Zwischen Faszination und Grusel: „Körperwelten“ demnächst in der Linzer Tabakfabrik
Mit der Erfindung von „Plastination“ macht es Gunther von Hagens möglich, echte menschliche Körper konservierbar und somit für die Nachwelt anschaulich zu machen. Seine Ausstellung „Körperwelten“ fasziniert Besucher auf der ganzen Welt. Und ab 20. Februar wird sie erstmals in der Linzer Tabakfabrik präsentiert. Der heute 70-Jährige polarisiert mit seiner Arbeit enorm, hat in der Anatomie damit aber einen großen Schritt nach vorne geschafft.
Tote Menschen, wohin man schaut. Tote, die Fußball spielen, tote menschliche Herzen, und Tote beim Sex. Alles was zu sehen ist sind detailgetreu plastinierte Exponate von Gunther von Hagens“, bald auch in der Tabakfabrik Linz ausgestellt. Es handelt sich um Leichen, die durch ein Verfahren, genannt Plastination, konserviert sind. Diese Methode stoppt den Verfall des toten Körpers und stellt haltbare anatomische Präparate für die wissenschaftliche und medizinische Ausbildung her. Alle Präparate stammen von Menschen, die zu Lebzeiten entschieden haben, ihren Körper nach Ableben der Wissenschaft zu spenden. „Wir freuen uns über jeden Körperspender, haben aber auch genügend Leichen im Keller“, sagt Rurik von Hagens, Sohn von Erfinder Gunther von Hagens und Geschäftsführer der Gubener Plastinate GmbH. Medizin oder Kunst? Die Ausstellung ist weltweit einzigartig: Sie vereint medizinische Aufklärung mit Wissenschaft und Museumskultur. Tips hat bei einem Besuch im „Plastinarium“ Guben (DE) Einblick bekommen, wie die Leichen-Schau zustande kommt: Im ersten Schritt geht es darum, den Verwesungsprozess der Toten zu stoppen. Dazu wird eine Formalin-Lösung in die Arterien injiziert. Danach beginnt der eigentliche Plastinationsprozess in Azeton-Bädern. „Alles was im Körper verwesen kann, wird durch Kunststoff ersetzt. Sprich Körperfett und Körperwasser“, erklärt Rurik von Hagens. Im weiteren Austauschprozess mittels Vakuum wird das Azeton gegen Kunststoff ausgetauscht. Rund ein halbes Jahr dauert dieser Prozess. Danach werden die Präparate an die „Produktion“ geliefert. Penibelst genau zupfen Mitarbeiter des Plastinariums letzte Gewebeteilchen vom Körper und stellen die einzelnen Arterien, Sehnen, Organe und so weiter, frei. „Ganz losgelöst kann ich bis heute nicht arbeiten. Dieses Präparat ist mehr als nur eine Abbildung“, sagt eine Mitarbeiterin, während sie eine menschliche Milz von restlichen Fettteilchen befreit. Alicia Poveda Sanchez ist ebenfalls als Präparatorin tätig. Die Spanierin ist von der Anatomie des Menschen so begeistert, dass sie vor einem Jahr ausgewandert ist, um in Guben arbeiten zu können. „Meine Freunde finden das schon komisch was ich mache, aber für mich ist es eine spannende Arbeit“, sagt die 26-Jährige. Rund 1500 Arbeitsstunden (ein Jahr) vergehen bis das Ganzkörperplastinat fertig positioniert und an Uni“s der ganzen Welt geschickt werden kann, oder einen Platz in der Ausstellung findet. Ein Leben für die Wissenschaft Der Lebenslauf von Gunther von Hagens liest sich erst wie der eines typischen Forschers. Es finden sich Belege der Frühreife und Erfindungen. Als außergewöhnlich gilt sein Leben als Wissenschaftler aber spätestens durch eine zweijährige Haftstrafe in der DDR, seine bahnbrechende Erfindung der Plastination und die Zusammenarbeit mit Körperspendern (darunter sein bester Freund). Gunther von Hagens hat mit seiner Erfindung nicht nur das Fach Anatomie, sondern auch die Sichtweise des menschlichen Körpers in unserer heutigen Gesellschaft verändert. Derzeit forscht er in seinem Labor in Guben an einer neuen Möglichkeit des Austauschprozesses. Durch seine Krankheit Parkinson ist er jedoch enorm eingeschränkt. Einzigartige Innenansichten garantiert Ab 20. Februar macht die Ausstellung „Körperwelten – eine Herzenssache“ Halt in der Tabakfabrik Linz. Beginnend vom Skelett des Menschen über das Zusammenwirken der Muskulatur bis hin zur detaillierten Darstellung des Herzens erhält der Besucher ein detailliertes Bild über den Aufbau seines Innenlebens. „Die Mischung aus Faszination und Spannung macht die Stimmung der Ausstellung zu einem einzigartigen Erlebnis“, beschreibt Rurik von Hagens.
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