„Bei den Vereinen ist dringend Handlungsbedarf gegeben“
LINZ. Gemeinsam mit betroffenen Vertretern aus den unterschiedlichsten Bereichen machte der Linzer Vizebürgermeister Markus Hein am Dienstag auf die angespannte Lage des Linzer Freizeit-, Sport- und Kulturbetriebes aufmerksam. „Das Vereinsleben steht vor dem Aus, die Stimme der Vereine muss gehört werden.“
Seit über einem Jahr dauert die Corona-Pandemie in Österreich nun an. Die Zeit ist geprägt von massiven Einschränkungen für das gesellschaftliche Leben aller Art. Neben Familien, Unternehmern oder Arbeitnehmern treffen sie vor allem auch Vereine sowie den Sport- und Kulturbetrieb mit voller Härte.
„Vereine verschiedenster Art bilden für viele Linzer eine unverzichtbare Basis für das gesellschaftliche Zusammenleben in unserer Heimatstadt. Der misslichen Lage dieser zivilgesellschaftlichen Institutionen muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Bis zum heutigen Tag lässt die Regierung diesen wichtigen Teil unserer Gesellschaft im Stich“, führt Hein aus.
Weniger ehrenamtliche Helfer durch Corona
Die Folgen sind vielfältig und sehr weitreichend, wie Hein beschreibt: „Der Vereins-Nachwuchs und in weiterer Folge potenzieller Profinachwuchs bleiben aus; ehrenamtliche Helfer schwinden bereits; die Sicherheit und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, etwa durch die fehlende Bewegung und die fehlenden sozialen Kontakte aber auch durch die fehlende Möglichkeit schwimmen lernen zu können, ist in Gefahr; aber natürlich auch der Verlust an finanziellen Einnahmen bedroht die Vereine und Institutionen, um nur wenige Aspekte zu nennen.“
Resolution verabschiedet
Gerade erst in der letzten Sitzung des Linzer Gemeinderats wurde eine Resolution verabschiedet, die die Bundesregierung zu einem Kurswechsel auffordert. Darin heißt es etwa, dass sofortige Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung der Amateur- und Nachwuchsvereine zu ergreifen, sowie ein Regelwerk und Gesundheitskonzept zu erarbeiten sei, um den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im Bereich des Amateur- und Nachwuchssports das Trainieren und Teilnehmen an sportlichen Wettbewerben zu ermöglichen.
„Weitere Schäden verhindern“
Der Linzer Infrastrukturreferent Vizebürgermeister Markus Hein möchte nun Vertreter von verschiedenen Vereinen und Institutionen zu Wort kommen lassen, um ihre Sorgen und Probleme, die sich seit der Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen ergeben haben, in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu Rücken.
„Es ist an der Zeit, dass diese Stimmen auch gehört und mit allen Mitteln weitere Schäden verhindert werden. Ich stehe auf der Seite der Linzer Vereine, Institutionen und aller ihrer Mitglieder und Freunde. Es ist mir deshalb ein großes persönliches Anliegen, sie zu unterstützen und ihren Anliegen eine Stimme zu verleihen. Die vielseitigen Erfahrungsberichte zeigen ganz klar auf, dass die Bundesregierung das Vereinsleben endlich entfesseln muss. Es darf nicht länger massive Einschränkungen und kurzfristige neue Maßnahmen auf dem Rücken der oft ehrenamtlichen Helfer und der vielen tausenden Mitglieder unserer Vereine geben. Die Bundesregierung muss endlich ihre Stimme hören und handeln“, fordert Vizebürgermeister Hein.
Sportvereine stehen vor dem Abgrund
Stark betroffen von den Einschränkungen sind die Sportvereine und ihre vielen Mitglieder in unserer Heimatstadt. Gerade für Kinder und Jugendliche sind ´ihre´ Sportvereine eine regelmäßige Anlaufstelle und ein fixer Bestandteil ihres Alltages. Sie pflegen dort ihre sozialen Kontakte und erhalten durch die sportliche Betätigung ihre Fitness und Gesundheit. Aber natürlich nutzen auch viele Erwachsene das Sportangebot und unzählige freiwillige Helfer erhielten das – zumindest bis vor den Corona-Maßnahmen - hervorragend gemeinschaftlich organisierte System am Laufen. All das ist nun in Gefahr.
„In unserem Verein warten rund sechshundert Kinder und Jugendliche (sowie deren Eltern) darauf, endlich wieder gemeinsam in Bewegung sein zu dürfen. Insbesondere das Kinderturnen ist ein wesentlicher Beitrag zur gesellschaftlichen Gesundheit. Kinder erlernen dabei motorische Fertigkeiten, sie trainieren Kraft, Beweglichkeit und Koordination, üben sich in sozialem Verhalten und finden Freunde fürs Leben. Aber auch ältere Mitmenschen – unsere älteste Aktive ist 97 Jahre jung – vermissen die gemeinsame wöchentliche Bewegung, die Mobilität und Wohlbefinden essentiell unterstützt. Bewegung ist für Physis und Psyche lebensnotwendig – aber seit über einem Jahr kaum möglich und ein Konzept zur raschen und dauerhaften Öffnung fehlt! Unverständlich ist, warum die Testungen in den Schulen nicht auch die Sportausübung in der Freizeit ermöglichen“, resümiert Katharina Wieser, Obfrau des ÖTB Turnverein Linz.
