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Präsident Penz zum Abschied: "Die Kleinen können ohne öffentliche Unterstützung nicht existieren"

Leserartikel Philipp Hebenstreit, 19.03.2018 14:25

GEDERSDORF, ST. PÖLTEN. Hans Penz tritt als Landtagspräsident ab. Tips-Redaktionsleiter Philipp Hebenstreit traf den Gedersdorfer daher zu seinem Abschiedsinterview von der großen politischen Bühne.

Der scheidende Landtagspräsident Hans Penz stellte sich den Fragen von Tips-Redaktionsleiter Philipp Hebenstreit. Foto: NLK/Pfeiffer

Tips: Herr Landtagspräsident, am 22. März übergeben Sie Ihr Amt an Karl Wilfing. Wie fällt Ihr Fazit nach zehn Jahren als Präsident aus? Welche Meilensteine gab es während Ihrer Amtszeit?

Penz: Das ist eine Frage, die man nicht in einem Satz beantworten kann. Ich glaube es war ein sehr erfülltes politisches Leben. Ich habe ja nicht nur zehn Jahre Tätigkeit als Landtagspräsident gehabt, sondern ich war auch zehn Jahre dritter Präsident. Ich war vorher elf Jahre Mitglied des Bundesrates, 27 Jahre hindurch Direktor des Bauernbundes. Ich freue mich, dass ich viele Dinge im positiven Sinne mitbeeinflussen konnte. Niederösterreich hat heute national und international einen hohen Stellenwert. Es war eine spannende Zeit mit vielen Herausforderungen, die wir im Interesse der niederösterreichischen Bevölkerung gelöst haben. 

Tips: Welche war die größte Herausforderung?

Penz: Der EU-Beitritt war die große Herausforderung mit wesentlichen Umstellungen und Anpassungen in vielen Bereichen. Aber es wäre unfair, würde man eine Position herausgreifen. Jedes Jahr hat seine Eigenheit. Auch aufgrund politischer Konstellationen gab es Entwicklungen, wo wir gesagt haben: „Wie können wir das lösen?“. Der Fall des Eisernen Vorhanges war auch eine besondere Situation für Niederösterreich. Wir haben das sehr gut nutzen können.

Tips: Welchen persönlichen Meilenstein hat es für Sie gegeben?

Penz: Das waren sehr viele. Meine Tätigkeit war auch immer in der Politik vorauszudenken und Strategien zu entwickeln. Wir haben in der Landwirtschaft gute Strategien entwickelt, was die Frage des Stellenwertes der Landwirtschaft und die Akzeptanz der Bauern und die Qualität der Nahrungsmittel betrifft. Ich konnte als Verantwortlicher oder Mitverantwortlicher viele Wahlen organisieren und mitgestalten. Ich kann rückblickend mit Freude feststellen, dass ich bei den Landwirtschaftskammerwahlen immer zulegen konnte. Ich war auch in der Strategierunde der Landespartei und wir haben da und dort ein Auf und Ab gehabt, aber wir haben immer respektable Ergebnisse erzielt. Ich habe auch zwei Wahlkämpfe für Wolfgang Schüssel organisiert.

Tips: Haben Sie heute noch Kontakt zu Wolfgang Schüssel?

Penz: Immer wieder. Ich habe mit ihm immer eine gute persönliche Ebene gehabt. Es hat eigentlich begonnen, als ich Vorsitzender im Europaausschuss im Bundesrat war. Er war zu der Zeit Außenminister.

Tips: Fehlen Ihnen solche Politiker heute?

Penz: Jede Epoche hat ihre Persönlichkeiten. Ein Leopold Figl, der heute oft als Vorbild hergenommen wird, würde wahrscheinlich in der heutigen Zeit nicht jene Bedeutung haben, die er damals bekommen hat. Erwin Pröll war auch ein Ausnahmepolitiker und Bundeskanzler Sebastian Kurz ist es ebenso. Andreas Maurer, mein politischer Ziehvater und auch mein persönliches Vorbild, war in der damaligen Zeit durch seine Kantigkeit und Klarheit eine besondere Persönlichkeit. 

Tips: Sind Sie dann der politische Ziehvater für Ihren Nachfolger Karl Wilfing? Was wollen Sie ihm auf den Weg mitgeben?

