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"Ein Heim kann niemals eine Familie ersetzen": Eine Pflegemama erzählt

Sophie Kepplinger, BA, 30.01.2024 20:08

ROSSLEITHEN. Im Jahr 2023 waren im Bezirk Kirchdorf 41 Kinder in 27 Pflegefamilien untergebracht. Eine davon ist Familie Schmeißl aus Roßleithen: Seit vier Jahren sitzen bei Familienfeiern drei weitere Kinder beim Küchentisch. Auf ihrem Ziegenhof Seifried wird klar, wie bereichernd, aber auch herausfordernd der Alltag einer Pflegefamilie sein kann.

Sabine und Adolf Schmeißl vom Ziegenhof Seifried in Roßleithen haben vor vier Jahren drei Pflegekinder bei sich aufgenommen. Kurzzeitig war der Platz im Haus doch etwas knapp, erzählt die Pflegemama. (Foto: Maria Gösweiner)

Wenn Sabine Schmeißl von ihrer Familie spricht, dann meint sie genau das: Familie. Sie unterscheidet nicht zwischen ihren drei eigenen und den drei Pflegekindern. „Wir sind eine Familie. Wenn man die Schwiegerkinder noch mitzählt, dann eine ziemlich große“, sagt sie. Der Küchentisch, an dem sie gerade Kaffee und Brioche aufgetischt hat, ist bei Familienfeiern bis auf den letzten Platz belegt. „Ich kann es mir gar nicht mehr anders vorstellen“, überlegt die 54-Jährige. Dabei ist es erst vier Jahre her, dass sich der Familienalltag der Schmeißls in Roßleithen völlig gewandelt hat.

Umzug nach fünfeinhalb Jahren im Heim

Im März 2020 zogen Selina, Dominik und Jana nach fünfeinhalbjährigem Heimaufenthalt bei Familie Schmeißl ein. Keine völlig neue Umgebung für die drei Geschwister: „Wir kennen die Kinder schon seit sie klein sind, haben auch ihren Vater gut gekannt und hatten sie regelmäßig bei uns zu Besuch“, erzählt die Roßleithnerin. Es sei der Tag der Beerdigung des Vaters gewesen, als Sabine und ihr Mann Adolf wussten: Wir müssen etwas tun. „Die Entscheidung, die Kinder bei uns aufzunehmen, haben wir dann gemeinsam mit unseren Söhnen getroffen und gut überlegt“, erinnern sich die beiden. Beratungsgespräche, Eignungsprüfung und Ausbildung zur Pflegemama folgten, bevor die drei Geschwister ihr neues Zuhause beziehen durften.

Familienleben neu gedacht

„Dadurch, dass wir die drei schon seit jeher kennen, hatten wir sie schon längst ins Herz geschlossen“, sagt die 54-Jährige. Ein liebevolles Umfeld, ein strukturierter Alltag und Ruhe – das war genau das, was die drei nach turbulenten Jahren in ihrer Herkunftsfamilie, mehreren Schicksalsschlägen und dem Heimaufenthalt brauchten. „Ein Heim kann niemals eine Familie ersetzen und wir waren so glücklich, als wir die drei endlich bei uns aufnehmen durften“, erzählt sie. Dennoch stellte sich kurzzeitig der gesamte Familienalltag auf den Kopf, neue Routinen mussten etabliert und Platz im Haus geschaffen werden. „Zusätzlich kam bei ihrem Einzug 2020 die Corona-Pandemie samt Distance-Learning auf uns zu. Plötzlich brauchten drei weitere Kinder Internetzugang für die Schule“, erinnert sich Sabine Schmeißl kopfschüttelnd. Dass sich ihr Leben im Alter von 50 Jahren noch so verändern würde, damit habe sie nicht gerechnet, ergänzt sie lachend.

„Zuhören, zuhören, zuhören“

Während in anderen Familien die pandemiebedingten Herausforderungen den Alltag dominierten, stand bei Familie Schmeißl die Eingewöhnungsphase der drei neuen Familienmitglieder im Vordergrund. „Die Kinder haben viel durchgemacht. Anfangs war es vor allem wichtig, sich Zeit zu nehmen, zuzuhören, über alles zu reden und auch im Alltagsstress sensibel zu bleiben“, betont die Pflegemama. „Dass manchmal Themen hochkommen, mit denen man nicht gerechnet hat, gehört dazu. Die Kinder mussten vieles erst verarbeiten.“

Wie Pflegefamilien unterstützt werden

Unterstützung erhalten Pflegefamilien von Sozialarbeitern der Kinder- und Jugendhilfe. Via „plan-B“, Partner der Kinder- und Jugendhilfe Oberösterreich, werden Fortbildungen angeboten. 15 Stunden jährlich stehen dabei für Sabine Schmeißl am Programm. „Bei den Treffen gibt es auch die Möglichkeit, sich mit anderen Pflegeeltern auszutauschen und sich gegenseitig zu helfen“, erzählt sie. Bei Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen haben Pflegeeltern Anspruch auf Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Pflegefreistellung und Pflegekindergeld. Zur sozialversicherungsrechtlichen Absicherung ist ein Anstellungsverhältnis für einen Pflegeelternteil möglich. Sabine Schmeißl etwa ist als Pflegemama bei „plan-B“ registriert.

Feier zum Jahrestag

Selina, Dominik und Jana haben sich in Roßleithen sehr gut eingelebt. Die mittlerweile Jugendlichen sind in Sportvereinen aktiv, absolvieren die Schule mit Bestnoten und sind mit Freunden unterwegs. Doch spätestens am 28. März trifft sich die gesamte Familie wieder im Esszimmer beim Küchentisch, um gemeinsam ihren Jahrestag zu feiern – jenen Tag, als die drei am Ziegenhof Seifried ihr Zuhause fanden.

Pflegeeltern werden: Infoveranstaltung in Kirchdorf
Für alle, die Interesse haben, Pflegeeltern zu werden, gibt es am 27. Februar, 16 Uhr, einen Info-Abend in der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf. Kinderpsychologin Claudia Hockl und Karin Hametner, Gruppenleiterin der Kinder- und Jugendhilfe Kirchdorf, bieten einen Einstieg ins Thema.

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