„Uns trifft wie jeden Sportverein Österreichs die Kurzfristigkeit und Nichtplanbarkeit enorm – wir vermissen vorab kommunizierte Konzepte für etwaige Schließ- und Öffnungsschritte. Das bei uns sehr stark ausgeprägte Ehrenamt lebt von gemeinsamem Tun. Dieser Motivationsfaktor fehlt nun für Trainerinnen und Trainer, Funktionärinnen und Funktionäre völlig – und auch das Hineinwachsen von Jungen ist nicht möglich. Quo vadis, Ehrenamt?“
Schließen von Freizeiteinrichtungen hat weitreichende Folgen
Seit vielen Monaten sind auch die Schwimmbäder in Linz für nicht-Profisportler geschlossen. Dadurch wird den Linzern eine weitere Möglichkeit genommen, ihre Freizeit zu verbringen. Das Schließen der Schwimmbäder hat sehr weitreichende Folgen, die vielen Menschen nicht bekannt sind. Direkt davon betroffen ist etwa „Nessie-Verein Wasserspaß“, der vielen Linzer Familien wegen des tollen Angebotes zum Babyschwimmen bekannt ist und sein dringend notwendiges Angebot seit Monaten einstellen muss.
„Seit über 20 Jahren bemühen wir uns, Babys, Kindern und Erwachsenen das Element Wasser näher zu bringen. Ein großer Fokus liegt dabei in der Ertrinkungsprävention bei Kindern. Die fehlende Möglichkeit Schwimmunterricht abhalten zu können, bringt Babys und Kinder um Bewegungserfahrungen, die wichtig für den Aufbau von kognitiven und motorischen Fähigkeiten sind. Das wird Konsequenzen in der Entwicklung der Kinder haben, die sich erst später zeigen werden“, warnt Marion Falzeder, Obfrau „Nessie-Verein Wasserspaß“, und zeigt die massiv erschwerte Situation für den Verein auf:
„Nessie-Verein Wasserspaß kämpft ums Überleben. Die finanziellen Hilfen der Bundesregierung sind an Auflagen gebunden, die wir als gemeinnütziger Verein nicht alle erfüllen können. Auch der NPO-Fonds gibt manche Hilfen nur an gewerbliche Vereine, der wir jedoch nicht sind. Da wir uns nicht dem Wettkampfschwimmen verschrieben haben, greifen auch diverse Sportförderungen nicht. Es ist für uns nicht verständlich, warum Schwimmen zur Ausübung eines Wettkampfs stattfinden darf, aber ein Schwimmunterricht als Überlebenssicherung nicht? Ist Wettkampf mehr wert als die Prävention vor dem Ertrinken?“
Kulturbetrieb als ewiges Stiefkind der Regierungsmaßnahmen
Die Kulturszene ist ein weiterer großer Verlierer der einschränkenden Maßnahmen der Bundesregierung. Vor allem die kurzfristigen und sprunghaften Entscheidungen machen die dringend notwenige Planungssicherheit in der Branche zu Nichte.
„In der Veranstaltungsbranche sind langfristige Planung sowie Disposition und eine gewisse Vorlaufzeit absolut unabdinglich. Diese Planung ist zurzeit leider nicht möglich. Ein frühzeitiges Öffnen, bei welchem schon im Vorhinein absehbar ist, dass man bald wieder schließen muss, ist kontraproduktiv“, kritisiert der Inhaber des Linzer Theater in der Innenstadt, Nik Raspotnik, die fehlende Planbarkeit für sein Unternehmen.
„Als freiberuflicher Schauspieler bin ich leider nicht in der glücklichen Lage auch fürs 'Nichtstun' Geld zu beziehen, wie Kollegen in staatlich gestützten Theaterhäusern. Dank des Härtefallfonds komme ich halbwegs über die Runden, aber die mittlerweile schon fast 12-monatige Schließung der Theater macht mich zum arbeitslosen Bittsteller um Geld, das ich mein Leben lang mit eigener Arbeitsleistung selbst verdient habe. Diese Situation bringt ein unangenehmes Gefühl mit sich, das ich als arbeitender, steuerzahlender, freiberuflich tätiger Mensch so bisher noch nicht kannte“, schildert der freischaffende Linzer Schauspieler Michael Kuttnig seine schwierige persönliche Situation.
Die Stimme der Vereine hören
„Die Erfahrungen der verschiedenen Vereine und Institutionen zeigen eines deutlich auf: So kann es nicht weitergehen. Es muss rasch konkrete und stichhaltige Öffnungsschritte geben. Nur so können weitere Schäden zumindest teilweise eingedämmt werden. Der Schaden, der bereits jetzt entstanden ist, ist ohnehin groß. Die Stimme der Vereine und Institutionen muss endlich gehört werden!“, fordert Vizebürgermeister Markus Hein abschließend.
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