OÖ. Wer einen Kredit aufnimmt oder ein Sparkonto hat, der spürt es in der eigenen Tasche: Die Zinsen sind derzeit sehr niedrig. Was das für die Banken, aber auch für die Bankkunden bedeutet, erklärt Franz Gasselsberger, Generaldirektor der Oberbank und Obmann der Spartenkonferenz der Wirtschaftskammer Oberösterreich für Banken und Versicherungen, im Tips-Interview.
Tips: Was bedeuten die niedrigen Zinsen für Banken und Versicherungen?
Franz Gasselsberger: Die Niedrigzinspolitik hat Gewinner und Verlierer gebracht. Hauptgewinner ist der Staat: So lagen etwa vor 17 Jahren – im Jahr 2000 – die Staatsschulden bei 140 Milliarden Euro, heute sind es 300 Milliarden. Der Zinsaufwand betrug im Jahr 2000 7,6 Milliarden Euro – heute sind es 7,3 Milliarden. Wir haben also mehr als eine Verdoppelung bei den Aufwendungen, aber einen leicht sinkenden Zins.
Die Kunden sehen die Niedrigzinspolitik mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Die Kunden haben seit 2007 rund 35 Milliarden Euro an Zinserträgen verloren, in der selben Zeit haben Unternehmen 28 Milliarden Euro weniger an Zinsaufwendungen für Kredite gehabt und private Haushalte 24 Milliarden Euro weniger.
Zur eigentlichen Frage: Die Hauptleidtragenden der Niedrigzinspolitik sind die Banken: Die EZB hat die Märkte mit 2,8 Billionen Euro geflutet, davon ist nur eine Billion bei Kreditnehmern angekommen, die restlichen 1,8 Billionen müssen die Banken als Überschussliquidität mit Minus 0,4 Prozent Zinsen bei den Notenbanken veranlagen. Die Banken haben im Moment wenig Möglichkeit, ihre Liquidität in festverzinsliche Wertpapiere oder in Kredite, die auch nur sehr schwach wachsen, zu veranlagen. Das heißt: Gerade für Banken mit sehr hohen Einlagen ist diese Entwicklung sehr unerfreulich.
Noch länger niedrige Zinsen
Tips: Welche Maßnahmen können Banken in diesem Umfeld setzen?
Gasselsberger: Auf jeden Fall ist es wichtig, bei den Kosten seine Hausaufgaben zu machen. Kostenmanagement ist Pflicht, nicht Kür, Erträge können nur nachhaltig gesteigert werden, wenn es gelingt, ein gesundes Kreditwachstum zu generieren oder Dienstleistungserlöse zu erhöhen.
Das ist das ganz zentrale Thema – und das ist den oö. Banken im ersten Quartal des Jahres gut gelungen, sie konnten ihr Betriebsergebnis um mehr als neun Prozent steigern. Sie haben sich gut geschlagen.
Tips: In den USA steigen die Zinsen derzeit wieder. Wie sehen Sie die Entwicklung in Europa?
Gasselsberger: Das was wir in Europa dringend brauchen, ist, den Pfad der Zinsnormalisierung zu beschreiten. Sicher ist, dass im Herbst die Diskussion in der Europäischen Zentralbank zur Rücknahme der Anleihenaufkäufe intensiv geführt werden wird. Für eine Normalisierung spricht die gute Konjunktur, dagegen spricht, dass wir das Inflationsziel von zwei Prozent in den nächsten Jahren nicht erreichen werden. Ich glaube, wir müssen, auch wenn es zu einer Normalisierung kommt, noch über eine lange Phase mit niedrigen Zinsen leben.
Keine „Straf-Zinsen“ in Österreich
Tips: In Deutschland haben einige Banken „Strafzinsen“ auf höhere Spareinlagen eingeführt. Steht so etwas auch in Österreich im Raum?
Gasselsberger: Nein, es wird für Spareinlagen keine Negativ-Zinsen geben. Das ist in Österreich verfassungsrechtlich verboten, für das eingelegte Vermögen müssen Zinsen bezahlt werden. Diese Frage stellt sich in Österreich nicht.
Tips: Was würden Sie Sparern in der derzeitigen Situation raten?
Gasselsberger: Die niedrige Zinsphase ist vor allem für Kleinanleger ein Problem, weil sie den Vermögensaufbau und die Pensionsvorsorge erschwert. Großanleger haben hier gute Möglichkeiten, zum Beispiel in Aktien, in Gold oder in eine Wohnung zu investieren, diese Möglichkeiten bieten sich für Kleinanleger meist nicht.
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