebranche besonders hart getroffen. Auch die Busse der regionalen Reiseunternehmen stehen still. Wie sie mit der aktuellen Situation umgehen und was sie ihren Kunden raten, hat Tips die beiden Geschäftsführer Josef Weiermair (Weiermair - Reisen in Kirchdorf) und Harald Riedler (Riedler Reisen & Touristik in Hinterstoder) gefragt.
Tips: Wie haben Sie das vergangene Jahr erlebt?
Harald Riedler: Sehr frustrierend. Unsere Reisen waren schon sehr gut gebucht, für Ende März war die Aussendung unserer 16-seitigen Reisezeit geplant, da holte uns Mitte März die Corona-Krise ein. Alle 9.000 Exemplare mussten eingestampft und alle fix gebuchten Reisen storniert werden. Auch unser Jahresreisekatalog, welcher im November erschien, war wertlos. Im Sommer konnten einige Rad- und Wandertouren durchgeführt werden, aber bereits im September war alles wieder vorbei. Stillstand bis heute.
Josef Weiermair: Weiermair-Reisen ist ein Reiseveranstalter mit eigenem Katalog, ein Autobusunternehmen und ein Reisebüro. Die Corona-Pandemie hat in irgendeiner Weise jeden getroffen – die Reisebranche natürlich besonders hart. Ab März 2020 wurden alle gebuchten Reisen storniert oder verschoben. Im Sommer und Herbst 2020 konnten zumindest einige Reisen im Inland und ins benachbarte Ausland durchgeführt werden. Besonders beliebt waren unsere Aktivreisen (Rad und Wandern). Seit Anfang November stehen nun wieder alle Busse in der Garage. Eine große Stütze in dieser Krise waren und sind unsere vielen treuen Stammkunden. Sie haben uns nicht nur Mut zugesprochen, sondern auch viel Geduld und Verständnis für Umbuchungen gezeigt, Guthaben stehen gelassen und Reisegutscheine gekauft, um uns finanziell zu unterstützen. Diese Situation war und ist auch für unsere Mitarbeiter eine große Herausforderung und ich bin sehr froh und dankbar, dass alle geschlossen hinter der Firma stehen.
Tips: Wirtschaftlich gesehen war 2020 ein besonders schwieriges Jahr. Wie war das in Ihrem Unternehmen?
Riedler: Der touristische Bereich in unserem Unternehmen war gleich null. Das psychologisch schmerzhafteste war das Abmontieren der Nummerntafeln unserer Reisebusse. Das gab es in unserer 56-jährigen Firmengeschichte noch nie.
Weiermair: Einen Umsatzrückgang von 85 Prozent könnte keine Firma auf Dauer verkraften. Dank staatlicher Überbrückungskredite und Zuschüsse werden wir die Krise gut überstehen.
Tips: Haben Sie Mitarbeiter entlassen oder in Kurzarbeit schicken müssen?
Riedler: Alle unsere Mitarbeiter sind seit April 2020 in Kurzarbeit. Durch Abgänge aufgrund von Pensionierung oder Jobwechsel und durch die neue Kurzarbeitsregelung ab April, können viele unserer Mitarbeiter wieder in die Normalarbeitszeit gehen.
Weiermair: Die Kurzarbeit ist ein sehr wichtiges Instrument zur Bewältigung dieser Krise. Alle Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, zum Glück mussten wir niemanden entlassen.
Tips: Was raten Sie Reisenden derzeit für ihre Urlaubsplanung? Soll man eine Reise buchen oder noch abwarten?
Riedler: Wir haben für heuer leider auch noch keine Planungssicherheit. Wir bieten unseren Kunden Reiseangebote für Österreich und Nachbarländer, Mehrtages- und Tagestouren und viele Wander- und Radtouren an. Wir ersuchen unsere Kunden, Reisen die ihnen gefallen, zu buchen, bei Absagen und Stornierungen halten wir unsere Kunden schad- und klaglos.
Weiermair: Wer 2021 einen Urlaub plant, sollte es sich möglichst bald überlegen. Das Angebot an Reisen ab Linz, Salzburg und Wien wird heuer sicher nicht in gewohntem Umfang zur Verfügung stehen. Sobald sich die Lage entspannt, wird ein „Run“ auf die wenigen Plätze einsetzen und die Flugzeuge werden schnell ausgebucht sein. Gleiches gilt für Hotels in Italien und Kroatien. Die Reiseveranstalter bieten derzeit sehr kulante Reise- und Stornobedingungen an, die das Risiko für die Kunden sehr in Grenzen halten.
Tips: Welche Destinationen sollte man meiden, welche Reiseziele bieten sich an?
