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Coach und Arbeitspsychologin Bettina Wegleiter: "Ich möchte den Blick auf Konflikte verändern"

Anna Fessler, 03.05.2024 16:56

LINZ. Bettina Wegleiter unterstützt als Coach Arbeitgeber und –nehmer dabei, ein positives Arbeitsklima zu schaffen, ihr Schwerpunkt ist der konstruktive Umgang mit Emotionen. Beim Leadership-Lehrgang für Kreativschaffende der Creative Region wird sie diesen Herbst ein Seminar zum Thema „Führen mit Emotionen“ leiten. Ein Gespräch über Emotionen und Konflikte im Berufsalltag und warum beides im Arbeitskontext auch positiv sein kann.

Bettina Wegleiter ist zertifizierte Arbeitspsychologin und erfahrener Business-Coach, ihr Schwerpunkt liegt auf dem inklusiven und konstruktiven Umgang mit Emotionen im Arbeitskontext. (Foto: Andrea Sojka)

Tips: Wie würdest du den Kern deiner Tätigkeit beschreiben?

Bettina Wegleiter: Ich habe das Glück einen sehr passenden Namen zu haben. Ich bin eine Weg(beg)leiterin, ich begleite Menschen bei Entwicklungsprozessen. In der heutigen Zeit haben wir mit Veränderungen zu tun, auch auf persönlicher Ebene - man muss also mitwachsen. Ich bin Arbeits-, Organisations-, und Wirtschaftspsychologin. Die Kernfrage ist: Was braucht das Team, das Kollektiv, das Unternehmen?

Tips: Du beschäftigst dich auch mit Konfliktfähigkeit – das Wort Konflikt ist eher negativ besetzt. Warum sollte man diese aus deiner Sicht nicht vermeiden, sondern trainieren?

Bettina Wegleiter: Ich möchte den Blick auf Konflikte verändern. Die neue Arbeitswelt bringt Spannungen mit sich, die sind bearbeitbar und ermöglichen Bewegung, Veränderung. Das ist für mich etwas durch und durch Positives. Man muss sie allerdings rechtzeitig besprechen und darf nicht warten, dass sie sich zu einem Waldbrand auswachsen. Aus meiner Erfahrung vermeiden Menschen Konflikte aufgrund von persönlichen, negativen Erfahrungen und Ängsten – auch Angst, dass die Emotionalität zu hoch ist.

Tips: Weil Emotionalität im Berufsleben ebenfalls negativ gesehen wird?

Bettina Wegleiter:Ja, aber man kann mit Emotionen auch einen guten Umgang finden. Konflikte sind negativ konnotiert, weil sie mit Emotionen zu tun haben. Weil es darum geht, dass wir nicht wissen, wie wir mit Emotionen in Konfliktsituationen umgehen sollen, weil die Sachebene wegbricht, weil es dann zur Beziehungssache wird. Dort wo die Arbeitsbeziehungen passen, dort sind Spannungen aber gut besprechbar, da kann man gut handeln. Da bin ich für hundertprozentige Ehrlichkeit, dafür, authentisch sein zu dürfen. Das erfordert einen psychologisch sicheren Rahmen, da sind wir jetzt bei der Unternehmenskultur. Ein sicherer Rahmen bedeutet: ich darf mich zumuten, indem ich sage was ich mir denke – mit einer Emotionalität, die beziehungsfördernd ist.

Tips: Was wäre denn zum Beispiel beziehungsfördernd?

Bettina Wegleiter:Das Gegenteil, beziehungszerstörend wäre etwa zu sagen: „Ich konnte nicht weiterarbeiten, weil du die Vorarbeit nicht geliefert hast, von der ich abhängig bin.“ Beziehungsfördernd hingegen wäre zu fragen: „Welche Gründe gab es dafür, was ist dazwischengekommen?“ Kurz: Empathisch versuchen zu verstehen. Kritik, Abwertung, Mauern und Rechtfertigung sind auf Dauer beziehungszerstörend.

Tips: Gibt es Konfliktursachen, die dir in deiner Arbeitspraxis häufig unterkommen?

Bettina Wegleiter:Die häufigste Ursache sind Missverständnisse, entweder aufgrund von asynchroner Kommunikation oder wenn Menschen gestresst sind. Eine weitere Ursache sind Vorurteile, etwa gegenüber bestimmten Verhaltensweisen. Ein sehr strukturierter Mensch hat vielleicht Vorurteile gegenüber Menschen, die lieber freier und kreativ arbeiten. Aber Personen arbeiten eben unterschiedlich.

Tips: Heißt das, man muss einfach eine gewisse Offenheit mitbringen?

