
OBERSCHLIERBACH. Barfuß vom Almsee in Grünau bis zum Matterhorn in der Schweiz zu gehen, das ist der Traum von Eva-Maria Weiermayer aus Oberschlierbach. Im heurigen Sommer erfüllte sie sich diesen und legte in sieben Wochen zu Fuß 794 Kilometer und 48.640 Höhenmeter zurück. Obwohl sie wetterbedingt nicht am Gipfel stand, ist sie überglücklich.
Schon als Kind war Eva-Maria Weiermayer sehr naturverbunden. Als sie selbst Mutter wurde und sah, wie ihre beiden Söhne die Natur wahrnehmen und den Moment leben, verstärkte sich ihre Verbindung zur Natur nochmals. „Das Matterhorn hat mich mein Leben lang begleitet, ich war davon schon immer fasziniert“, erzählt die 32-Jährige. Vor zwei Jahren sah sie den 4478 Meter hohen Berg in der Schweiz zum ersten Mal. „Die Energie war so groß, dass ich beschloss, ein Jahr später hinaufzugehen“, berichtet Eva-Maria Weiermayer. Gesagt, getan – doch 300 Höhenmeter vor dem Gipfel musste sie wegen Steinschlaggefahr umkehren.
Über die Grenzen hinaus
Doch die gebürtige Scharnsteinerin gab ihren Traum nicht auf, sie entwickelte diesen sogar weiter. Das Projekt „Beyond your Limits“ (über die Grenzen hinaus) entstand. Die Idee: Vom Heimatort zum Herzensberg gehen – alleine und barfuß. „Ich will den Berg nicht schnell besteigen, sondern die Natur so berühren, wie sie mich berührt“, sagt Eva-Maria Weiermayer. Mit ihrem Lebenstraum möchte sie zeigen, „wenn wir bereit sind, uns vollkommen auf die Natur einzulassen und mit ihr in Verbindung gehen, ist es möglich, über jegliche Grenzen hinauszugehen und Unmögliches möglich zu machen“.
Träume verwirklichen
Von ihren fünf und sieben Jahre alten Söhnen getrennt zu sein, war der einzige Grund, der sie zögern ließ. Aber ihren Kindern vorzuleben, dass man sich seine Träume verwirklichen soll, hat die Zweifel überwogen.
Gute Planung, wenig Training
Ein halbes Jahr plante die Weitwanderin an ihrem Projekt. Trainiert hat sie dafür kaum. „Ich bin keine Extremsportlerin und habe als Mama auch keine Zeit, stundenlang zu trainieren“, so die 32-Jährige. Die weiteste Strecke, die sie bis damals gegangen ist, war im Jahr 2015 100 Kilometer lang. Lediglich das Barfußgehen hat sie intensiviert. „Die Naturverbundenheit ist mir wichtig. Barfuß sind die Erdung und der Energieaustausch mit dem Boden besser. Es ist wie eine permanente Fußreflexzonenmassage und aktiviert damit den Körper“, erklärt Eva-Maria Weiermayer, warum sie bei ihrer Wanderung auf Schuhe verzichtete.
Auf den Körper hören
Am 17. Juni machte sie beim Almsee in Grünau mit ihrem rund zehn Kilo schweren Rucksack am Rücken den ersten Schritt und am 5. August kam sie auf der Hörnlihütte am Fuße des Matterhorns an. Dazwischen lagen nicht nur 50 Tage, 794 Kilometer und 48.640 Höhenmeter, sondern auch einige Schmerzen, viele emotionale Momente und wertvolle Begegnungen.
Zu Beginn ging Eva-Maria Weiermayer bis zu 15 Kilometer täglich, später durchschnittlich 25 Kilometer. Die längste Tagesetappe war 35,2 Kilometer lang. Die Weitwanderin war zwischen fünf und zehn Stunden pro Tag unterwegs und legte in den 50 Tagen acht Ruhetage ein. Sie schlief spontan in Hütten, bei Freunden und Bekannten, die sie auf dem Weg kennengelernt hat.
Die Tagesetappen absolvierte sie immer nach körperlichem Befinden. „Es ist auch eine Reise zu sich selbst. Man kommt über seine Grenzen hinaus und lernt sich selbst besser kennen. Auf den Körper zu hören, ist dabei das Wichtigste“, betont Weiermayer, das treffe auch auf die Ernährung zu: „Ich habe meistens gut gefrühstückt und mittags etwas gegessen, auf das ich Lust hatte – am Abend aber nichts mehr.“
Dornen, Pfützen und Kuhfladen
Wichtig bei so einem Projekt sei, laut der Wanderin, fokussiert und konzentriert zu sein, um sich weder etwas einzutreten noch zu stolpern. „Es gab Strecken, die mir Schmerzen bereiteten, wie das Gehen über Kalkstein und Schotterbruch oder auf heißem Asphalt. Auch die Dornen nach dem Tritt auf eine Brombeerstaude waren nicht sehr angenehm. Aber ich genoss es, in Regenpfützen zu springen. Einmal übersah ich eine Kuhflade“, lacht die 32-Jährige, die abends ihre Füße gut reinigte und sie mit Harzsalbe und Hirschtalg einschmierte.
Ein paar offene Stellen waren immer innerhalb von zwei Tagen verheilt. Nach gut zwei Wochen haben sich ihre Füße an das Barfußgehen gewöhnt. „Man hat das Gefühl, die Fußsohlen sind dicker. Man spürt schon noch alles, aber viel gedämpfter“, berichtet die Barfußgeherin, die es sich im Moment nicht vorstellen kann, wieder Schuhe anzuziehen: „Ich bekomme Druckstellen davon.“
Sicherheit ging immer vor
Zwei Tage vor ihrer Ankunft auf der Hörnlihütte fiel dort Schnee. Als sich dann auch noch Eis bildete, war der Aufstieg zu gefährlich. Es fehlten lediglich circa zwei Kilometer bis zum Gipfel. Die Enttäuschung war dementsprechend groß. „Aber mir war klar, das Risiko ist zu groß. Das Leben ist mir zu wertvoll“, sagt die junge Mutter, die jetzt ein Buch über ihre Erlebnisse schreibt: „Ich trage diese Reise für immer im Herzen.“
Ob heuer noch oder erst nächstes Jahr – sobald die Bedingungen wieder passen, fährt Eva-Maria Weiermayer in die Schweiz und versucht den Aufstieg ein drittes Mal, um ihren Traum zu vollenden.