Antirassismus: „Es gibt keinen politischen Islam“
LINZ/OÖ. Die Dokustelle Österreich verzeichnete 2022 1324 Fälle von antimuslimischem Rassismus, 49 davon in Oberösterreich. Die meisten Fälle fanden online statt, am häufigsten kam es zu Ungleichbehandlung und Beleidigung. Betroffene finden bei der Dokustelle psychologische Unterstützung sowie rechtlichen Beistand.

In Österreich bekennen sich 746.000 Menschen zum Islam, für viele von ihnen gehören Rassismuserfahrungen zum Alltag. Ob in der Straßenbahn, bei der Wohnungssuche oder am Arbeitsplatz, die Vertreterinnen der Dokustelle für Islamfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus nehmen eine Abwehrhaltung gegenüber Muslimen wahr. „Es genügt, Ahmed als Name zu haben, Kopftuch zu tragen oder nicht perfekt Deutsch zu sprechen, um Rassismus zu erfahren“, so Rumeysa Dür-Kwieder, Leiterin der Dokustelle für antimuslimischen Rassismus und Islamfeindlichkeit. Es sei ein strukturelles Problem.
Sichtbarkeit schaffen
Geladen vom Linzer Verein Maiz von und für Migranten und präsentierten Dür-Kwieder, Rechtsberaterin Dunia Khalil und Ümmü Selime Türe, psychosoziale Beraterin der Dokustelle präsentierten den 8. Antimuslimischen Rassismus-Report heuer erstmals in Linz. Die Organisation wurde 2014 von zwei Muslima „aus der Notwendigkeit heraus“ gegründet, da es bis dato keine Zahlen zu antimuslimischem Rassimus in Österreich gab. „Das oberste Ziel war, die Lebensrealität der Menschen aufzufangen, die sonst nicht sichtbar sind“, betont Türe. Betroffene oder Zeugen rassistischer Aktionen können sich über das Meldeformular, per Email oder telefonisch melden, der Service ist auf mehreren Sprachen und auch anonym verfügbar.
1324 Rassimusfälle
Im Jahr 2022 sind der Dokustelle 1324 Fälle gemeldet worden, mehr als 80 Prozent davon fanden online statt. In Oberösterreich wurden 49 Fälle verzeichnet, das ist nach Wien mit 112 Meldungen der mit Abstand höchste Wert. Das liege daran, dass Mitarbeiter der Dokustelle hier in Linz gut vernetzt sind und viel melden. „Die Zahlen sind nicht repräsentativ. Wenn nichts gemeldet wird, heißt das nichts, dass nichts passiert ist“, erklärt Khalil. Die Grauzonen sind schwer messbar zu machen, da viele Vorfälle gar nicht gemeldet werden.
„Wir hören zu“
Neben der Datenerfassung bietet die Dokustelle betroffenen Personen auch rechtlichen sowie psychologischen Beistand bei rassistisch motivierten Übergriffen und überlegt nach Handlungsmöglichkeiten. Vertreter der Organisation gehen beispielsweise mit Personen an die Orte, wo ihnen Rassismus widerfahren ist, wenn dort wie zum Beispiel in Bildungseinrichtungen oder Behörden Machtstrukturen herrschen, und klären auf.
Anonymität fördert Hass
Besonders politische Diskurse wie beispielsweise das Kopftuchverbot für Lehrkräfte oder die Polizeiintervention „Operation Luxor“ würden regelrechte Hasswellen schüren. Vor allem in Linz sind antimuslimische Beschmierungen aufgefallen. „Die Täter nutzen ihre Anonymität im öffentlichen Raum aus“, so Khalil. Knapp 40 Prozent der gemeldeten Fälle fanden im öffentlichen Raum statt, 16 Prozent im Bildungsbereich. Auch soziale Medien bieten durch die Anonymität einfache Möglichkeiten, Hass und Wut Luft zu machen. 1080 Fälle von Hass im Netz oder Verhetzung sind in Kommentarspalten aufgefallen.
Medienwirkung
„Wir wünschen uns, dass das Thema politisch angeschnitten wird, sodass wir Maßnahmen setzen können.“ Dür-Kwieder plädiert für eine offizielle Kriminalisierung von Rassismus, der bisher nicht explizit strafbar ist. Zwar sind manche Fälle als Beleidigung oder Verhetzung rechtswidrig, abwertende Aussagen, Stereotype oder Gewaltverherrlichung sind jedoch nicht strafbar.
Der Report zeigt auf, dass dreimal so viele Frauen wie Männer von Rassismus betroffen sind. Die Dokustelle analysiert auch, wie Muslime medial dargestellt werden und kritisiert die Pauschalisierung. „Was auffällt, ist die Bebilderung in den Medien, muslimische Frauen mit Kopftuch werden oft von hinten dargestellt, was sehr passiv wirkt. Wir sind keine passiven Objekte, wir sind aktive Mitglieder der Gesellschaft“, bemerkt Türe. „Den einen, politischen Islam gibt es nicht. Wir sind alle unterschiedliche Individuen.“
Mail: beratung@maiz.at
Tel.: 0732/776070
Gleichstellungsanwaltschaft Oberösterreich
Mail: gaw@bka.gv.at
Tel.: 0800/206119
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