Bettina Wegleiter: Das wäre schon ein guter Zugang – vielleicht öfters nachzufragen, bevor man etwas annimmt oder vermutet. Es steckt eigentlich fast nie eine böse Absicht dahinter. Der zweite Punkt: mehr Zuhören! Die wichtigsten Ursachen sind jedenfalls zwischenmenschlicher Natur, Missverständnisse oder auch Kränkungen, die in der Vergangenheit passiert sind.

Tips: Was sagst du zu Unternehmen, in denen zb. hitzige Diskussionen sofort unterbunden werden, weil man keine Konflikte will. Was hat das für Konsequenzen?

Bettina Wegleiter: Was du hier beschreibst, ist eine Pseudoharmonie, da tut man, als ob alles in Ordnung wäre. Konsequenzen wären „gossiping“, also das Reden übereinander statt miteinander. Es kann auch toxisches Verhalten entstehen. Wenn ich nicht sagen darf, worum es geht, dann sage ich es auch dem Vorgesetzten nicht. Das ist ein Schatten, der in der Organisation sichtbar wird. Mein Zugang: lernen wir Werkzeuge für gutes, hilfreiches Feedback, um zuzuhören, empathisch zu sein. Man kann das lernen, die Emotionen zu steuern, emotionale Intelligenz. Aber: Es gibt auch Situationen, wo ich sagen würde, da ist ein Gespräch nicht gut.

Tips: Welche wären das?

Bettina Wegleiter: Wenn ich so wütend bin, dass blinde Wut meine Wahrnehmung einschränkt und ich nicht aufnahmebereit bin für neue Perspektiven. Dann muss ich den Ärger zuerst regulieren und dann wieder ins Gespräch gehen, das sollte man auch so ansprechen: „Ich kann jetzt gerade nicht darüber reden, aber machen wir uns einen Termin aus.“

Tips: Die erste Hürde ist ja sich zu trauen, etwas anzusprechen – wie schafft man es, ins Tun zu kommen?

Bettina Wegleiter: Auf Unternehmensebene geht es darum die Rahmenbedingungen zu schaffen, die bereits angesprochene psychologische Sicherheit. Wann gehe ich aus meinem Schneckenhaus? Wenn ich ein sicheres Umfeld finde. Das heißt auch, dass ich meinem Chef gegenüber Dinge ansprechen darf. Natürlich ist es wichtig, wie diese formuliert ist. Aber es braucht das Vertrauen, dass ich etwas ansprechen kann, ohne dass es negative Konsequenzen für mich hat. Führungskräfte können diesen sicheren Rahmen in Form von Feedback- oder Mitarbeitergesprächen schaffen. Aus Mitarbeitersicht sollte man sich auch überlegen, was sich konkret verändern soll. Es ist wichtig, das klar benennen zu können.

Tips: Du hältst für den Leadership Lehrgang der Creative Region ein Seminar zum Thema Führen mit Emotionen und Emotional Self Leadership. Was bedeutet der Begriff?

Bettina Wegleiter: Es bedeutet, ich bin in der Lage, meine Emotionen selber zu regulieren und kann mich hier führen, auch aus einer emotionalen Intensität heraus. Führung fängt bei sich selbst an – Wenn ich als Führungskraft die Verantwortung für die eigenen Emotionen übernehme, bin ich in mir verankert und in Balance. Das bedeutet nicht, immer nur happy sein zu müssen, aber Strategien für verschiedene Emotionen zu haben.

Tips: Gibt es aus deiner Sicht auch negative Emotionen?

Bettina Wegleiter: Jede Emotion ist nützlich, gerade die unangenehmen Gefühle helfen uns, etwas zu verstehen. Wut kann helfen Grenzen zu ziehen, reagiert, wenn Werte verletzt werden. Angst ist eine Reaktion auf Bedrohung, etwa die der Arbeitsplatzsicherheit. Sie muss hier reagieren, dass ist ihre Funktion. Gefühle und ihre Funktion zu verstehen fällt auch unter emotionale Selbstführung.

Tips: Spürst du in deiner Arbeit ein verändertes Bewusstsein für solche Themen?

Bettina Wegleiter: Was ich merke: die letzten Jahre fragen mehr Firmen wegen Mitarbeitercoachings an. Dazu haben die Krisen beigetragen, die haben uns feinfühliger oder auch dünnhäutiger gemacht. Situationen sind in den Arbeitskontext gerückt, die vielleicht vorher außerhalb ausgetragen wurden. Dort, wo es schon vor der Krise nicht gepasst hat, ist das sichtbar geworden.

Tips: Abschließend: Was kannst du dir aus deiner Tätigkeit für deine eigene Arbeit mitnehmen?

Bettina Wegleiter:Einerseits mehr Zuhören als Reden – auch, mir die Zeit zu nehmen und selber Unterstützung zu holen. Das habe ich schätzen gelernt. Was ich mitnehme ist, dass diese Arbeit nie aufhört, mich zu inspirieren und zu begeistern.

 

 

 

 


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