Weiermair: Die klassischen Lieblingsdestinationen der Österreicher wie Italien, Kroatien, Slowenien, Griechenland, Spanien und Türkei arbeiten intensiv daran, einen Sommerurlaub so sicher und unbeschwert wie möglich zu ermöglichen. Gleiches gilt für die Länder im Norden, die gerne bei Rundreisen besucht werden wie Irland, England, Schottland oder Skandinavien und das Baltikum. Die Regeln für sicheres Reisen in Europa werden hoffentlich bald von der EU vorgelegt werden.
Tips: Welche Wünsche haben Ihre Kunden?
Riedler: Unsere Kunden wollen „einfach mal weg“. Beliebt sind Reisen ans Meer, Österreichfahrten und Rad- und Wanderfahrten.
Weiermair: Unsere Kunden sehnen sich nach Abwechslung und Entspannung im Urlaub. Natürlich spielt die Sicherheit eine Rolle. Nicht nur gesundheitlich möchte man kein Risiko eingehen, sondern auch die Buchung und die Anzahlungen müssen gesichert sein. So schlecht diese Pandemie für die Reisebranche auch ist, eines hat sie schon aufgezeigt – nur wer eine Pauschalreise im Reisebüro bucht, braucht sich im Fall der Fälle keine Sorgen machen.
Getreu unserem Motto „mit Abstand besser reisen“ haben wir den Sitzabstand in den Bussen auf einen Meter vergrößert, alles desinfiziert und außerdem haben wir die mit dem Innovationspreis 2020 ausgezeichneten „Virenfilter“ eingebaut. Diese Maßnahmen machen ein sicheres Reisen möglich und vermitteln den Reisegästen ein großes Gefühl der Sicherheit.
Tips: Wie sehen Sie die Zukunft der Reisebranche?
Weiermair: Reisen gehört zu den Grundbedürfnissen der Menschen und der Nachholbedarf nach der Pandemie wird sehr groß sein. Schon vor der Pandemie suchte man nach neuen „Modellen“, um dem „Overtourism“ entgegenzuwirken. Ob Venedig, Florenz oder Hallstatt – alle stöhnten unter dem Andrang der Besucher. In Zukunft sollte der Tourismus gleichmäßiger verteilt werden, das heißt, weniger bekannte Ziele müssten besser beworben und angeboten werden. Ich denke, dass in Zukunft Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit bei der Auswahl des Urlaubszieles und des Verkehrsmittels eine größere Rolle spielen werden. Das spricht für den modernen Reisebus.
Vor einigen Jahren hat man prophezeit, Reisebüros würden von den „Internetriesen“ abgelöst werden. Das ist zum Glück nicht eingetreten, denn wer Wert auf gute Beratung, Sicherheit und Qualität legt, der ist im Reisebüro nach wie vor am besten aufgehoben – das hat die Situation im letzten Jahr eindrücklich bewiesen.
Tips: Welche Wünsche haben Sie an die Politik?
Riedler: Wir erwarten uns von der Politik eine gewisse Planungssicherheit, und wir müssen wissen, unter welchen Voraussetzungen wir wieder verreisen dürfen. Es müssen praxistaugliche Lösungen angeboten werden. Gesundheit und Sicherheit wird an erster Stelle stehen, wenn das gewährleistet werden kann, dann lasst uns wieder reisen, denn „es ist die schönste Tätigkeit auf der Welt.“
Weiermair: Von der Politik wünsche ich mir, dass rasch eine europäische Lösung gesucht wird, um die Reisefreiheit wiederherzustellen. Die Reisebranche braucht ein „Öffnung-Szenario“, das natürlich mit dem Fortschritt der Impfungen in Europa und der ganzen Welt einhergehen wird. Die Branche braucht mehrere Monate Vorlaufzeit, um wieder Reisen durchführen zu können. Diese Entscheidungen stehen jetzt an. Die fehlende Planungssicherheit ist derzeit das größte Problem in der gesamten Reisebranche.
Tips: Was halten Sie vom Grünen EU-Impfpass?
Riedler: Wenn dadurch eine gewisse Reisefreiheit und Sicherheit grenzüberschreitend gegeben ist, wäre es sehr wünschenswert.
Weiermair: Der Impfpass soll das Reisen in Europa kurzfristig wieder möglich machen. Hoffentlich funktioniert die Umsetzung schneller als bei anderen Projekten in der Vergangenheit (Stichwort Impfstrategie). Wenn die Pandemie „besiegt“ ist, sollten wir aber wieder ohne den Impfpass in Europa herumreisen können, denn ein Abbau der Bürokratie wäre auch sehr wichtig.
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