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"Solange Frauen Gewalt erfahren, bin ich Feministin"

Melissa Untersmayr, 04.03.2025 12:43

TRAUN/LINZ. Sich für Frauen einzusetzen, das sei Nikola Gringinger „über die Muttermilch“ mitgegeben worden. Die 58-Jährige ist Leiterin der BABSI Beratungsstelle in Traun. Hier bekommen Frauen Hilfe in herausfordernden Situationen. „Wir müssen unsere erkämpften Rechte immer wieder verteidigen“, sagt Gringinger – vor allem in Zeiten, in denen Politiker Frauen mit einer Prämie zurück hinter den Herd drängen wollen. Denn arbeiten zu gehen, bedeutet Unabhängigkeit. Und damit auch Schutz vor Gewalt.

Nikola Gringinger, Standortleiterin der BABSI Frauenberatungsstelle in Traun (Foto: Viktoria Haider)
Nikola Gringinger, Standortleiterin der BABSI Frauenberatungsstelle in Traun (Foto: Viktoria Haider)

Jede dritte Frau ab dem Alter von 15 Jahren hat bereits körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren. 75 Prozent aller Frauen wurden schon einmal sexuell belästigt. Vollzeitbeschäftigte Frauen verdienten im Jahr 2024 durchschnittlich 16,6 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen (Gender-Pay-Gap). Zugleich übernahmen sie fast doppelt so viel Sorgearbeit wie Männer (Gender-Care-Gap). Frauen sind nach wie vor seltener in beruflichen Spitzenpositionen zu finden. Sie sind häufiger von Armut betroffen, vor allem als Alleinerziehende oder in der Pension.

Soweit zur aktuellen Situation in Österreich. „Es gibt noch viel zu tun“, sagt Nikola Gringinger von der Frauenberatung BABSI. Und: Erkämpfte Rechte müsse man immer wieder verteidigen.

Zurück hinter den Herd?

„Beim Thema Herdprämie wird mir heiß. Frauen zurück an den Herd, ist das das erklärte Ziel der Politik?“, empört sich die 58-Jährige. Anreize, dem Arbeitsmarkt fernzubleiben, seien das Letzte, was Frauen aktuell bräuchten. Denn finanzielle Abhängigkeit vom Partner ist Nährboden für Gewalt. Wer selbst nicht genügend Geld zur Verfügung hat, kann sich schwerer aus einer Gewaltbeziehung lösen.

Nikola Gringinger leitet den BABSI Standort Traun. „Das Projekt wurde ins Leben gerufen, um Frauen in Arbeit zu bringen, damit sie selbstständig werden und selbstbestimmt leben können“, erzählt Gringinger über die Ursprünge von BABSI. Anstatt Frauen noch weiter in die Sorgearbeit zu drängen, bräuchte es Verbesserungen bei der Kinderbetreuung. In Oberösterreich gebe es aktuell zu wenige Plätze, zu wenig Personal. „Das ist hochproblematisch“, betont Gringinger.

Über eine Familientradition

Die gebürtige Linzerin sagt von sich selbst, in einem feministischen Haushalt aufgewachsen zu sein: „Ich habe nicht die klassische Hausfrau zur Mutter gehabt.“ Gringingers Mutter sei stets berufstätig gewesen, habe den Karriereweg eingeschlagen. „Meine Großmutter war jedoch fast die größere Feministin“, erzählt die 58-Jährige. Diese habe sich im Jahr 1945 scheiden lassen – ungewöhnlich für die damalige Zeit. Gringinger ist, wie auch ihre Mutter, als Scheidungskind aufgewachsen.

Ihre Kindheit war von vielen starken, progressiven Frauen geprägt: „Meine Mama pflegte in der Firma einen engen Kreis an Freundinnen, darunter auch spätere Politikerinnen, die immer gesagt haben, wir müssen für die Rechte der Frau aufstehen.“ Diese seien für Gringinger Vorbilder gewesen. Der Name Hedda Kainz fällt: „Hedda war ganz klar Feministin. Und die hat das ‚vor dem Herren‘ vertreten. Im Betriebsrat der Firma, aber auch später als Abgeordnete im Bundesrat“, so Gringinger.

Sie selbst ist Mutter einer mittlerweile erwachsenen Tochter, die sie alleine großgezogen hat. Wie es die familiäre Tradition verlangt, wurde auch ihr der Feminismus in die Wiege gelegt – „Meine Tochter konnte tatsächlich gar nicht anders“, sagt die 58-Jährige schmunzelnd.

