Roswitha Kröll: Konflikte sollen nicht vermieden werden
OÖ. Laut einer Studie der Universität Wien hat die Konflikthäufigkeit seit der Pandemie in etwa einem Viertel der Familien zugenommen. Häufiger sind Konflikte bei Alleinerziehenden und bei Familien mit zwei und mehr Kindern. Weshalb es derzeit zu vielen Konflikten kommt und wie am besten mit ihnen umgegangen werden soll, berichtet Roswitha Kröll. Sie ist Erwachsenenbildnerin, Kommunikationstrainerin und macht derzeit eine Ausbildung zur Trainerin für gewaltfreie Kommunikation.
Ein Konflikt bedeutet für Kröll, dass mindestens zwei Bedürfnisse der Beteiligten zu kurz kommen und Handlungsebenen als unvereinbar angesehen werden. Das ist in Krisenzeiten häufig der Fall, da Sicherheit und Planbarkeit wegfallen, was Stress verursachen kann. Häufig ändert sich auch der Tagesrhythmus für Familien, wenn Kinder nicht mehr in den Kindergarten oder in die Schule gehen. Hinzu kommt, dass es Menschen oftmals nicht gewohnt sind, so viel gemeinsame Zeit in den eigenen vier Wänden zu verbringen. Menschen seien Autonomie und Freiwilligkeit laut Kröll tendenziell wichtig. Da die aktuellen Maßnahmen der Regierung dies gefühlt einschränken, könne es schwierig sein hier eine Balance zu finden. Wer denkt, jetzt eingesperrt zu sein und dabei keine Hintergründe beachtet, kann damit Konflikte begünstigen.
Negative Gedanken und Stress begünstigen Konflikte
Zusätzlich zu negativen Gedanken spielt auch Stress eine Rolle. Wer gestresst ist, hört Dinge vielleicht anders als sie jemand gesagt hat, und geht eher in den Modus „Angriff oder Flucht“, meint die Kommunikationstrainerin. Eine Herausforderung für Konflikte sei es außerdem, dass Menschen nicht immer gelernt hätten, sich selbst und anderen gut zuzuhören beziehungsweise auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Wer rund um die Uhr beschäftigt ist, nimmt seinen Körper weniger wahr.
In der Advent- und Weihnachtszeit werden Konflikte weiter zunehmen, vermutet Kröll. Sie wendet jedoch ein, dass Konflikte nichts seien, vor dem man sich fürchten müsse. „Konflikte gehören zu unserem Leben. Zentral ist die Frage, wie damit umgegangen wird“, hält die Erwachsenenbildnerin fest. Sie empfiehlt, sich ein Treffen oder Gespräch zu einem Zeitpunkt auszumachen, an dem die Beteiligten halbwegs entspannt sind. Hilfreich sei es, sich darauf vorzubereiten, indem man sich etwa Fragen stelle, was einem wichtig sei und worum es einem gehe. Die andere Person kann nicht aus dem bloßen Verhalten ableiten, wie es dem Gegenüber geht und was es in der Situation braucht. Zudem sollten zugrunde liegende Überlegungen und klare Bitten, die sich auch umsetzen lassen, formuliert werden. Auf diese Weise kann es etwa zu Lösungen kommen, die nicht sofort auf der Hand liegen. Kann nicht gleich eine Lösung gefunden werden, helfe es auch über das Befinden zu sprechen. „Wenn verschiedene Menschen aufeinander treffen, braucht es immer Verhandlungen. Nichts zu sagen tut jedenfalls nicht gut“, ist Kröll überzeugt.
Vermeidung kann erst recht zu Konflikt führen
Das Vermeiden eines Konflikts könne erst recht zu einem führen. Als Beispiel für ein Konfliktgespräch nennt Kröll ein Kind, das die Musik laut aufdreht, während die Mutter Ruhe haben möchte. Hier helfe es, über die Bedürfnisse zu sprechen und für beide Seiten Verständnis aufzubringen. Anschließend könne man sich auf einen Kompromiss, etwa dass das Kind mit Kopfhörern laut Musik hört, einigen.
Bei wiederkehrenden Konflikten kann auch ein nahestehender Mensch als neutrale Person eingeladen werden. Wenn Konflikte gewalttätig werden, sollte man sich jedenfalls Hilfe von außen holen, schließt Kröll.
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