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Geschichtsträchtige Baustellen, in den Topotheken konserviert für die Ewigkeit

Sophie Kepplinger, BA, 15.08.2023 17:17

REGION KIRCHDORF/STEYR. Im zweiten Teil der „Anno dazumal“-Serie gewähren die Topothekare der LEADER-Region Traunviertler Alpenvorland einen Blick zurück in bauliche Entwicklungen der Region.

Asphaltierung der Landesstraße in Schlierbach um 1958 (Foto: Topothek Schlierbach)
  1 / 16   Asphaltierung der Landesstraße in Schlierbach um 1958 (Foto: Topothek Schlierbach)

Weil Topotheken von Gemeinden eingerichtet werden, enthalten sie viele Fotos von neu errichteten öffentlichen Gebäuden wie Feuerwehrhäusern, Schulen, Gemeindeämtern und Vereinsheimen. „Neue Gebäude bedeuteten Fortschritt in den Gemeinden. Sie waren ein Zeichen des Wohlstands, der wuchs, sich überall im Land ausbreitete und einem selbst zugutekam“, erzählt Siegfried Kristöfl, Historiker und Koordinator des Topotheken-Projekts der LEADER-Region.

Von unverbauten Flächen und unentwickelten Ortskernen

Wenn gebaut wurde, ging etwas voran. Wer baute, investierte in die Zukunft und belebte gleichzeitig die Wirtschaft. Hermann Sturmberger, Topothekar von Adlwang, kann praktisch davon erzählen, ist er doch selbst ein Baumeister. In seiner Sammlung gibt es genug Ansichten, die die bauliche Entwicklung seiner Gemeinde dokumentieren. Sie ist durchaus typisch für die gesamte Region. Vor allem alte Luftbildaufnahmen zeigen die unverbauten Flächen und unentwickelten Ortskerne.

Fotomotiv Baustelle

Etwas Neues zu bauen, beginnt mit dem Ausheben einer Baugrube oder mit dem Abreißen alter Bausubstanz. „Auf alle Fälle braucht es Bagger. Sie sind fotogen. Und deren Geräusche zieht Fotografen an. Wenn sie mit ihren Schaufeln altes Mauerwerk abbrechen und zum Einsturz bringen, sind momentane Ruinen manchmal bizarre Fotomotive“, kommentiert Kristöfl die historischen Fotos.

Renovierung der Brandstätter Schmiede in Stiedelsbach

Ein Blick in die Topotheken zeigt: Baustellen sind überhaupt gern fotografierte Plätze. In manchen erhaltenen Serien werden einzelne Etappen von Sanierungen festgehalten. Beispielhaft dafür ist die Renovierung der Brandstätter Schmiede in Stiedelsbach (Gemeinde Losenstein). „Es ist ein historisches Kulturdenkmal, das durch das kräftige Engagement von vielen Losensteinern gerettet wurde. Anfangs haben die wenigsten daran geglaubt, dass aus diesem Objekt noch etwas werden würde. Noch dazu als Ausstellungsort und attraktives Ausflugsziel für Gäste, die hier auch Nägel schmieden können, wie es die Besitzer einst gemacht haben“, erzählt der Historiker.

Traum vom Eigenheim

„Der für Menschen und für Gemeinden größte soziale Aspekt des Bauens ist aber das Schaffen von Wohnraum. Sein Haus selbst zu bauen, war nicht nur ein archaischer (Männer-)Auftrag oder ein kreativer Wunschtraum, sondern Realität für alle Generationen“, so der Historiker. Die Geschichten darüber werden in den Familien weitererzählt, die Fotos dazu stecken in privaten Alben. „Es wäre schön, wenn viele davon auch in den Topotheken erhalten blieben“, betont Kristöfl.

Eine besondere Anekdote weiß dazu Wolfgang Kerbl in Nußbach zu erzählen. Durch seine Hände gingen viele Fotos von Josef Himmelbauer, eines früheren Schullehrers, in die Topothek. Beim privaten Hausbau 1953 fand dessen Familie eine römische Münze.

Die Geschichte des „Sechserhauses“ in Waldneukirchen

In Waldneukirchen wiederum kennt die Topothekarin Katharina Ulbrich sehr genau die Geschichte des sogenannten „Sechserhauses“. Es entstand 1929/30 und war das erste Wohnhaus für Arbeiter in der Gemeinde. Ein altes strohgedecktes Häuschen musste dem zweistöckigen Neubau weichen. Die Stelle ist markant. Das Haus bildet architektonisch das eine Ende der langen Dorfstraße. Am anderen Ende stand das Gemeindeamt, das vier Jahre davor neu gebaut wurde. Mit genügend Amtsräumen für die Verwaltung, der Gendarmerie, der Post und der Bank. Diese zwei modernen Bauten entstanden in der Amtszeit des Bürgermeisters Peter Mandorfer, der einige Jahre später auch ein österreichischer Bundesminister wurde.

Verändertes Ortsbild in Wartberg

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen vielerorts Wohnbaugenossenschaften die Errichtung von Wohnanlagen und Siedlungsbauten. Ein Beispiel dafür – die Errichtung des Styria-Wohnhauses 3 im Roßlauf im Jahr 1994 – findet man in der Topothek von Wartberg. Topothekar Johann Penninger hat der Sammlung einige Baustellenfotos hinzufügen können, die den Beginn von Veränderungen des Ortsbildes markierten, unter anderem von der Kremsregulierung 1960, der Pfarrhofsanierung 1977 oder dem Pfarrheimbau 1982.

Die spektakulärste Baustelle

„Die spektakulärste fotografierte Baustelle aller Topotheken unseres LEADER-Projekts ist aber die des Ennskraftwerks in Losenstein, das zwischen 1958 und 1962 entstand“, so der Historiker. Auf die Serie an Fotos ist der Topothekar Bernhard Karrer besonders stolz, weil sie aus einer Reimchronik des Losensteiner Priesters Franz Xaver Blasl stammt. „Dieses Werk ist ein eigenes Kleinod, das digitalisiert und gesichert wurde“, so Kristöfl. Mit Hilfe der Topothek (www.topothek.at) kann man nun von überall darauf zugreifen.

Leser-Aufruf

„Selbstverständlich könnte man jede Topothek als 'Baustelle' bezeichnen. Denn sie wurden angelegt als neutraler Sammelplatz, angelegt, um sowohl Bilder vom privaten Wohnglück als auch von Pfuschversagen zu speichern. In diesem Sinne freuen wir uns über weitere Zusendungen!“, so Kristöfl. Fotos können an s.kepplinger@tips.at gesendet werden.

Hier geht's zu Teil 1: Badeplätze anno dazumal

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