Penz: (lacht) Ich bin Vater von drei Kindern und von sonst niemanden. Politisch habe ich da und dort Anregungen gegeben. Wenn das eine oder andere mitgenommen wird, kann mir das nur recht sein, ist es irgendwo auch eine Bestätigung. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit  war auch der Stellenwert des Landtages gegenüber der Regierung. Weil der Landtag jenes Gremium ist, wo die Politik des Landes diskutiert und beschlossen werden soll. Und letzten Endes ist es ja auch die Aufgabe des Landtages das Budget zu beschließen. Und das Budget ist ja nichts anderes als die in Zahlen gegossene Politik, wo man festlegt, was wichtiger und weniger wichtiger ist. Was mir wichtig war und wo wir in dieser Zeit sehr erfolgreich waren, war die Vernetzung der Landtage. Ich glaube, wenn sich Regionen in der Dichte verstehen und zusammenarbeiten, ist das von besonderem politischem Gewicht. Darauf bin ich stolz, dass uns das so gelungen ist. Politik besteht natürlich aus der sachlichen Auseinandersetzung, aber es muss auch immer wieder eine persönliche Ebene da sein. Das Vertrauen, der gegenseitige Respekt. Dann funktioniert das auch.

Tips: Früher wurde die Handschlagqualität hochgehalten. Gilt das nach wie vor?

Penz: Ja, es ist etwas ganz Entscheidendes. Natürlich muss da und dort die Chemie zwischen den Personen stimmen. Man muss sich auf Leute verlassen können. Es gibt Situationen im politischen Leben, wo man einander vertrauen können muss. Wo man Dinge anspricht und Entwicklungen einleitet. Wo es gut ist, wenn andere davon wissen und es mittragen aber nichts öffentlich wird. Diese Handschlagqualität ist das A und O des politischen Erfolges.

Tips: Dahingehend zurück zur Landespolitik: Die ÖVP hat bei der Landtagswahl im Jänner die absolute Mehrheit geholt. Ist die Handschlagqualität die Möglichkeit eine Absolute zu halten?

Penz: Es ist unbestritten, dass politische Entscheidungen in einer absoluten Mandatsmehrheit rascher getroffen werden können. Aber es war in all den Jahren so, in denen ich im Landtag war, dass mit allen anderen Parteien immer wieder gesprochen wurde. Wir haben in Niederösterreich den Vorteil des Proporzes. Das heißt: Es sind in der Regierung aufgrund des Wahlergebnisses entsprechend dem Wählerauftrag die Parteien vertreten. Man ist also gezwungen ein Miteinander zu gehen. Die Landeshauptfrau Mikl-Leitner hat das in besonderer Weise propagiert. Es ist ihr erklärtes politisches Ziel, mit den anderen Parteien die Entwicklung des Landes voranzutreiben. Daher gab es auch nach diesem sensationellen Wahlergebnis die Einladung hier mitzuarbeiten. Was gibt es Schöneres, als dass die drei in der Regierung vertretenen Parteien ein Arbeitsübereinkommen festlegen, wo man sich auf den anderen verlassen kann. Die Zielsetzungen sind klar und das gibt viel Energie frei für andere Dinge, damit man sich nicht in tagespolitischen Dingen verheddert.

Tips: Das Proporz-System ist dennoch sehr umstritten. Ist es zukunftstauglich?

Penz: Die Abschaffung des Proporzes ist dadurch gekommen, weil man gesagt hat, man möchte alleine regieren beziehungsweise mit einem Partner, mit dem man ohne Schwierigkeiten Lösungen erreichen kann. Eine klare Zielvorgabe, wo es relativ einfach ist zu regieren. Das hat natürlich Vorteile, keine Frage. Das hat aber auch den Nachteil, dass ich bestimmte Gruppierungen überhaupt nicht miteinbinde. Ich glaube, Politik ist das Suchen nach konsensualen Lösungen. Es hat keiner wirklich die Wahrheit gepachtet. Es geht unterm Strich in der Politik um Interessen. Wer das nicht erkennt, der hat noch nie mit Politik etwas zu tun gehabt. Politik ist daher ein Interessensausgleich, daher ist der Proporz etwas durchaus sehr Vernünftiges.

Tips: Wieder zurück zu Ihnen: Während Ihrer langen Politkarriere haben Sie viel gesehen, Sie waren elf Jahre Bundesrat. Worauf blicken Sie dabei zurück?

