"Ziehe eine Notbremse": Digitaluni IT:U wird nicht im Linzer Grüngürtel gebaut
LINZ. Seit Monaten wird von vielen Seiten über den geplanten Standort der IT:U im Grüngürtel in Dornach-Auhof diskutiert. Geschäftsführender Vizebürgermeister Dietmar Prammer (SP) erklärte heute, am 7. Oktober, überraschend, die Pläne rund um die Umwidmung zu stoppen. Von der Nachricht überrascht wurde auch ein sehr verärgerter Landesrat Markus Achleitner (ÖVP). Prammer informierte ihn laut eigenen Angaben nur kurz bevor dieser an die Öffentlichkeit ging, telefonisch.
„Ich ziehe eine Notbremse und stoppe die geplante Umwidmung“, verlautbarte Prammer heute Vormittag in einer Pressekonferenz. Ausschlaggebender Grund dafür sei, neben den negativen Reaktionen vieler Bürger, die Stellungnahme Direktion für Landesplanung der OÖ Landesregierung. Darin wurden etwa künftige gravierende Auswirkungen für den Natur- und Artenschutz bemängelt, die nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Außerdem sei mit einer Zunahme des Verkehrs zu rechnen, was auch die Luftqualität beeinflussen würde.
„Die Kritikpunkte sind nicht neu, aber in der Dimension, wie sie in der Stellungnahme ausfallen, sind sie uns neu. Wir sind seitens der Stadt Linz zu diesem Standort gestanden, aber irgendwann geht es sich nicht mehr aus“, so Prammer. Der Standort wurde damals von der BIG (Bundesimmobiliengesellschaft) vorreserviert und aufgrund einer 15a-Vereinbarung von Bund und Land beschlossen worden.
Neue Standorte
Für einen neuen Standort interessant wäre laut Prammer die PostCity, aber auch das Nestle-Areal – jene Standorte, die im Laufe der vergangenen Monate von mehreren Seiten, die sich der Verbauung des Grüngürtels kritisch äußerten, als Alternative vorgeschlagen wurden. Diese Standorte wurden jedoch seitens der Stadt bis dato nie geprüft. Auch einem innerstädtischen Standort gegenüber sei Prammer nicht abgeneigt. Dazu werde er nun mit BIG, Land und IT:U Gespräche führen.
Auch der Masterplan Linz Nord-Ost, welcher von Prammer aufgesetzt wurde, sei damit auch vom Tisch. Ohne die Universität mache auch die Ansiedelung von Firmen keinen Sinn, so der geschäftsführende Vizebürgermeister.
Wenn auch noch nicht mit der BIG, Prammer habe am Vormittag betroffene Personen und Institutionen über seine Entscheidung informiert, etwa von Land. „Diese sind natürlich nicht erfreut, aber das war auch zu erwarten. Ich bin auch selber nicht glücklich, dass ich diesen Schritt erst jetzt hab tätigen müssen. Mir ist bewusst, dass rund um den Standort bereits Planungen von vielen Seiten im Gange waren. Dafür ersuche ich um Verständnis.“
Achleitner: „Prammer fällt im Liegen um“
Landesrat Markus Achleitner (ÖVP) wollte am Montag eigentlich eine Pressekonferenz zur Bodenstrategie geben, änderte das Thema dann aus aktuellem Anlass. Er regiert mit großem Unverständnis. „Ich halte das für eine unangebrachte Vorgehensweise, höflich ausgedrückt.“
Und vorzugeben, es handle sich um eine negative Landesstellungnahme, „ist falsch und nicht zutreffend.“ Denn, so Achleitner, die von Prammer zitierte negative Stellungnahme zum Projekt stamme nicht vom Land OÖ, sondern von der Naturschutzbehörde der Stadt Linz. Die Abteilung Raumordnung des Landes OÖ habe lediglich die gesammelten Fachstellungnahmen zusammengefasst und der Stadt Linz als Widmungsbehörde übermittelt.