„Wir kleben Pflaster auf“

Zur BABSI Frauenberatung kam Nikola Gringinger über Umwege. Als junge Frau schloss sie eine Lehre zur Friseurin ab, später arbeitete sie als Verlagsassistentin und für ein AMS-Projekt. Als Leiterin von BABSI Traun übernehme sie die Verwaltung der lokalen Projekte, „obwohl ich nach wie vor auch in der Beratung tätig bin“.

BABSI bietet psychische, rechtliche und berufliche Hilfestellung. Im Jahr 2023 wurden über 5.500 Beratungen am Standort Traun durchgeführt. Häufig machen Klientinnen eine Scheidung bzw. Trennung durch. „Das kommt in den besten Familien vor“, sagt Gringinger. Woran man das merkt? „Ganz gleich, ob es um das Einkommen oder das Deutschniveau geht“ – Frauen aus allen sozialen Schichten kommen zu BABSI.

Seit etwa fünf Jahren arbeitet Gringinger für BABSI, ihre letzte berufliche Station vor der Pensionierung. In die Politik wollte die 58-Jährige nie gehen, sagt sie. „Prozesse, die etwas grundlegend verändern, dauern einfach lange. Diesen langen Atem habe ich nicht. Ich bin ungeduldig.“

Frauenberatungen bringen kurzfristig, im Einzelfall, Erfolge. „Wir kleben Pflasterl auf“, beschreibt Gringinger ihre Tätigkeit. Leider gibt es nicht für alle Wunden ein passendes Pflaster. Oft seien den Beraterinnen gesetzlich die Hände gebunden. „Dann bleibt nichts anderes, als an der Seite der Frau zu stehen, zu trösten und zu hoffen.“

Gewalt passiert schleichend

Ein besonderes Anliegen war Gringinger die Eröffnung der Frauenübergangswohnung in Traun. Sie bietet von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern Schutz. „Das haben wir händeringend durchgebracht“, erzählt die BABSI-Standortleiterin. Der Wille der Kommunen, solche Projekte zu stützen, sei grundsätzlich da. Oft jedoch scheitere die Umsetzung an fehlenden Fördermitteln.

Zur Dimension des Gewaltproblems sagt Gringinger: „Die Wohnung in Traun gibt es seit fünf Monaten. Ich habe acht Anfragen am Tisch liegen. Und da ist die Frau, die gerade darin wohnt, nicht miteinberechnet.“ Was es benötigt, um häusliche Gewalt einzudämmen? Einerseits Prävention, so Gringinger. Ein häufiger Irrglaube dabei: Gefährder seien bestimmter Herkunft. Denn jeder Mann ist potenziell eine Gefahr. „Und wir brauchen eine Bildungsreform. Die Kinder müssen damit aufwachsen“, fordert Gringinger.

Frauen rät sie, auf Warnzeichen zu achten: Kontrolle des Handys, der Kleidung, der Kontakte. Nicht selten starten gewaltvolle Beziehungen mit einer Überhöhungsphase, Besitzanspruch und Eifersucht folgen. „Gewalt schleicht sich ein“, sagt die 58-Jährige. Und: Man braucht sich nicht schämen, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

In den letzten Jahrzehnten habe sich viel getan, davon ist Gringinger überzeugt. Aber „solange es Gewalt gegen Frauen gibt, bleibe ich Feministin.“

BABSI Frauenberatung Traun
Telefon: 07229 62533 // E-Mail: babsi.traun@aon.at
Öffnungszeiten: Mo–Do (7.30 bis 12 Uhr und 12.30 bis 16 Uhr) & Fr (7.30 bis 12 Uhr)
Adresse: Johann-Roithner-Straße 131/Objekt B/S4
Einrichtungen in Linz/OÖ
Auf der Website der Stadt Linz sind weitere Hilfseinrichtungen aufgelistet, an die sich von Gewalt betroffene Frauen wenden können. Beratung, Unterstützung und Begleitung in Krisensituationen sind vertraulich und kostenlos.
Notrufnummern
Frauenhelpline (Mo–So, 0–24 Uhr, anonym und kostenlos): 0800 222 555
Männerberatung (Mo–So, 0–24 Uhr, anonym und kostenlos): 0800 400 777
Männernotruf (Mo–So, 0–24 Uhr, anonym und kostenlos): 0800 246 247
Telefonseelsorge (Mo–So, 0–24 Uhr, vertraulich und kostenlos): 142

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