Penz: Ich muss ehrlich sagen: Der Bundesrat war eine interessante Zeit. Es ist damals die Frage des EU-Beitritts in der Vorbereitungsphase gewesen. Wir haben da sehr intensiv und engagiert diskutiert, ich war Vorsitzender des Europaausschusses, Mitglied des Europarates. Damit ist der Horizont wesentlich über den Tellerrand hinausgegangen. Interessante Phasen gab es damals auch in der Sowjetunion. Diese persönlichen Begegnungen, die Entwicklungen am Balkan, der Austausch mit den Ungarn, das waren höchst interessante Phasen.

Tips: Warum hat der Bundesrat in der öffentlichen Wahrnehmung einen so niedrigen Stellenwert?

Penz: Der Bundesrat war zu meiner Zeit in der Qualität der Diskussion dem Nationalrat mehr als ebenbürtig. Das Problem des Bundesrates ist nur, dass er sich selbst keinen Stellenwert gegeben hat. Ich habe mehrere Anläufe gemacht, dass der Bundesrat zusätzlich Kompetenzen erhält. Eine Stärkung des Bundesrates dort wo es um Länderinteressen geht und Verfahrensvereinfachungen dort  wo es um reine Bundesangelegenheiten geht. Da gibt es von den Ländern ausformulierte Verfassungsvorschläge. Da hätte man den Stellenwert des Bundesrates insgesamt aufwerten können. Aber der Nationalrat und die Parteien auf Bundesebene sind nicht interessiert an einer  gesamthaften Aufwertung des Bundesrates.

Tips: Sie sind der Landwirtschaft sehr verbunden. Welche großen Herausforderungen kommen auf die niederösterreichischen Bauern in den nächsten Jahren zu?

Penz: Der Wettbewerb wird stärker werden. Internationale Handelsabkommen sind sehr zu hinterfragen, ob die immer zum Vorteil der Landwirtschaft sind. Handelsverträge internationaler Art bringen sicher einen Wohlstandsgewinn, aber nicht für alle Gruppierungen. Man muss daher immer aufpassen, wer könnte unter Umständen auf der Strecke bleiben. Das zweite ist die Frage der finanziellen Ausstattung. Wir alle wissen, dass die Nahrungsmittel teurer sein müssten und dass es ohne Unterstützung der öffentlichen Hand nicht geht. Da bin ich auch betrübt, dass insbesondere im Landesbudget in den letzten sieben Jahren der Ansatz für das Agrarbudget von 96 Millionen auf 66 Millionen Euro zurückgegangen ist, also eigentlich um ein Drittel weniger. Im Gegensatz dazu ist die Förderung der Kammer von 18 Millionen auf 21 Millionen gestiegen. Hier sollte man auch noch einmal nachdenken, wie die Agrarpolitik des Landes gemacht werden soll. Die Herausforderung ist auch durch Convenience-Produkte gestiegen, da hier heimische Produkte durch andere ersetzt werden können. Durch die starke Konzentration des österreichischen Lebensmittelhandels – auch durch die Eigenmarken – kann zum Beispiel die Herkunft von Produkten nicht mehr nachvollzogen werden. Das sind Themen, auf die  ein besonderes Augenmerk gelegt werden muss. Es kommen natürlich auch größere Geräte zum Einsatz, wir haben aber eine kleinflächige Struktur. Was bedeutet das dann auf der anderen Seite? Machen wir alle größer oder unterstützen wir die Kleinen, die unsere Landschaft dem Grunde nach prägen. Das ist eine spannende Entwicklung und ich hoffe sie wird entsprechend begleitet.

Tips: Darf die Unterstützung der Kleinbetriebe öffentliche Gelder kosten?

Penz: Sie kostet Geld. Die Kleinen können ohne öffentliche Unterstützung nicht existieren. Natürlich haben wir immer einen Strukturwandel, das haben wir aber auch in anderen Berufen. Ich glaube, die Politik ist gefordert nachzudenken und voraus zu denken, wie man steuernd eingreifen kann. Diese Bandbreite ist da und es ist die Herausforderung an die Politik auch zu planen: Was brauchen wir? Welche Entwicklung gehen wir insgesamt? Wie muss ich steuernd eingreifen?

Tips: Sie sind nach wie vor ÖVP-Bezirksparteiobmann in Krems. Wie lange wollen Sie das Amt ausüben?

