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Sozialhilfe: Zu hartes Gesetz oder zu strenge Behörde?

Anna Fessler, 17.01.2024 15:04

LINZ. Viel Kritik gab es zum Jahresende an der Linzer Sozialhilfe-Behörde, dort soll es nun Änderungen geben. Die Grünen und die SPÖ sehen das Problem viel eher bei der derzeitigen Gesetzeslage.

Sozialhilfe: Ist das Gesetz zu hart oder ist die Behörde zu streng? Die Grünen und die SPÖ sehen Ersteres verantwortlich, zahlreiche Sozialorganisationen machten bei einer Protestaktion Letzteres zum Thema. (Foto: Shisu_ka/stock.adobe.com)
Sozialhilfe: Ist das Gesetz zu hart oder ist die Behörde zu streng? Die Grünen und die SPÖ sehen Ersteres verantwortlich, zahlreiche Sozialorganisationen machten bei einer Protestaktion Letzteres zum Thema. (Foto: Shisu_ka/stock.adobe.com)

Im Dezember 2023 protestierten 23 Sozialorganisationen in Linz gegen die Vollzugspraxis der Sozialhilfe in Linz. So würden etwa Unterhaltsansprüche derart streng verfolgt, dass die Mutter eines autistischen Kindes sich als seine Erwachsenenvertreterin hätte selbst verklagen müssen, wie die OÖN berichteten. Eine SPÖ-Anfrage im Oö. Landtag ergab zudem, dass in Linz im ersten Halbjahr 2023 in 76 Fällen eine Beschwerde gegen Bescheide nach dem oö. Sozialhilfe-Ausführungsgesetz (SOHAG) eingebracht wurde, in allen übrigen Bezirken in OÖ jedoch nur 17 Mal im selben Zeitraum. Für die Linzer Grünen ein klares Signal dafür, dass die gesetzliche Grundlage, auf deren Basis die Auszahlung der Sozialhilfe erfolgt, „dringend reformiert gehört“.

Strenger Einkommensbegriff

Allerdings sahen die Grünen wie auch die KPÖ Linz auch den Linzer Magistrat in der Pflicht, den rechtlichen Ermessensspielraum zugunsten der Menschen zu nutzen. Wie dieser beispielsweise in Bezug auf Spenden aussieht, wollte Tips von Karin Berger, Juristin bei der Sozialplattform OÖ, wissen: „Grundsätzlich gibt es im Sozialhilferecht einen sehr strengen Einkommensbegriff. Alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert, die auch tatsächlich zufließen, sind Einkommen. Dabei ist es vollkommen egal, aus welchem Grund man diese Mittel erhalten hat und es gilt der Grundsatz, dass Einkommen bei der Bemessung von Sozialhilfe zu berücksichtigen bzw. anzurechnen sind.“

Dabei gäbe es allerdings auch Ausnahmen: „,Freiwillige Leistungen der freien Wohlfahrtspflege“ und auch ,Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden“, etwa Unterstützungszahlungen, unterliegen keiner Anrechnung. Wenn allerdings diese Hilfsleistungen über einen ununterbrochenen Zeitraum von vier Monaten gewährt werden oder so hoch sind, dass gar keine Sozialhilfe mehr zustünde im betreffenden Monat, dann darf doch wieder angerechnet werden. Einen Ermessensspielraum der Behörde sehe ich nicht“, so Berger.

Zwei ähnliche Fälle, zwei unterschiedliche Ergebnisse

Dennoch: Tips hat zwei ähnliche Fälle von Sozialhilfebeziehern gefunden, bei denen der rechtliche Rahmen unterschiedlich ausgelegt wurde. Im ersten Fall erhielt ein 26-jähriger Linzer 1.000 Euro aus einer vorweihnachtlichen Hilfsaktion für die Anschaffung von Möbeln. Aufgrund der Spende setzte das Sozialamt Linz den Sozialhilfebezug des psychisch erkrankten Mannes auf null. Der Verein VertretungsNetz legte Beschwerde ein, das Landesverwaltungsrecht gab dem Linzer Magistrat Recht. Derzeit liegt der Fall beim Verwaltungsgerichtshof.

Im zweiten Fall erhielt eine Linzerin, wohnhaft im Mutter-Kind-Haus der Stadt Linz, ebenfalls 1.000 Euro aus einer vorweihnachtlichen Hilfsaktion für eine Immunisierung. Aufgrund der Spende hätte die Frau die Sozialhilfe zurückzahlen müssen oder die Behörde hätte einen Teil der Sozialhilfe im Folgemonat einbehalten. In diesem Fall wurde jedoch eine Kulanzlösung gefunden, die Frau konnte einen Teil des gespendeten Geldes behalten.

Kritik erreichte Behörde

Nach dem Protest der Sozialorganisationen kündigte Helmut Mitter, Direktor für Soziales, Jugend und Familie in Linz, an, auf die Kritik eingehen zu wollen. Auf Tips-Nachfrage sagt er, dass die Veränderungen schrittweise ab 16. Jänner umgesetzt würden. Einer der Kritikpunkte war die fehlende Möglichkeit, Sachbearbeiter direkt zu kontaktieren. In Einzelfällen sei das bereits möglich, so Mitter. Bisher lief die Kommunikation primär über eine Erstanlaufstelle – die Mitarbeiter dort hätten aber konkret Auskunft zu den Einzelfällen geben können. „Zukünftig wird es darüber hinaus möglich sein, bei Bedarf direkt mit dem zuständigen Sachbearbeiter einen Termin zu vereinbaren“, so Mitter, der auch Stellung zum Vorwurf der besonders strengen Vollzugspraxis seitens des Linzer Magistrats nimmt.

Weniger Sozialhilfebezieher wegen restriktivem Gesetz

Dies sei keineswegs der Fall, vielmehr würden die landes- und bundesgesetzlichen Vorgaben genau vollzogen. Die rückläufigen Sozialhilfebezieher-Zahlen in Linz würden einem OÖ-weiten Trend folgen und seien auf Folgendes zurückzuführen: „Erstens auf die gute Arbeitsmarktlage mit vielen offenen Stellen, gerade auch im Bereich der geringen fachlichen Qualifikation und zweitens darauf, dass am 1.1.2020 mit dem Oö. SOHAG eine neue restriktivere Rechtslage geschaffen wurde, welche dann mit Auslaufen der Übergangsfristen Mitte 2021 die uneingeschränkte Wirkung entfaltet hat.“, so Mitter.

Letzteren Punkt kritisiert SPÖ-Klubvorsitzende Sabine Engleitner-Neu: die Sozialhilfe sei in Oberösterreich besonders streng geregelt. Sozialeinrichtungen würden ihr über eine gestiegene Nachfrage berichten, während die Zahl der Sozialhilfe-Bezieher sinke. „Das hinterlässt ein Fragezeichen bei mir.“ Auch die Grüne Sozialsprecherin Ines Vukajlović meint: „Was für eine seltsame Rechnung. Armut und Armutsgefährdung werden mehr, aber die Sozialhilfeempfänger in Oberösterreich weniger.“ 

Mehr lesen: Sozialhilfebilanz in Oberösterreich: Bezieher-Zahlen rückläufig, Zahl der Sanktionen fast verdoppelt


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