Ober-Grafendorfs Pfarrer Emeka Emeakaroha führt Hilfsprojekte in seiner Heimat Nigeria durch
OBER-GRAFENDORF/UMUNOHU. Ober-Grafendorfs Pfarrer Emeka Emeakaroha lud heuer wieder zu einer Kulturreise in seinen Heimatbezirk Umunohu-Amakohia-Ihitte nach Nigeria ein. Tips-Redakteur Thomas Lettner war Teil der zwanzigköpfigen Reisegruppe, die ihn von Ende Juli bis Anfang August für eineinhalb Wochen in das exotische Land am Golf von Guinea begleitete.
Am Flughafen Wien-Schwechat checkten wir neben unserem Gepäck auch 24 Packungen mit Schulsachen, Spielzeug und vielen anderen Geschenken für die Kinder in Umunohu ein. Einige von uns hatten Pfarrer Emeakaroha schon mehrmals begleitet und wussten, was auf sie zukommt. Für mich und die meisten anderen war es ein Aufbruch ins Ungewisse. Ich hatte einige Bedenken, da ich gehört hatte, dass Nigeria besonders aufgrund der terroristischen Aktivitäten der islamistischen Boko Haram an dritter Stelle weltweit rangiert. Diese sollten sich aber als unbegründet herausstellen. Wir flogen in ein Gebiet im Südosten des Landes, das zu 90 Prozent von Christen bewohnt ist und als sicher gilt.
Ständig von Polizisten bewacht
In Paris-Charles de Gaulle stiegen wir in das Flugzeug in die nigerianische Hauptstadt Abuja um. Nach einem sechsstündigen Flug und einem kurzen Zwischenstopp ging es weiter nach Port Harcourt, einer am Meer gelegenen Stadt mit 2,5 Millionen Einwohnern. Ein kurzer gepflasterter Weg führte uns in die „Empfangshalle“, ein großes weißes Zelt ähnlich einem Bierzelt bei einem Frühschoppen. An der Wand hingen Plakate mit der Aufschrift „Don“t give corruption a chance“, trotzdem wurden einige von uns von den Mitarbeitern heimlich nach Dollars gefragt. Leider stellte sich heraus, dass mein Koffer nicht rechtzeitig in Paris umgeladen worden war und er erst einen Tag später ankommen würde. Nach drei Stunden konnten wir den chaotischen Flughafen endlich hinter uns lassen und stiegen in den Bus ins Grand View Hotel. Von nun an wurden wir auf Schritt und Tritt von mit AK 47 Kalaschnikows bewaffneten Polizisten bewacht.
Empfang beim Gastgeber
Am nächsten Tag ging es weiter in Pfarrer Emeakarohas Heimatgemeinde Umunohu. Auffallend war von Anfang an, dass wir für die Nigerianer eine mindestens so große Attraktion darstellten wie sie für uns. Überall, wo wir hinkamen, wurde uns schon von weitem zugewinkt. Auf der vierstündigen Fahrt machten wir einen kurzen Zwischenstopp in Owerri, der Hauptstadt des Bundesstaats Imo State, wo wir die Kathedrale Maria Asumpta besichtigten. Auf der Strecke passierten wir viele Polizei-Checkpoints und wurden erstmals mit den Verkehrsgewohnheiten der Nigerianer vertraut. Auf den Straßen sind auffallend viele deutsche Autos aus den 90er Jahren wie VW Passat oder VW Jetta unterwegs, die behelfsmäßig zusammengezimmert werden. Die Motorräder – meistens handelt es sich dabei um die Marken QLink, Daylong oder Hadjin – stammen aus Asien. In Umunohu angekommen gab uns Chief Eugene Emekaroha, der Vater unseres Pfarrers und gleichzeitig unser Gastgeber, einen herzlichen Empfang. Anschließend wurden wir von Schneidern vermessen und durften aus einem Katalog eine traditionelle nigerianische Tracht auswählen.
Gesunde Ernährung
Am Donnerstag besuchten wir den Wochenmarkt in Umunohu. Die Waren, die wir dort kauften, bezahlten wir in Neira, der nigerianischen Nationalwährung. Nach dem Abendessen konnten wir unsere bereits fertige Tracht anprobieren. Zum Essen sei gesagt, dass es sehr viel Obst, Gemüse und Fisch, aber wenig Fleisch gibt. Der Südosten Nigerias verfügt über eine üppige Vegetation, und die Menschen in Umunohu leben hauptsächlich von der Landwirtschaft. Zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit schlug dann das Pech zu. Ich wurde krank, was wohl an den vielen Klimaanlagen und den während der Regenzeit kühleren Temperaturen lag. Meinen Koffer bekam ich allerdings zurück. Den nächsten Tag verbrachte ich im Bett und verpasste damit den Besuch beim Gouverneur in Owerri. Laut den anderen Teilnehmern soll dieser sehr pompös gewesen sein und einem Staatsempfang geähnelt haben, was meine Laune nicht gerade besserte.
