„Es ist noch kein Covid-Medikament am Horizont erkennbar, das es annähernd mit der Impfung aufnehmen kann“
LINZ/OÖ. Im Rahmen eines Covid-19-Symposiums betonten Experten von Kepler Universitäts-Klinikum und Johannes-Kepler-Universität, dass es zwar schon klinisch mehr Möglichkeiten gibt, die Erkrankung zu behandeln, dass es andererseits eine mindestens 80-prozentige Impfquote brauche, um die Entlastung der Spitäler und ein schnelleres Aufheben des Lockdowns zu ermöglichen. Die belastende Situation im Intensivbereich wird uns dabei wohl bis weit nach Weihnachten begleiten.
„Wir erleben gerade die vierte Coronawelle. Eine Zeit, die für uns alle belastend und schwierig ist. Aber auch eine Zeit, die die Bedeutung der Wissenschaft für jede und jeden Einzelnen von uns aufgezeigt hat. Es waren ambitionierte Forscher, die in kürzester Zeit wirksame Impfstoffe entwickelt haben, es sind Wissenschaftler, die unermüdlich an neuen Therapien forschen. Deshalb gilt es auf diese Experten zu hören und auf ihr Urteil zu vertrauen“, betont JKU-Rektor Meinhard Lukas.
28 Substanzen bereits zur Behandlung zugelassen
Die beiden Gastgeber des Covid-19-Symposiums, Clemens Schmitt und Bernd Lamprecht von Kepler Universitätsklinikum ergänzen: „Insgesamt wurden 1.600 verschiedene Substanzen klinisch untersucht, 28 davon sind bereits zur Behandlung zugelassen, zu allen haben wir in Oberösterreich auch Zugang. Wir können die Erkrankung heute schon modulieren und spezielle Präparate schützen um bis zu 50 Prozent besser vor schweren Verläufen, wenn sie rechtzeitig gegeben werden.“
Hohe Impfquote bleibt Schlüssel zu Öffnungen
Eine Alternative zur Impfung sieht Bernd Lamprecht, stv. Dekan für Lehre und Studierende der Medizinischen Fakultät der JKU und Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler Universitätsklinikum, aber nicht: „Es ist noch kein Covid-Medikament verfügbar oder am Horizont erkennbar, dass es auch nur annähernd mit der Impfung aufnehmen kann.“ Lamprecht weiter: „Nach der Welle ist derzeit vor der Welle. Das wünschen wir uns alle eigentlich nicht mehr. Mehr als 80 Prozent Geschützte würde es brauchen, um so ausgeprägte Wellen wie jetzt nicht erleben zu müssen. Da sind wir leider noch ein Stück weit entfernt. Wir sehen bei anderen Ländern, dass mehr Normalität möglich ist und es dann auch für das Gesundheitsystem nicht mehr so kritisch ist.“
(Oberösterreich hält derzeit bei einer Impfquote von knapp über 60 Prozent, Anm.)
„Belastende Situation bis weit nach Weihnachten“
In der Frage, wann der laufende Lockdown wieder zu Ende sein kann, bleiben die Ärzte eher skeptisch: „Besonders beschäftigt uns die lange Liegedauer von Covid-Patienten im Intensivbereich. Hinken wir bei den Inzidenzen weiter hinterher, wird uns Covid im Intensivbereich bis weit nach Weihnachten begleiten“, so Jens Meier, Vorstand der Universitätsklinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Leiter des Departments für Neuroanästhesie und Intensivmedizin am Kepler Universitätsklinikum, Professor für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin an der JKU.
„Die Reproduktionszahl, die angibt, wie viele andere Personen eine mit Sars-Cov-2 infizierte Person durchschnittlich ansteckt, beträgt derzeit 1,24. Dieser Wert muss deutlich unter dem Wert Eins sinken, sonst haben wir bei den Neuinfektionen weiter starke Zuwächse“, ergänzt Bernd Lamprecht. „Schon bei einer Zahl von 0,7 haben wir in zwei, drei Wochen nur noch ein Viertel der Infektionen. Jetzt kommt es drauf an, wie effektiv die Kontakte wirklich reduziert werden. Bei dieser Art des Lockdowns kann das niemand sagen, wie das wirklich werden wird, etwa mit 75 Prozent der Schüler im Präsenzunterricht.“
Lamprecht findet aber auch positive Worte: „Wir hatten heute vor einem Jahr doppelt so hohe Spitalszahlen, aber nur halb so hohe Infektionszahlen. Ein größerer Teil der Bevölkerung ist jetzt geschützt, deshalb gibt es weniger Hospitalierungen. Da haben wir mit der Impfung schon viel erreicht. Aber es wird weiter eine höhere Impfbereitschaft brauchen.“
Erfahrungen aus vergangenen Wellen nutzen
Das Kepler Universitätsklinikum hat seit dem Frühjahr 2020 bereits mehr als 2.500 Patienten wegen COVID-19 behandelt und dadurch sehr viel Expertise aufgebaut.
„Von Beginn an wurde durch Teilnahme an großen klinischen Studien wie SOLIDARITY und DISCOVERY die Erfahrung nicht nur gesammelt, sondern innerhalb einer Initiative der WHO auch mit weltweiten Partner geteilt. Zudem stand Patienten neben der bestmöglichen etablierten Behandlung immer auch ein interessantes medikamentöses Studienangebot zur Verfügung (vom „Penninger-Präparat“ bis hin zu neuen Therapieansätzen im Rahmen der österreichischen ACOVACT-Studie)“, schließen die Mediziner beim Symposium.
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