Neuausrichtung der Tourismusverbände: Trotz Mindestgrößen darf Identität nicht verloren gehen
BEZIRK ROHRBACH. Drastisch reduziert werden soll die Anzahl der Tourismusverbände, von denen viele eingemeindig agieren. Eine Zusammenlegung in Richtung „marktfähiger Mindestgröße“ ist laut Tourismus-Landesrat Michael Strugl das Ziel. In der Region steht man diesen Optimierungsplänen allerdings skeptisch gegenüber – hier besteht die Befürchtung, als kleine Gemeinde im großen Gefüge unterzugehen.
In Oberöstereich gibt es derzeit zirka 100 Tourismusverbände. Zum Vergleich: Niederösterreich hat rund 25, das Burgenland sechs bis acht. Für Wirtschafts- und Tourismus-Landesrat Michael Strugl (VP) besteht also dringend Handlungsbedarf. Er will mit der Neuausrichtung des Oberösterreich-Tourismus „eine Steigerung der Effektivität, Effizienz und Schlagkraft der touristischen Organisationen erreichen. Dazu müssen Anpassungen im touristischen System des gesamten Bundeslandes vorgenommen werden, um schlagkräftigere Verbandsstrukturen zu schaffen und die Marketing-Wirkungen zu maximieren“, erklärt er näher. Für ihn ist klar: „Wir haben derzeit zu viele eingemeindige Tourismusverbände. Marktfähige Mindestgrößen bei den Verbandsstrukturen sind daher unser Ziel.“ Diese marktfähigen Größen müssen erst definiert werden.
Die geplanten Änderungen werden im Rahmen einer Novellierung des oö. Tourismusgesetzes festgeschrieben. Der Landtag wird diese Novelle voraussichtlich Mitte 2017 beschließen. „Ich setze hier auf die Einsicht der Betroffenen, dass größere, marktfähige Tourismusverbände auch effizientere Arbeit und vor allem erweiterte Ressourcen zur Umsetzung auch größerer Projekte bedeuten. Aber es ist klar, dass diese Veränderungen einen intensiveren Überzeugungsprozess erfordern werden, den wir auch mit einem Anreizsystem verknüpfen werden“, ergänzt der Landesrat.
Positives Beispiel Böhmerwald
Das Beispiel Böhmerwald zeigt, wie es funktionieren kann. „Dort, wo ein kräftiger Tourismusverband geschaffen wurde, in dem sich hauptberuflich jemand mit dem Thema beschäftigt, hat sich das bezahlt gemacht. Der Böhmerwald mit seinen 14 Gemeinden hat sich sehr gut entwickelt“, bestätigt TVB-Geschäftsführer Reinhold List. Allerdings räumt er ein: „Es muss überschaubar bleiben und die Identität darf nicht verloren gehen, denn sonst fühlen sich Gemeinden nicht mehr zugehörig.“ Ziel sei in erster Linie mehr Budget für Marketingmaßnahmen – das dürfe dann nicht durch vermehrten Verwaltungsaufwand verloren gehen, ergänzt List.
Überschaubar bleiben
Während in vielen Gemeindestuben der Tourismusverband eingegliedert ist und somit die Arbeit von den Gemeindebediensteten miterledigt wird, hat Neustift eine eigene Geschäftsführerin: Irene Rosenberger-Schiller kann einer Bündelung der Kräfte durchaus etwas abgewinnen – wenn es um Marketing, globale Werbung, Präsentation nach außen geht. Sie befürchtet allerdings, dass man „als Kleinstregion in großen Verbänden untergeht. Je größer die Region, umso unüberschaubarer wird es für den Gast, aber auch für die einzelnen Gemeinden. Daher ist die künftige Größe des Verbandes oder der Region ein wichtiges Faktum“, will sie nicht von großen Verbänden geschluckt werden.
Neustift ist der größte der kleinen Verbände im Bezirk und mit knapp 27.500 Nächtigungen (im Jahr 2015) eine bedeutende Tourismusgemeinde des Landes. Allerdings ist der Tourismus hier sehr sommerorientiert, so wie generell im Bezirk Rohrbach. „Wir können die Möglichkeiten der Wintersaison nicht mit dem Sommertourismus gleichsetzen. Deshalb ist auch der Vergleich mit Tirol oder Kärnten müßig“, sagt Rosenberger-Schiller. Und ergänzt: „Viele Nächtigungen sind nur dann möglich, wenn es viele Unterkunftsgeber gibt. Wir können nicht mehr Betten füllen, als zur Verfügung stehen.“ Ziel müsse es deshalb sein, die Saison auf Frühjahr und Herbst auszudehnen. Sie kann sich auch schwer vorstellen, wie die unterschiedlichen Strukturen optimal verbunden werden sollen. „Der schlimmste Fall wäre, wenn der Tourismusverband einfach einer Region zugeordnet wird – das muss nachvollziehbar, nach außen vertretbar und für die Gemeinde tragbar sein.“
Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.
Jetzt anmelden