„Die haben natürlich aus rein naturschutzfachlicher Sicht logischerweise Argumente. Bei jeder Widmung ist das so. Aber die Stadt selber als Widmungsbehörde muss ja alle Stellungnahmen würdigen und kann dann in der Interessenabwägung – in diesem Fall vereinbart – das öffentliche Interesse einer digitalen Universität neben der JKU höher bewerten. Das war auch das, was Bürgermeister Luger, Stadtrat Prammer, der Landeshauptmann und ich gemeinsam vereinbart haben.“
Achleitner glaubt in den kommenden Bürgermeisterwahlen den Grund für den Rückzieher. „Ich bin sehr überrascht. Bei Großprojekten sind wir immer gemeinsam vorgegangen. Wenn das jetzt die neue Form ist, dann weiß ich nicht genau, wie die Gemeinsamkeit größer werden soll“, ist Achleitner wütend. Vor allem, weil die Entscheidung zu diesem Standort gemeinsam getroffen worden sei. „Prammer fällt im Liegen um“.
Für Achleitner fraglich, ob Linz dann weiter Standort
Das Land stehe weiterhin zu 100 Prozent hinter der IT:U, „das ist ein Jahrhundertprojekt für Oberösterreich, es wird selbstverständlich umgesetzt. Sollte die Stadt Linz aber bei dieser Meinung bleiben und nicht umwidmen, stellt sich die Standortfrage gänzlich von vorne. Die IT:U wird nach Oberösterreich kommen, ob es dann aber Linz sein wird, wird man sehen“ – nennt er FH-Standorte wie Steyr oder Wels als mögliche Alternativen. „Wir haben uns ja nicht zum Spaß für die Nähe zur JKU entschieden. Die klare Synergie des Standortes mit der JKU war ausschlaggebend für die Standortwahl. Wenn diese Synergie nicht mehr gegeben ist, muss man schauen.“
Auch, wie schon angefallene Kosten rückabgewickelt werden könnten, sei derzeit nicht abschätzbar, so Achleitner.
Parteien reagieren auf Umwidmungsstopp
Auch andere Fraktionen reagieren auf die gestoppten Umwidmungspläne seitens Prammer. Für Stadtrat Martin Hajart (VP) etwa sei es das wichtigste, dass die IT:U nicht in Linz begraben werde: „Die neue Digital-Universität ist ein enorm wichtiger Standortfaktor für Linz. Unsere Wirtschaft braucht die Fachleute im IT-Bereich, die bei uns ausgebildet werden müssen. Jeder Standort in Linz hat seine Vorteile – jener bei der JKU die direkte Anbindung beider Universitäten zueinander, jener beim Bahnhof die gute Verkehrserschließung.“
Über die Entscheidung erfreut zeigt sich Stadträtin Eva Schobesberger (Grüne): „Wir haben es geschafft – der Grüngürtel ist gerettet. Das ist ein historischer Tag, an dem die Natur, das Klima und die Linzer:innen die großen Gewinner:innen sind. Mein Dank gilt der Bürger:innen-Initiative, den vielen engagierten Menschen, die sich seit Monaten unermüdlich für den Erhalt des Grüngürtels eingesetzt haben.“ Schobesberger sieht in der PostCity den idealen Standort für die IT:U: „Deshalb muss nun alles unternommen und umgehend die Gespräche mit den Besitzer:innen des Grundstücks gesucht werden, damit die Digital-Uni rasch hier einziehen kann.“
Stadtrat MIchael Raml (FP):„Es ist ein klarer Neustart für die Lebensqualität in unserer Stadt und ein Bekenntnis zum Schutz des Grüngürtels. Die Linzer FPÖ hat sich bereits unter Vizebürgermeister und Infrastrukturreferent Markus Hein gegen diese monströsen Umwidmungspläne gestellt und ich habe unsere Position mit ganzer Kraft weiter vertreten. Die Stellungnahme des Landes Oberösterreich bestätigt meine klare Position, den Grüngürtel zu schützen, statt ihn zuzubetonieren.“ Raml hoffe, dass Prammer sein Wort auch nach der Bürgermeisterwahl hält.
Dass es beim Projekt der IT:U von Anfang an an Sorgfalt gemangelt hätte, kritisiert Neos-Landessprecher Felix Eypeltauer: „Im Marketing-Büro der Kurz-und Stelzer-ÖVP vor der Oö. Landtagswahl 2021 erfunden, zäumen die verantwortlichen Regierenden seitdem das Pferd von hinten auf und drücken das Projekt um jeden Preis durch. Was am Anfang stehen hätte müssen, muss jetzt erfolgen: Eine ergebnisoffene, professionelle Suche nach Standortalternativen sowie eine transparente und gut begründete Auswahl des bestgeeigneten Standortes.“
Freude seitens der Bürgerinitiativen
Erleichtert zeigt sich auch die Bürgerinitiative „Retten wir den Grüngürtel“, welche in den vergangenen Wochen immer wieder mit Protesten auf ihren Ärger rund um die Verbauungspläne Luft machten. „Die Petition mit mehr als 8.000 Unterschriften und die 400 Einwendungen haben Wirkung gezeigt. Auch der zuständige geschäftsführende Vizebürgermeister Prammer hat nun erkannt, dass die geplanten Eingriffe das vom Linzer Gemeinderat einstimmig beschlossene Örtliche Entwicklungskonzept und viele andere seitens der Stadt eingegangenen Selbstverpflichtungen völlig konterkariert hätten“, so Alexander Jäger, der Sprecher der Initiative.
