Bei Schulden aktiv zu werden kann schwerwiegende Folgen verhindern
KIRCHDORF. Eva Maria Weichselbaum ist seit mittlerweile 25 Jahren für die Schuldnerhilfe OÖ tätig. Seit 2010 ist sie im Gebäude der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf für die Beratung und Prävention erste Ansprechpartnerin in der Region. Im Interview mit Tips erzählt sie von ihrer Arbeit, gibt Tipps, wie die Schuldenfalle vermieden werden kann, und betont, wie wichtig es ist, dass Verschuldete den „Kopf nicht in den Sand stecken“.
Tips:Liebe Frau Weichselbaum, bitte erklären Sie kurz den Verein Schuldnerhilfe OÖ und dessen Aufgabengebiete.
Eva Maria Weichselbaum: Gerne. Die Schuldnerhilfe ist eine staatlich anerkannte Schuldenberatung mit dem Ziel, Menschen bei Geldproblemen zu helfen und zu Finanz-Themen zu informieren. In Oberösterreich gibt es zwei Beratungsstellen, die Beratungen in diesem Bereich anbieten: Uns, die Schuldnerhilfe OÖ, und die Schuldnerberatung OÖ. In Linz und Umgebung bieten beide Stellen Termine an. Das restliche Oberösterreich ist zwischen diesen beiden Beratungsstellen aufgeteilt. Im Bezirk Kirchdorf ist die Schuldnerhilfe OÖ zuständig.
Tips: Wie viele Personen betreuen Sie im Bezirk Kirchdorf durchschnittlich im Jahr?
Weichselbaum: Heuer waren bis Ende Oktober 335 Personen bei mir im Büro zur Beratung. Spannender ist für uns aber die Anzahl derer, die sich ganz neu bei uns melden: Das sind im Jahr immer etwa 100 Personen. Heuer sieht es danach aus, dass wir im Vergleich zu den Vorjahren mehr Neukontakte verzeichnen werden.
Tips:Aus welchen Gründen nehmen Personen Ihre Beratungstermine in Kirchdorf in Anspruch?
Weichselbaum: Die meisten kommen zu mir, weil sie Schulden haben und sich nicht mehr im Stande sehen, diese zurückzuzahlen – oder überhaupt nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll. Manche öffnen schon gar nicht mehr ihre Briefe, weil sie sich dem Berg an Rechnungen nicht mehr gewachsen fühlen. Oftmals führen eine Scheidung, Verlust des Jobs, Hausbau, Pensionsantritt oder auch die Geburt eines Kindes dazu, dass sich ein Auskommen mit dem Einkommen einfach nicht mehr ausgeht. Dann ist vor allem eines wichtig: aktiv werden. Denn es ist nie zu spät, den ersten Schritt in Richtung Schuldenfreiheit zu setzen.
Tips:Müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden, um Ihre kostenlose Beratung in Anspruch nehmen zu können?
Weichselbaum: Nein, es gibt keine Voraussetzungen. Manche der Klienten haben gar keine Schulden und möchten sich einfach zu Geld-Themen, wie beispielsweise den Änderungen im Privatkonkurs, informieren. Neben Schuldenregelungen bieten wir nämlich auch Budget-Beratungen an.
Tips:Im Privatkonkurs gibt es Änderungen? Könnten Sie diese kurz erklären?
Weichselbaum: Im Insolvenz- und Exekutionsrecht gibt es seit Juli 2021 neue Regelungen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine kürzere Entschuldungsdauer von nur drei Jahren möglich. Wichtig zu wissen: Um dieses neue Verfahren in Anspruch nehmen zu können, müssen die Betroffenen innerhalb von 30 Tagen nach Feststellung der offenkundigen Zahlungsunfähigkeit, sprich: dem Schreiben vom Gericht, aktiv werden – sich also beispielsweise bei uns bei der Schuldnerhilfe OÖ melden. Erfüllt man die Voraussetzungen, übersieht aber die Frist – dann steckt man weit länger im Konkurs fest als eigentlich nötig.
Tips: Die aktuellen Teuerungswellen halten uns alle in Schach. Was sind Ihre Tipps für einen bewussten Umgang mit Geld?
Weichselbaum: Wichtig ist zu wissen, was monatlich mit meinem Einkommen passiert. Dazu empfehle ich, sich einmal Zeit zu nehmen und alle Ausgaben und Einnahmen eines Monats zu notieren. Dann kann man überlegen, ob es bei den einzelnen Positionen Einsparungsmöglichkeiten gibt – ein günstigerer Handytarif, Kündigung von ungenutzten Abonnements und so weiter. Auch das Thema Sparen ist so eine Sache: Etwas auf der Seite zu haben ist zweifelsfrei wichtig, aber vielleicht ist im Moment nicht der richtige Zeitpunkt. Einen detaillierten Überblick über die eigenen Finanzen bietet zum Beispiel auch ein Haushaltsbuch, in das alle Einnahmen und Ausgaben notiert werden.
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