Vandalismus: Neue Kunst-Installation im Linzer Mariendom zerstört
LINZ. (Update) Erst letzte Woche wurde in der Turmkapelle West im Linzer Mariendom die Skulptur „crowning“ von Esther Strauß enthüllt, Montagvormittag ist die Figur - sie zeigt eine gebärende Maria - Vandalen zum Opfer gefallen.
Die Turmkapelle West ist anlässlich des 100-jährigen Weihejubiläums des Mariendoms zum Kunstraum verwandelt worden. Im Rahmen der Reihe „Künstlerische Positionen zur Heiligen Familie“ wurde letzten Donnerstag die Skulptur „crowning“ von Esther Strauß enthüllt, die Arbeit sollte drei Wochen lang zu sehen sein.
Mit ihrer Skulptur nimmt Strauß Bezug auf die 1913 von Sebastian Osterrieder fertiggestellte Krippe im Dom. Sie greift bildhaft die Leerstelle in der biblischen Erzählung der Geburt Christi auf, will mit ihrer Darstellung der gebärenden Maria die Geburt Christi aus feministischer Perspektive zeigen. „Vielleicht ist Maria die Frau auf der Welt, von der es am meisten Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen gibt. Der Großteil dieser Abbilder wurde von Männern gemacht. Wieso sticht unter ihnen genau jenes Abbild heraus, das fehlt? Die Geburt, die Millionen von Menschen am 24. Dezember feiern, findet sich auf keinem Gemälde und in keiner Skulptur wieder. Wenn von der Geburt Christi die Rede ist, stellen wir uns ein Kind in einer Krippe vor, aber nicht seine Mutter, die es zur Welt bringt“, so die Künstlerin zum Hintergrund.
Die Figur wurde von Bildhauerin Theresa Limberger geschnitzt und bemalt und anschließend von der Künstlerin und Restauratorin Klara Kohler patiniert.
Kopf abgesägt
Die Darstellung provozierte allerdings offensichtlich jemanden zu sehr: Montagvormittag wurde die Figur von einem Unbekannten zerstört, der Figur wurde der Kopf abgesägt. Der „Kunstraum“ in der Turmkapelle West war zu den Öffnungszeiten des Mariendoms für jeden frei zugänglich, aus aktuellem Anlass wurde er nun vorübergehend geschlossen. Die Diözese Linz hat den Vandalismusakt polizeilich zur Anzeige gebracht.
Update: Gewaltakt der Zerstörung wird auf Schärfste verurteilt
Die Diözese stellt mit dem Projekt „DonnStage“ im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums Fragen rund um Frauenrollen, Familienbilder und Geschlechtergerechtigkeit in den Mittelpunkt. Ziel ist es, einen Raum für kritischen Diskurs zu schaffen und die Pluralitätsfähigkeit von Religion und Kirche zu fördern.
Johann Hintermaier, Bischofsvikar für Bildung, Kunst und Kultur zeigt sich bestürzt: „Es war uns bewusst, dass wir mit dieser Installation auch Diskussionen hervorrufen. Wenn wir damit religiöse Gefühle von Menschen verletzt haben, tut uns das leid, aber diesen Gewaltakt der Zerstörung und die Verweigerung des Dialogs sowie den Angriff auf die Freiheit der Kunst verurteile ich aufs Schärfste.“ Im Jubiläumsjahr trage die Veranstaltungsreihe DonnaStage sehr wesentlich dazu bei, eine offene Gesprächskultur zu fördern und den unterschiedlichen Perspektiven Raum zu geben.
Tief betroffen über die Brutalität gegenüber der Frauenfigur zeigt sich nicht nur das gesamte Team, sondern auch Theologin Martina Resch, eine der Initiatorinnen des Projektes DonnaStage. „Die Skulptur von Esther Strauß ist eine sehr poetische Arbeit, die die natürliche Geburt Jesu zeigt. Maria wird in ihrer Ausgesetztheit, aber auch in ihrer Kraft gezeigt. Aus theologischer Perspektive ist die Arbeit ein starkes Bekenntnis zur Menschwerdung Gottes. Die Besucher wurden sehr sanft an die Skulptur herangeführt. Sie sahen beim Eintritt in den Raum zunächst den Rücken Mariens, sie mussten sich ihr annähern und ihre eigene Perspektive finden.“
Künstlerin Esther Strauß: „Die meisten Marienbildnisse wurden von Männern angefertigt und haben dementsprechend oft patriarchalen Interessen gedient. Die Theologin Martina Resch hat es gut auf den Punkt gebracht: In ‚crowning‘ bekommt Maria ihren Körper zurück. Wer auch immer den Kopf der Skulptur entfernt hat, ist sehr brutal vorgegangen. Diese Gewalt ist für mich ein Ausdruck davon, dass es immer noch Menschen gibt, die das Recht von Frauen an ihrem eigenen Körper infrage stellen. Dem müssen wir ganz entschieden entgegentreten.“
Kulturstadträtin: „Ein feiger Anschlag auf die Freiheit der Kunst“
Die Linzer Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer (ÖVP) zeigt sich schockiert von dem Vandalismusakt. „Kirchenraum war und ist in Linz auch immer Kunstraum. Die Auseinandersetzung mit Kunst und die Freiheit der Kunst ist auch in Kirchenräumen wichtig und soll der gesamten Gesellschaft zugänglich gemacht werden. Ich schätze die Offenheit der Kirche, der Diözese Linz, des Mariendoms sich auch über die Kunst mit zeitgemäßen Themen unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen.“ Und weiter: „Ich stehe zu unserer Religion und bin katholisch, aber der Kunstraum im Mariendom soll auch zum Diskurs einladen.“ Es sei jeder dazu eingeladen, seine eigene Meinung zu einzelnen Kunst-Projekten zu äußern: „Aber Zerstörung ist kein Mittel eines demokratischen Verständnisses unserer Gesellschaft. Eine mutwillige Zerstörung ist ein feiger Anschlag auf die Freiheit der Kunst und daher auf das Schärfste zu verurteilen.“
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