Ebenfalls Unterschriften sammelte die Initiative „Linzer Grüngürtel schützen, jetzt!“ für eine Volksbefragung in Linz. 6.100 Unterschriften sollten bis Anfang November gesammelt werden, damit mache man nun weiter. Denn eine Befragung könne, wenn nötig, auch nach der Bürgermeisterwahl eingereicht werden. „Der geladene Colt bleibt schussbereit im Holster. Alle begreifen, dass die IT:U nicht an dieser Stelle sein muss, ein Standort in der Stadt, auf bereits versiegelten und bestens angeschlossenen Flächen viel mehr Sinn macht. Jetzt kann das Projekt der neuen Digitaluni zurück an den Start und einer professionellen (bisher gefehlt) Standortanalyse unterzogen werden“, so Gemeinderat Lorenz Potocnik (LinzPlus), der gemeinsam mit der Initiative Unterschriften sammelte.
Weitere Reaktionen
Dass es viele gute Standorte in Linz gibt, aber jener im Grüngürtel es nie war, davon ist Grüne-Landessprecher Landesrat Stefan Kaineder überzeugt: „Nicht nur Vernunft und Einsicht haben sich durchgesetzt, sondern auch die Selbstverständlichkeit, dass man in einer Grün-Zone einfach nicht baut. Das sagen ganz offensichtlich auch die negativen Stellungnahmen zu diesem Standort und die vielen Menschen, die gegen eine Zerstörung des Grün-Gürtel gekämpft haben. Es wird nun Aufgabe, den richtigen und passenden Standort für die neue Uni zu finden.“
Fraktionsvorsitzender der NEOS Linz Georg Redlhammer: „Nachdem Rücktritt von Klaus Luger als Bürgermeister der Stadt, beginnt nun das Machtsystem des einstigen Bürgermeisters zu bröckeln. Es fehlt anscheinend der Kitt der stark kritisierte Projekte zusammengehalten hat. Es ist nicht auszuschließen, dass Projektvergaben der Vergangenheit nun durchleuchtet und weitere Ungereimtheiten gefunden werden. Jetzt soll in jedem Fall der Standort der IT:U professionell und unter Berücksichtigung aller Bedenken neu gesucht werden. Die IT:U in der Stadt anzusiedeln, auf bestehenden Flächen, wäre eine große Chance Linz als Stadt der Studierenden stärker zu positionieren.“
Industriellenvereinigung (IV OÖ) zeigt sich bestürzt
Für Unverständnis sorgt Prammers Entscheidung bei der oberösterreichischen Industrie. . „Der Stopp der Umwidmung ist in jeder Hinsicht dramatisch für das einst als Leuchtturmprojekt initiierte Vorhaben der Gründung einer Technischen Universität für Digitalisierung in Oberösterreich“, betont Präsident der IV Stefan Pierer. „Das Projekt zeigt konkret, warum Europa und Österreich immer weiter zurückfallen. Behördenverfahren werden immer unkalkulierbarer und der Zeitbedarf rechtfertig Investitionen immer weniger.“
Der geplante Standort in unmittelbarer Nähe zur JKU hätte umfassende Synergien in fachlichen, infrastrukturellen und auch administrativen Bereichen ermöglicht, so die IV OÖ, von der Verkehrsinfrastruktur über ein gemeinsames Rechenzentrum bis zur Mitnutzung von Einrichtungen am Campus der JKU. Die Ansiedlung weiterer Firmen an diesem Standort sei nun ebenfalls nicht möglich. „Vizebürgermeister Prammer hat mit seiner wahlkampftaktischen Entscheidung Linz und Oberösterreich echten Schaden zugefügt. Das Projekt IT:U muss jetzt strategisch so gedacht werden, dass noch der maximale universitäre Digitalisierungsschub für den Standort Oberösterreich erzielt werden kann“, so Pierer.
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