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„Wir laufen Gefahr, eine ganze Job-Generation zu verlieren“

Jürgen Affenzeller, 19.05.2020 14:17

LINZ/OÖ. Neben den Gesundheits-Apekten von Corona gilt es für Oberösterreich jetzt, seine Arbeitsplätze zu sichern, wie Sozial-Landesrätin und SPOÖ-Vorsitzende Birgit Gerstorfer (SPÖ) betont. Alarmsignale ortet sie vor allem bei der Jugendarbeitslosigkeit und dem drohenden Ausfall der Gemeinden als Konjunktur-Motoren.

SPOÖ-Vorsitzende Birgit Gerstorfer: „Es braucht sicher neues Geld für die Gemeinden“ Foto: Weihbold
SPOÖ-Vorsitzende Birgit Gerstorfer: „Es braucht sicher neues Geld für die Gemeinden“ Foto: Weihbold

Tips: Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit trifft derzeit fast die Hälfte der Bevölkerung. Medial wird großteils mit dem Abflachen von Arbeitslosen-Kurven reagiert. Ist man sich politisch und gesellschaftlich aktuell der Tragweite dieser Entwicklung bewusst?

Birgit Gerstorfer: Wenn die öffentliche Berichterstattung „Wir sind über den Berg“ trommelt bei plus 91 Prozent Arbeitslosigkeit und einer Steigerung zum März des Vorjahres um 28.000 Arbeitslose, ist das eine Verkennung der Tatsachen, so wird viel schöngeredet. Es sind etwa nicht 40 Prozent, wie von Landeshauptmann Stelzer behauptet, die eine Einstellungszusage haben, sondern nur 20 Prozent. Und selbst da werden viele Zusagen nicht halten.

Tips: Sind die Antworten darauf bisher gut genug für Sie?

Gerstorfer: Die richtigen Antworten fehlen bisher. Wenn ich sehe, dass etwa das Arbeitsmarkt-Förderpaket nur sieben Millionen Euro in Oberösterreich ausmacht, andererseits hunderte Millionen für Haftungen ohne einer Gegenleistungen da sind, muss man deutlich sagen: Hier wird die Bevölkerung an der Nase herumgeführt.

Tips: Mit welchen Werkzeugen soll das Sichern der Jobs Ihrer Meinung nach gelingen?

Gerstorfer: Wir müssen Investitions-Anreize schaffen, uns buchstäblich aus der Krise heraus investieren. Im Landtag haben wir bereits einen Antrag zur Sanierung von 100 Schulen, zur thermischen Sanierung von 10.000 Häusern und für 1.000 zusätzliche Ausbildungen im Pflegebereich eingebracht, als ersten Schritt in diese Richtung.

Tips: Warum gerade Bau und Sanierungen von Schulen?

Gerstorfer: Weil es in diesem Bereich zu starken Problemen für die Gemeinden kommen wird. Schulbau und Sanierungen würden sich noch stärker verzögern, wegen der nötigen Eigenanteile der Gemeinden, die viele nun schlichtweg nicht mehr haben werden. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, wie sich die Kommunalsteuer-Einbrüche auswirken werden. Es braucht da sicher neues Geld für die Gemeinden. Wenn die Gemeinden als Investitionsmotor wegbrechen – das macht derzeit rund 15 Prozent der Aufträge in der Baubranche aus – wird es kritisch.

Tips: Es gibt doch das 580 Millionen-Euro-Hilfspaket des Landes OÖ. Wird daraus nicht genug investiert?

Gerstorfer: Dieses Stelzer-Haimbuchner-Achleitner-Paket kann man sehr leicht zerfleddern. Grob formuliert sind von den 580 Millionen Euro schon 400 Millionen Haftungen, Stunden und Bürgschaften, bleiben schon nur noch 180 Millionen Euro, die irgendwie anerkennbar sind. 80 Millionen Euro davon sind Schutzausrüstung für Gesundheitsbetriebe, das wird der Bund zahlen, bleiben 100 Millionen übrig. 10 Millionen davon betrifft Soziales, das sowieso da ist, 5 Millionen sind Akontozahlungen für mobile Dienste, die eben früher bezahlt werden. Viel bleibt dann am Ende nicht mehr übrig für wertvolle Investitionen.

Tips: Besonders bei der Jugend-Arbeitslosigkeit verschärft sich die Lage. Es drohen ja dabei, tausende Lehr- und Ausbildungsplätze verloren zu gehen. Wie ernst ist die Lage wirklich?

Gerstorfer: Es ist zu befürchten, dass der Lehrstellenmarkt einbricht. Die, die bisher ausgebildet haben, haben bis September wohl nicht die Sicherheit, wie es weitergeht. Wenn ich ein Gastro-Betrieb bin, werde ich nicht wissen, wie sich mein Betrieb entwickelt. Das Risiko, einen Lehrling zu nehmen, ist vielen zu hoch.

Tips: Bei den 18 bis 25-Jährigen beträgt der Anstieg der Arbeitslosigkeit schon jetzt 118 Prozent.

Gerstorfer: Wenn ich künftig einen doppelt so großen Wettbewerb habe, wenn ich einen Job suche, dann wird es kritisch, dass ich was finde. Wir wissen, was es heißt, wenn man jung ist und keinen Job hat. Wir laufen da Gefahr, tatsächlich eine ganze Job-Generation zu verlieren. Von den Studenten, die auch über Nebenjobs ihr Studium finanzieren, rede ich da noch gar nicht.

Tips: Eine Ihrer Hauptforderungen, das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent der Nettoquote zu erhöhen, fand im Oö. Landtag keine Mehrheit. Enttäuscht Sie das?

Gerstorfer: Besonders die FPÖ, die das auf Bundesebene selbst gefordert hat und auf Landesebene ablehnt, fällt hier den Arbeitslosen in Oberösterreich und der eigenen Bundespartei in Wien gleichermaßen in den Rücken. Das wäre Geld, das direkt bei den Menschen ankommt. Großteils kommen die Menschen ja unverschuldet in die Arbeitslosigkeit, auch die Kaufkraft leidet darunter enorm. In Relationen zu anderen Ländern Europas haben wir eine niedrige Netto-Ersatzrate, da sind wir bei weitem nicht in der Champions League dabei.

Tips: Mehr Geld soll es dann auch für Pflege- und Gesundheitspersonal geben.

Gerstorfer: Eine Einmalzahlung in Höhe von 500 Euro ist verdient, aber es geht vorrangig um langfristige Verbesserung der Entlohnung in der Pflege. Eine Runde Applaus sorgt nicht für ein Plus am Lohnzettel. Man sieht in der Krise auch, wie wichtig die 24-Stunden-Betreuer sind.


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