„Dort wo die Bäuerin die Finanzen über hat, laufen die Betriebe gut.“
OÖ. In Oberösterreich werden 44 Prozent der Bauernhöfe von Frauen geführt. Im Tips-Interview sprechen Christine Haberlander, in ihrer Funktion als Frauen- und Bildungslandesrätin, und Agrar-Landesrat Max Hiegelsberger über das Berufsbild der Bäuerinnen.
Tips: Woran liegt es, dass erfreuliche 44 Prozent der Bäuerinnen einen Betrieb leiten?
Max Hiegelsberger: Während meines 10-jährigen Mitwirkens in der Regierung (Tips gratuliert zum Jubiläum) konnten wir eine Steigerung von 34 auf 44 Prozent erreichen. Die Gründe sind vielfältig. Bäuerinnen heiraten aus unterschiedlichen Berufsgruppen ein und bringen Ideen mit auf die Höfe, die sie dann als zweites Standbein umsetzen. Es wird nicht immer der ganze Hof geführt. Das partnerschaftliche Miteinander ist wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg.
Christine Haberlander: Die Frauen sind heute selbstbewusster und man traut den Frauen mehr zu. Dazu kommt, dass es einen Change in der Ausbildung gibt. In den Landwirtschaftlichen Fachschulen ist aktuell über die Hälfte des lehrenden Personals weiblich und auch der Anteil an Schülerinnen liegt über der Hälfte. Die Kombination aus guter Ausbildung und Selbstbewusstsein bestärkt die Frauen, mehr Verantwortung zu übernehmen und Chancen zu nutzen, die früher oft nicht gegeben waren.
Tips: Wie könnte man das Berufsbild der Bäuerin noch attraktiver machen?
Haberlander: So wie in vielen anderen Bereichen gelingt es durch positive Role Models, die zeigen, wie vielfältig der Beruf der Bäuerin ist und eben nicht dem klassischen Bild wie vor 30 Jahren entspricht.
Hiegelsberger: Ausbildung und Soft Skills tragen dazu bei, dass Frauen Betriebe leiten und führen. Frauen, die von außerhalb der Landwirtschaft einheiraten, haben eine völlig andere Werthaltung zum Wohnort und schätzen die Möglichkeiten der Familiengestaltung.
Tips: Das Interesse für landwirtschaftliche Schulen ist ungebrochen. Was sind die Gründe dafür?
Haberlander: Das Angebot der Ausbildung ist reicher geworden und ermöglicht Wege, die man vorher nicht am Radar hatte. Das Thema Nachhaltigkeit wird in diesen Schulen mit Leben gefüllt und man erlebt und erlernt die Daseinsvorsorge in den unterschiedlichen Bereichen. Die Schulstandorte sind herausragend und „spielen alle Stücke“. Moderne Pädagogik geht hier mit Handwerk in den Werkstätten Hand in Hand.
Hiegelsberger: Wir haben seit Jahren ein stabiles Niveau von 3.000 Schülern in den Landwirtschaftsschulen. Die Qualität hat nicht nur mit Wissensvermittlung zu tun, sondern vor allem auch mit der Betreuung. Bei uns wollen die meisten Schülerinnen und Schüler im Internat sein, obwohl Ganztagesschulen oft negativ behaftet sind. Unsere Internate werden regelmäßig zu klein. Die Betreuung und das Soziale werden intensiv angeboten. Auch die Eltern wissen, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind.
Tips: Welche Bereiche auf den Höfen werden vorrangig von Frauen geführt?
Hiegelsberger: Die Direktvermarktung liegt sehr stark bei den Bäuerinnen. Betriebswirtschaft ist hier ein Muss, weil am Ende etwas herausschauen muss. Betriebswirtschaftliche Themen werden ganz stark von Frauen getrieben. Wer nicht über die Zahlen der Herr oder die Frau ist, dort wird es nicht funktionieren. Dort wo die Bäuerin die Finanzen über hat, laufen die Betriebe gut.
Haberlander: Ernährung und regionale Produkte sind Themen, die Frauen und Mütter sehr beschäftigen, nicht nur im landwirtschaftlichen Bereich. Coronabedingt wurden neue und sichere Arten des Einkaufens ermöglicht zum Beispiel durch Verkauf im Freien oder Verkaufsräume für wenige Personen. Ich finde, da wurden viele Bereiche positiv zusammen gebracht zum Vorteil aller Beteiligten: Man weiß, woher die Produkte kommen, dass die Qualität hervorragend ist und man kennt die Leute, die das produzieren.
Tips: Wie steht es um die finanzielle Absicherung von Bäuerinnen?
Haberlander: Pensionssplitting ein wichtiges Thema – das ist eine Forderung, die mir besonders wichtig ist, nicht nur in diesem Zusammenhang.
Hiegelsberger: Hier ist es zu einer Kulturveränderung seitens der jungen Frauen gekommen. Früher war es Standard, dass mit der Hochzeit die Frau am Hof angeschrieben wird und der Betrieb dem Ehepaar partnerschaftlich gehört. Inzwischen kommt das selten vor, weil niemand etwas davon hat, wenn der Hof im Falle einer Trennung draufgeht. Die Frauen werden anderweitig finanziell abgesichert. Auch die sozialpolitischen Maßnahmen der letzten 15 Jahre wie Karenz tragen zur Absicherung von Bäuerinnen bei.
Tips: Welche Veränderungen auf den Bauernhöfen fallen Ihnen besonders auf?
Hiegelsberger: Das Work-Life-Balance-Thema kommt bei den Jungen sehr stark. Hier wird der Wunsch nach mehr Freizeit, mehr Zeit haben für die Familie und Hobbys, stärker. Ich glaube, das Bild wird sich in den nächsten Jahren komplett verändern. Das Engagement und die Leidenschaft für die Landwirtschaft sind da, aber man will auch Zeit für Privates haben.
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