Penz: Solange mir der Herrgott die Gesundheit gibt. Ich habe in all meinen Funktionen das so gehandhabt, dass ich rechtzeitig eine Übergabe vorbereitet habe. Das halte ich im Bezirk genauso. Ich möchte ein neues Parteilokal bauen und bleibe jedenfalls bis zur Fertigstellung, denn das ist mit finanziellen Risiken verbunden. Ich übergebe nicht mittendrin, sondern bringe Projekte zu Ende.

Tips: Bleiben wir beim Kommunalpolitischen: Welche Projekte im Bezirk Krems haben Sie mit besonderem Herzen verfolgt?

Penz: Mit besonderem Herzen natürlich die Freiwilligenorganisationen. Ich kann stolz sagen, dass bei einer Verleihungsfeier des Landesfeuerwehrverbandes der damalige Landesfeuerwehrkommandant gesagt hat, ich bin ein Politiker, der jedes Feuerwehrhaus in seinem Bezirk kennt. Wir haben viele Feuerwehren gut ausgestattet, weil mir die Feuerwehr ein Anliegen ist. Die Feuerwehr hat nicht nur sicherheitspolitische Funktion, sondern vor allem auch eine gesellschaftspolitische. Die Erziehung der Jugend, die Gemeinschaft, der soziale Kitt. Das Gleiche gilt für die Blasmusik, die ich auch immer unterstützt habe. Für Gemeinden generell, was die Infrastruktur betrifft, war ich nicht ganz erfolglos. Ebenso der Erhalt und Ausbau des Spitales, zum Beispiel wurde erst vergangene Woche der Ausbau der Radiologie beschlossen. Vieles, was in Krems in den letzten Jahren passiert ist, ist sensationell. Die Errichtung der Donau-Universität, die Karl Landsteiner-Universität, das Karikatur-Museum, die Landesgalerie und das Kulturzentrum in Grafenegg sind sicher bundesweit einzigartig. Ich sage auch offen, dass mir der Ausbau des Hochwasserschutzes ein großes Anliegen war. Wir haben ein gemeinsames Projekt für alle gemacht. Wenn bis heute im Raum Krems 290 Millionen Euro an Hochwasserschutz verbaut wurden, so ist das nicht eine Summe die in Beton vergraben wurde, sondern wo künftig die Leute Lebensqualität haben und sich nicht mehr fürchten müssen, nächtens die Häuser zu verlassen und durch Hochwasser Hab und Gut zu verlieren. 

Tips: Können Sie sich vorstellen, sich in Ihrer Heimatgemeinde Gedersdorf kommunalpolitisch zu engagieren?

Penz: Wir haben einen guten Bürgermeister, da könnte ich nur dilettieren (lacht).

Tips: Was war Ihr eigentlicher Berufswunsch? Wollten Sie immer Politiker werden?

Penz: Ich habe eigentlich zwei Berufsziele gehabt. In meiner Kindheit wollte ich immer Förster werden, mich hat auch die Jagd immer interessiert. Während der Mittelschulzeit wollte ich Veterinärmediziner werden.  Ich habe aber nach der Matura Volkswirtschaft studiert, bin in die Studentenpolitik hineingewachsen. Und bin während des Studiums in den Bauernbund gekommen. Die Politik hat sich eigentlich ergeben. Politische Tätigkeit war eigentlich nicht das Ziel, trotzdem habe ich es mit Leidenschaft und Herzblut gemacht.

Tips: Abschließende Frage: Weil wir über den Menschen Hans Penz sehr wenig wissen. Was werden Sie nach Ihrer aktiven Politkarriere angehen?

Penz: Ich habe weder Wehmut noch Freude, sondern es ist ein neuer Abschnitt, der sich jetzt ergibt. Was ich vorhabe ist, dass ich Jagen gehe und Schwammerl suche. Ich freue mich auf mehr Zeit mit meinen Enkelkindern, die den Opa lieben. Ich hoffe, das bleibt auch so.

Tips: Familie ist also ein wichtiger Ort.

Penz: Gar keine Frage, Familie war immer wichtig. Meine Frau hat mir oft vorgeworfen, dass sie alleine gelassen wurde, was auch stimmt. Ich habe nicht die Zeit gehabt, mich allzu sehr um die Familie zu kümmern. Es war auch noch das Problem, dass wir in Wien gewohnt haben und keine Großeltern da gewesen sind. Da habe ich meiner Frau rückblickend sehr viel zugemutet und da hat sie unheimlich viel geleistet. Sie hat das großartig gemacht.


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