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Fabasoft-Mitarbeiter: "Die Beeinträchtigung ist kein Hindernis"

Nicole Dirnberger, 23.02.2022 09:55

LINZ. Eine blinde Person einzustellen, um Softwares zu testen? Für viele Unternehmen sicher unvorstellbar. Das Software-Unternehmen Fabasoft mit Sitz in Linz hat den Sprung ins kalte Wasser jedoch vor zehn Jahren gewagt und bis heute nicht bereut. Generell gilt es, das Potenzial von Menschen mit Beeinträchtigungen in Zeiten des Arbeitskräftemangels viel stärker zu nutzen.

Hasan Cakmak sieht eine Beeinträchtigung sogar als Chance. Foto: Fabasoft
Hasan Cakmak sieht eine Beeinträchtigung sogar als Chance. Foto: Fabasoft

Vor zehn Jahren kam Fabasoft die Idee, eine beeinträchtigte Person einzustellen, um Software in Bezug auf die Barrierefreiheit zu testen. „Wir stellen Softwareprodukte her, die in großen Unternehmen und auch in der öffentlichen Verwaltung verwendet werden und sie dienen dazu, um die Geschäftsprozesse von Organisationen zu digitalisieren. Wir haben den Anspruch, unsere Produkte auch barrierefrei zur Verfügung zu stellen“, erzählt Fabasoft-Mitarbeiter Hasan Cakmak und ergänzt: „Das heißt, Benutzer, die jetzt zum Beispiel blind sind oder andere Beeinträchtigungen haben, sollen die Funktionalitäten vollständig nutzen können, ungehindert dieser Behinderung.“ Wer also könnte die Software besser testen, als eine beeinträchtigte Person.

Blind Softwares testen

In Mario Batusic haben sie eine Person gefunden. Der studierte Informatiker ist blind – und hat sich auf Barrierefreiheit spezialisiert. Somit konnte er sowohl Softwares aufsetzen und diese auch gleich auf Barrierefreiheit testen. Batusic ist nun in Altersteilzeit und geht in ein paar Jahren in Pension. Die Stelle wird frei. „Wir haben den Fokus auf blinde Personen gelegt. Eine blinde Person nutzt die Tastatur und die Braillezeile (Anm. Blindenschriftzeile), um die Software zu bedienen. Wenn eine Software für blinde Personen barrierefrei zugänglich ist, dann sind auch alle anderen Formen der Beeinträchtigungen gut abgedeckt“, erläutert Cakmak.

Betriebsservice half

Es hat sich allerdings niemand gefunden, der für die freie Stelle geeignet wäre. Das Betriebsservice des Landes OÖ ist auf die Idee gekommen, die Stelle zu splitten. „Einerseits sollte die Person Informatiker sein, die uns zeigt, wie man solche Lösungen implementiert und programmiert. Andererseits sollte sie auch in der Lage sein, das Umgesetzte zu testen.“ Die Informatiker-Stelle ist mittlerweile gefunden. Im Februar wird zudem Daniel Pöll das Testen in Bezug auf die Barrierefreiheit übernehmen. Dass er eine Beeinträchtigung hat, war ausschlaggebend, die Stelle zu bekommen. Cakmak: „Wir hatten auch Bewerber, die nicht blind waren. Wir haben uns aber für jemanden entschieden, der selber betroffen ist, weil wir denken, dass es einen Mehrwert für unser Unternehmen hat. Wir brauchen diese Fähigkeiten, die diese Personen haben, die andere nicht haben.“ Nicht nur als Softwaretester kann sich Cakmak vorstellen, Beeinträchtigte einzustellen: „Mit fachlicher Qualifikation sehe ich das Potenzial überall. Das kann etwa in der Qualitätssicherung der Software sein. Es kommt aber ­darauf an, um welche Art der Beeinträchtigung es sich handelt. Eine körperliche Beeinträchtigung, eine Sehschwäche oder Taubheit kann ich mir gut vorstellen.“ Cakmak ist generell der Meinung, dass man einer Beeinträchtigung gar nicht zu viel Raum geben dürfe, Personen mit Beeinträchtigung vielmehr eine Chance geben sollte: „Ich bin immer der Meinung, dass es nicht ausschlaggebend ist, ob jemand eine Beeinträchtigung hat. Wenn die Rahmenbedingungen gegeben sind, kann man gut zusammenarbeiten.“

Potenzial für den Arbeitsmarkt nutzen

Generell gilt es, dieses Potenzial von Menschen mit Beeinträchtigungen für den Arbeitsmarkt viel stärker zu nutzen. An Beeinträchtigte appelliert Cakmak, mehr Eigeninitiative zu zeigen und sich der eigenen, besonderen Stärken bewusst sein. Diese sollten dem Arbeitgeber auch deutlich gemacht werden. Umgekehrt ist es nicht anders: „Man muss sich auch als Arbeitgeber hinsetzen und schauen, wo diese Beeinträchtigung ein Hindernis ist, ob sie überhaupt ein Hindernis oder vielleicht ein Vorteil ist. Wir sind für dieses Thema total sensibilisiert worden, weil wir mit Mario zusammenarbeiten durften.“

Neues Bewusstsein

„Wir sind auf neue Ideen gekommen oder auf neue Denkweisen, die uns überhaupt geholfen haben, unsere Produkte besser zu gestalten. Wir haben durch Mario auch gelernt, dass man trotz einer Beeinträchtigung ein erfülltes Leben leben und einen großen Beitrag leisten kann.“ Das Bewusstsein, dass eine Zusammenarbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen ganz normal ist, hatte Cakmak vorher nicht, wie er offen zugibt: „Sie sind selbstständig, können alles selber erledigen und das war mir vorher auch nicht so bewusst. Ich glaube, die Zusammenarbeit mit Mario hat sich für das ganze Unternehmen positiv ausgewirkt. Es hat jeder Ebene geholfen zu verstehen, dass das gar keine Herausforderung ist, sondern dass es einfach funktioniert. Er hat dazu beigetragen, dass wir sensibilisiert wurden. Wenn wir etwas anschaffen, dann erkennen wir auch gleich, wenn etwas nicht barrierefrei ist. Wir haben einfach eine gewisse Sensibilität entwickelt, die wir vorher überhaupt nicht hatten.“


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