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Anpacken, statt wegschauen: "Die Spirale nach unten kann jeden treffen"

Martina Gahleitner, 19.06.2019 06:06

KLAFFER/LINZ. Es ist schon eine Weile her, da hat sich Gilbert Zimmerbauer vorgenommen, er geht mit einem Rucksack voller Wurstsemmeln durch die Landstraße und verteilt diese an Obdachlose. Das mit dem Rucksack ist nie etwas geworden. Aber jeden Donnerstag steht er in der Nähe des Bahnhofs und unterstützt die Obdachlosen-Hilfsaktion. Tips-Redakteurin Martina Gahleitner hat ihn einen Nachmittag lang begleitet.

Für Gilbert Zimmerbauer aus Klaffer (vorne) ist die Verteilaktion ein Fixtermin. "Es macht Freude, wenn man jemanden helfen kann", sagt er.   Foto: Gahleitner
photo_library Für Gilbert Zimmerbauer aus Klaffer (vorne) ist die Verteilaktion ein Fixtermin. "Es macht Freude, wenn man jemanden helfen kann", sagt er. Foto: Gahleitner

Warum er das überhaupt macht, möchte ich vom Klaffegger Unternehmer wissen, als wir uns auf den Weg nach Linz machen, und bin doch überrascht von seiner Antwort: „Weil“s mir gut tut“, sagt er. „Es macht einfach Freude, wenn man jemanden helfen kann. Da kann ich auftanken.“ Gilbert Zimmerbauer spricht hier wohl auch für seine Mitstreiter, die für die Obdachlosen-Hilfsaktion aktiv sind. Jeden Donnerstagnachmittag – im Sommer alle zwei Wochen – räumen sie einen Kleinbus mitsamt kleinen Hänger voll und verteilen die Sachen an ihrem Stellplatz in der Nähe des Bahnhofs.

Leute wollen gerne reden

Wir sind früh dran, als wir um kurz nach 15 Uhr dort ankommen, die anderen sind vom Lager in Ansfelden noch nicht eingetroffen. Denn erst eine Stunde später beginnt die Verteilaktion. „Ich bin gern so früh hier“, sagt Zimmerbauer. Er weiß, dass die Leute, die auf der Straße leben, gerne reden wollen. Und tatsächlich kommt schon der erste anmarschiert. „Ich komme jedes Mal hierher, auch wenn ich nichts brauche. Da kann man sich unterhalten und a Gaudi haben“, ist Wolfgang dankbar für diese Aktion. So ein Tag sei lang, meint er. Um halb acht Uhr früh muss er raus aus der einzigen Notschlafstelle in Linz, wo er um 3,50 Euro pro Nacht schlafen kann – sofern er einen Platz bekommt. Sein Ziel: „Eine eigene Wohnung, darauf arbeit ich hin“, erzählt er und verrät mir, dass er jeden Monat etwas von seinen 700 Euro zur Seite legt. Da bleibt dann trotzdem noch Geld für Zigaretten oder Selbst-Gewutzelte, ohne die es bei ihm und vielen anderen nicht geht.

Zu wenig Geld zum Leben

Walter Kreische, der die Initiative gestartet und drei Jahre später im November 2016 den Verein gegründet hat, weiß mehr über die Menschen, die heute zur Verteilaktion kommen. „Da sind einige, die 40 Stunden arbeiten und trotzdem am Bahnhof schlafen. Mit 850 Euro kannst du dir in Linz keine Wohnung leisten.“ Wieder andere haben eine Wohnung, dann aber kein Geld mehr für Strom oder Lebensmittel. Andere nutzen die Notschlafstelle. Gleich ist allen, dass sie unter dem Existenzminimum liegen und „alleine keinen Fuß mehr ins Leben reinkriegen“, sagt Kreische. Und macht deutlich: „Es kann jeden erwischen. Die Spirale kann mit Krankheit, Scheidung, mit dem Verlust wichtiger Menschen, mit einer Insolvenz beginnen und wenn dann kein sozialer Hintergrund da ist, steht man auf der Straße.“ Er beobachtet voll Sorge, dass die Armut und Bedürftigkeit der Bevölkerung von Jahr zu Jahr steigt.

Vom frischen Obst bis zur Zahnbürste

Mittlerweile hat sich eine kleine Schlange gebildet. Mit Taschen und Rucksäcken warten etwa 40 Leute darauf, bis sie an die Reihe kommen und ihre Runde um den Hänger drehen können. Ich packe mit an und gebe Salat, Äpfel, Zwiebel, Brot, Marmelade, Süßigkeiten an die Klienten weiter; daneben im Transporter können sie sich mit Duschshampoo, Zahnbürsten oder auch mit Kleidung und Schuhen oder Hundefutter für die nächsten 14 Tage eindecken. Eine ganze Weile bleiben sie dann noch beisammen stehen, reden mit den Freiwilligen, tauschen sich gegenseitig aus, ehe dann alle wieder ihrer Wege gehen. Dankbar und mit gutem Gefühl, ein paar Tage wieder etwas leichter über die Runden zu kommen.

Auf Spenden angewiesen

Finanziert wird das Ganze rein durch Spenden, Geld aus öffentlicher Hand gibt es für den kleinen Verein nicht. Walter Kreische ist dankbar, dass er mit diesen Geldern viel Gutes bewirken kann. Neben der Verteilaktion in Linz werden Hilfsgüter auch an einige Notschlafstellen in Oberösterreich, Salzburg und Wien geliefert. „Wir haben tolle Spender in unserer Gruppe und oft gehen Türen auf, die fest verschlossen schienen. Das gibt Kraft“, sagt der Linzer. Was er sich aber wünschen würde, wäre mehr Verständnis für die obdachlosen Menschen. „Wenn man hinter die Kulissen schaut und hinterfragt, warum sie überhaupt auf der Straße gelandet sind, dann schaut vieles ganz anders aus.“

Tatkräftige Helfer sind übrigens gerne willkommen. Denn der Arbeitsaufwand für das Sortieren im Lager, für die Spendenauslieferungen und Verteilaktionen ist enorm.

Auf der Homepage www.obdachlosenhilfsaktion.at gibt es Details zum Verein, Infos, was mit den Spendengeldern passiert, und auch die Möglichkeit zu spenden.,


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