Schule eröffnet im Herbst
Am Samstag schleppte ich mich mühsam auf die Beine. Am Programm standen der Besuch eines Steinbruchs mitten im nigerianischen Busch und die Besichtigung einer Schule, die Pfarrer Emeka mit seiner Foundation gegründet hat. Im Steinbruch – oder besser gesagt, der Steinausgrabungstelle – trafen wir eine am Boden sitzende Frau, die mühsam mit einem Hammer die harten Steine zertrümmerte. Als ihr unsere mitleidsvollen Blicke auffielen, sagte sie nur „I“m happy, I“m happy“. Überhaupt wirken die Nigerianer sehr zufrieden und glücklich. Auch ihre Freundlichkeit ist beachtenswert. Die Schule ist nach zwei Jahren Bauzeit fast fertig. In den Klassenräumen fehlen allerdings noch großteils die Böden, die Fenster und die Möbel. Trotzdem wird sie im Herbst eröffnen.
Freude bei Dorfkindern
Am Sonntag nahmen wir an der Heiligen Messe in St. Peter“s Parish in Umunohu teil. Die Messen in Nigeria sind viel lebensfroher und abwechslungsreicher als bei uns. Sogar ein kurzes zur Lesung passendes Kabarett wurde aufgeführt. Der Nachteil ist, dass sie drei Stunden oder mehr dauern können. Am Nachmittag wurde die Geschenkestraße aufgebaut. Unter lautem Tumult nahmen 820 Dorfkinder – ein neuer Rekord – im Hof unsere mitgebrachten Geschenke in Empfang.
Besuch beim Bischof
Zu Fuß ging es am Montag ins Madonna Austrian Hospital Ihitte, das ebenfalls von der Emeka Emeakaroha Foundation errichtet wurde. Das Krankenhaus verfügt unter anderem über eine kleine Geburten- und eine Augenstation, in der Grauer Star-Operationen durchgeführt werden. Am Tag darauf besichtigen wir das Biafra War Museum in Umuahia. Ursache des Krieges war der Versuch des Stammes Igbo, die Unabhängigkeit vom Rest Nigerias zu erlangen, was jedoch nicht gelang. Danach besuchten wir Bischof Amatu, das Oberhaupt der Diözese Okigwe. Neben dem Bischofssitz wird ein riesiger Dom gebaut, der dem Kolosseum in Rom nachempfunden ist. Baubeginn war 1982, und bisher wurde nur der Rohbau fertiggestellt. Am Abend durfte ich mir mein Patenkind aussuchen. Die Kinder-Patenschaften sind eine weiteres wichtiges Projekt der Emeakaroha Foundation. Für 100 Euro pro Jahr kann ein Kind ein ganzes Jahr zur Schule gehen.
Der Medizinmann
Am Mittwoch führte uns ein Palmenkletterer vor, wie Kokosnüsse von Palmen geerntet werden. Außerdem zeigte uns ein Bauer, wie Palmölkerne maschinell zerkleinert werden. Am letzten Tag unserer Reise schauten wir beim Medizinmann von Umunohu vorbei, der uns einige seiner Hausmittelchen präsentierte. Anschließend konnten wir auf einem Markt einkaufen. Abends durften wir bei einer Motorradausfahrt teilnehmen. Mit einer großen Abschiedszeremonie und gemischten Gefühlen ließen wir den letzten Tag ausklingen.
Fazit
Der Teil Nigerias, in dem wir unterwegs waren, wirkt wie eine Paralleldimension zu der uns bekannten kapitalistischen Welt. Industrie gibt es so gut wie keine, und Jobs sind absolute Mangelware. Zwischen Arm und Reich klafft ein großes Loch, Mittelstand scheint es keinen zu geben. Mit ihrer Arbeitseinstellung und den kaum vorhandenen Bildungsmöglichkeiten wird das Land wohl noch lange den westlichen Standards hinterherhinken und gezwungen sein, fortschrittliche Technologie aus dem Ausland zu importieren. Die Emeakaroha Foundation ist zwar nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber weit besser als nichts. Trotz der Armut wirken die Menschen in Nigeria aber glücklicher und zufriedener als bei uns. Wörter wie Stress und Burnout scheinen in ihren Sprachen nicht zu existieren. Von dieser Gelassenheit und Ruhe könnten wir Mitteleuropäer uns eine Scheibe abschneiden.
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