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"Wir sind die vergessene Generation. Hört uns endlich zu."

Anna Fessler, 27.10.2022 16:26

LINZ. Die Kinderfreunde schlagen Alarm: Während die psychischen Belastungen für Kinder und Jugendliche in Zeiten multipler Krisen zunehmen, gibt es zu wenig therapeutische Angebote.

Roland Schwandner (Vorsitzender Kinderfreunde OÖ), Anna Marie Wüster (Schülerin), Doris Koubek (Kinder- und Jugendpsychiaterin in Linz). (Foto: MecGreenie Production OG / Kinderfreunde OÖ)

Anna Marie Wüster besucht zurzeit die 10. Schulstufe im BG/BRG Gmunden. Sie kenne viele Jugendliche, die in der Coronazeit mit ihrer mentalen Gesundheit zu kämpfen hatten. Manche hätten auch davor schon Probleme gehabt. Sie will berichten „was uns Jugendliche in dieser Zeit so kaputt gemacht hat und es immer noch tut“.

„niemand fragt nach ihnen“

In ihrer Klasse würden einige Schüler gar nicht mehr regelmäßig am Unterricht teilnehmen, aber „niemand fragt nach ihnen“. Andere würden mit starkem Leistungsdruck kämpfen und negative Noten in Fächern schreiben, die ihnen früher noch Spaß gemacht hätten. Auch der Druck zuhause sei bei Jugendlichen gestiegen, diese seien mit Sprüchen wie „Warum strengst du dich nicht einmal an?“ oder „Ich bin enttäuscht von dir“ konfrontiert.

„Schlafen, Schule, Schlafen“

Die Homeschooling-Phase beschreibt Anna Marie so: „Schlafen, Schule, Schlafen – so sahen fünf Tage der Woche aus. Ich hatte weder Motivation noch Kraft für irgendwelche außerschulischen Aktivitäten, an meine Freunde hatte ich da schon gar nicht gedacht. Ich werde auf meine Jugend zurückblicken und ein Großteil aus meiner Erinnerung wird aus dieser furchtbaren Zeit bestehen.“

„Hört uns endlich zu!“

Sie möchte darauf aufmerksam machen, dass viele Jugendliche unter psychischen Krankheiten und/oder Essstörungen leiden und Verständnis, ein offenes Ohr sowie aktive Hilfe benötigen würden. „Bitte wendet euch an Jugendliche, wenn ihr merkt, dass es uns nicht gut geht. Geht auf uns zu und zeigt aufrichtiges Interesse daran, uns zuzuhören. Wir sind die vergessene Generation. Also wer wärt ihr, wenn ihr uns ein weiteres mal nicht hört? Ihr wollt, dass es uns gut geht, und, dass wir anfangen zu reden? Dann hört uns endlich zu!“

Bedarf steigt, Angebote sinken

Leider belegen aktuelle Zahlen aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie: Die Patienten werden immer mehr, immer jünger und ihre Sorgen immer größer. Dem gegenüber stehe ein viel zu geringes Angebot an psychosozialen Unterstützungsmöglichkeiten und Therapieplätzen, beklagen die Kinderfreunde. „Die Angebote werden immer weniger, die Hürden für Familien, die aktiv Hilfe suchen, immer größer“, sagt Roland Schwandner, Vorsitzender der Kinderfreunde Oberösterreich. Zudem sei es im Zentralraum Linz mittlerweile eine Herausforderung, einen Kinderarzt zu finden. Diese würden aber oft als erste Ansprechperson dienen. Es brauche sofort Investitionen, um entsprechende Hilfsangebote zu ermöglichen.

„Es fehlt in fast allen Abteilungen an Betten und Fachärzten“

Doris Koubek ist Kinder- und Jugendpsychiaterin in Linz und berichtet von einer hohen Nachfrage in ihrer Praxis. „Es fehlt in fast allen kinder- und jugendpsychiatrischen Fachabteilungen an Betten und auch an Fachärzten. Das führt dazu, dass es bei einigen Patienten zu einer deutlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kommt, schlicht deswegen, weil es keine Möglichkeit gibt, sie dem Zustandsbild entsprechend zu behandeln“, warnt Koubek.

Die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie gibt auf ihrer Seite einen Überblick über verschiedene Hilfsangebote für Kinder- und Jugendliche Betroffene: www.oegkjp.at

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