LINZ. Das OÖ VertretungsNetz kritisiert das Linzer Sozialamt: Trotz angekündigter Verbesserungen gehe die Behörde in Linz nach wie vor besonders restriktiv vor.
VertretungsNetz ist ein Verein, der sich für den Schutz der Grundrechte von Menschen mit psychischer Erkrankung oder intellektueller Beeinträchtigung einsetzt. Der Bereich Erwachsenenvertretung berichtet von einem Fall, der exemplarisch für die strikte Vollzugspraxis in Linz stehen soll.
Demenzkranker Pflegeheim-Bewohnerin sollte Sozialhilfe gestrichen werden (Update)
Die 81-jährige Frau Zauner* lebt aufgrund ihrer Demenz-Erkrankung im Pflegeheim in Linz. In jungen Jahren hat sie einen Schlaganfall erlitten, ist seither körperlich beeinträchtigt und war nie erwerbstätig. Laut dem VertretungsNetz hat der Magistrat Linz die Sozialhilfe für Frau Zauner mit Jänner 2024 eingestellt, womit sie auch nicht mehr krankenversichert ist. Der Grund: Frau Zauner hätte ihren Sohn, zu dem seit über 25 Jahren kein Kontakt besteht, auf Unterhalt klagen sollen. (Update 18.03.2024: Die Einstellung der Sozialhilfe wurde zwar angekündigt, jedoch nicht vollzogen)
Gewählte Erwachsenenvertreterin fühlte sich unter Druck gesetzt
Ihre langjährige Freundin Frau Mayer* war bis vor kurzem als ihre gewählte Erwachsenenvertretung tätig. Tips spricht mit ihr am Telefon, sie habe in den letzten Jahren für Frau Zauner unter anderem die jährlichen Anträge auf Sozialhilfe erledigt. Dann habe die Behörde plötzlich die Daten der Kinder von Frau Zauner angefordert, es folgte ein Schreiben, dass der Sohn auf Unterhalt zu verklagen sei. Frau Mayer konnte das aber nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, da Frau Zauner mehrfach betont habe, dass sie ihren Kindern nicht zur finanziellen Belastung werden wolle. Die Behörde habe sie dann derart unter Druck gesetzt, dass Frau Mayer die Erwachsenenvertretung zurücklegte. Dass ihre Freundin nun keine Krankenversicherung habe, schockiere sie, schließlich sei Frau Zauner als bald 82-jährige Demenzpatientin darauf angewiesen. (*Namen geändert)
VetretungsNetz sieht Problem bei Linzer Behörde
Thomas Berghammer, Bereichsleiter der Erwachsenenvertretung für OÖ bei VertretungsNetz, sagt: „Die Beschämung durch die Behörde ist systematisch. Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind, wird der finanzielle Boden unter den Füßen weggezogen, bestehende Familienbeziehungen werden massiv belastet. Durch den Zwang zu Unterhaltsklagen braucht es gerichtliche Erwachsenenvertretungen, die ansonsten gar nicht nötig wären.“ Auch bei Frau Zauner sei dies der Fall gewesen. Dieser Umstand sei nicht mit der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbar und unterlaufe die Zielsetzungen des Erwachsenenschutzgesetzes.
Wird eine gerichtliche Erwachsenenvertretung angeregt, überprüft das VertretungsNetz im Auftrag des Gerichts, ob es diese braucht oder ob es Alternativen gäbe, die mehr Selbstbestimmung zulassen, wie eine gewählte Erwachsenenvertretung.
Gesetz schreibt Unterhaltsforderungen vor, es sei denn, sie sind unzumutbar oder aussichtslos
Die Pflicht für Sozialhilfe-Bezieher, Unterhalt von Angehörigen einzufordern und gegebenenfalls gerichtlich einzuklagen, ist im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz des Bundes verankert. Darin heißt es: „Leistungen der Sozialhilfe sind davon abhängig zu machen, dass die diese Leistungen geltend machende Person bedarfsdeckende Ansprüche gegen Dritte verfolgt, soweit dies nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist.“ Was zumutbar ist und was nicht, liegt im Ermessen der zuständigen Behörde.
Stellungnahme des Direktors für Soziales
Auf Tips-Nachfrage schreibt Helmut Mitter, Direktor für Soziales, Jugend und Familie in Linz: „Die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen stellt tatsächlich ein häufiges Problem beim Vollzug der Sozialhilfe dar.“ Die Formulierung im Sozialhilfegesetz sei jedoch eindeutig, „grundsätzlich kommt der Behörde also in diesem Punkt keinerlei Ermessen zu.“ Unzumutbarkeit bilde eine Ausnahme, die gut begründet sein und sich vom Regelfall deutlich unterscheiden müsse: „Wir können daher allen Betroffenen und deren Vertretung nur empfehlen, die besonderen Umstände möglichst ausführlich darzustellen, so dass die Frage, ob tatsächlich besondere Umstände vorliegen, die eine Unzumutbarkeit belegen, gut geprüft werden kann.“
Laut Thomas Berghammer könne es aber nicht nur an den gesetzlichen Vorgaben liegen, da es in anderen oö. Bezirken keine derartigen Probleme gäbe. Vielmehr sei Linz in dieser Hinsicht „vom Vorzeige- zum Problembezirk“ mutiert.
Auch lesen:
Sozialhilfe: Zu hartes Gesetz oder zu strenge Behörde?
Wieder Stoff für Kritik an Linzer Sozialhilfebehörde: Urteil gegen Magistrat
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden