Gewalt am Arbeitsplatz seit Ausbruch der Pandemie verschärft
LINZ/OÖ. Gewalt und Konflikte am Arbeitsplatz werden oftmals als individuelle Probleme zwischen zwei oder mehr Personen abgetan. In der Praxis hätten sie jedoch strukturelle oder organisatorische Ursachen, berichtet die Arbeiterkammer (AK) Oberösterreich (OÖ). Sie hat eine Studie zu Gewalt am Arbeitsplatz durchgeführt. Zentrales Ergebnis ist, dass Beschimpfungen, Beleidigungen und Mobbing seit Ausbruch der Pandemie zugenommen haben.
Die Studie „Berufsrisiko Gewalt. Ursachen/Folgen/Handlungsmöglichkeiten“ der AK OÖ liefert neue Ergebnisse zu Gewalt am Arbeitsplatz. So waren im vergangenen Jahr sieben Prozent der befragten Arbeitnehmer von physischer Gewalt betroffen, acht Prozent wurden Zeugen körperlicher Gewalt. Schlechter sieht es bei anderen Formen von Gewalt aus. Ein Drittel der Beschäftigten in Österreich war schon von übler Nachrede, Tuscheln oder Gerüchten betroffen. 15 Prozent haben Ausgrenzung erlebt, elf Prozent Mobbing und Drohungen. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie habe sich die Situation laut AK OÖ nochmals verschärft. Beschimpfungen, Beleidigungen, Mobbing und üble Nachrede haben um jeweils zehn Prozentpunkte zugenommen.
Unterschiede zwischen den Geschlechtern
Ein Vergleich der Geschlechter zeige, dass Männer eher von physischer und Frauen verstärkt von psychischer Gewalt betroffen seien, berichtet Arbeitspsychologin Eva Mandl. Von sexualisierter Gewalt von der Belästigung bis zum Übergriff seien vor allem Frauen unter 30 Jahren betroffen. Ein Beispiel ist eine junge Verkäuferin aus dem Raum Linz, deren Chef ihr im Beisein anderer auf die Brüste gegriffen und sexuelle Bemerkungen gemacht hat. Gewalt und Konflikte am Arbeitsplatz seien weniger ein individuelles Problem, sondern vielmehr auf strukturelle und organisatorische Ursachen zurückzuführen, hält AK OÖ Präsident Johann Kalliauer fest. So würden überfüllte, enge Räume, Nachtarbeit, Arbeits- und Leistungsdruck, aber auch schlechtes Führungsverhalten Gewalt am Arbeitsplatz begünstigen.
Weniger Arbeitsmotivation und Leistung
Die Folgen von Gewalt und Mobbing am Arbeitsplätz würden laut AK OÖ von körperlichen und psychischen Schäden bis zum Verlust der Arbeitsfähigkeit reichen. So können einerseits das Stressempfinden und die Fluktuation zunehmen, anderseits Arbeitsmotivation, Leistung und Produktivität abnehmen. Wenn das Arbeitsklima schlechter wird und sich mehr Arbeitsunfälle ereignen, sind auch Teams, Unternehmen und ganze Branchen betroffen. „Unternehmen haben die gesetzlich verankerte Fürsorgepflicht und müssen sich permanent um die physische und psychische Unversehrtheit ihrer Beschäftigten kümmern. Es liegt in ihrer Verantwortung, die Prävention von Gewalt und den Umgang mit Gewalt ernst zu nehmen sowie Maßnahmen zu setzen, um Gewalt zu verhindern. Die Beschäftigten brauchen gewaltfreie Arbeitsplätze, kompetente Führungskräfte und klare Regelungen in Form von Betriebsvereinbarungen“, sagt Kalliauer.
Handlungsmöglichkeiten: Von mehr Personal bis zu Betriebsvereinbarungen
Beschäftigte hätten ein Recht auf Schutz ihrer Gesundheit und ihres Wohlbefindens. Um Gewalt zu verhindern, sollten mehrere Maßnahmen gesetzt werden. Dazu zählt die AK OÖ unter anderem ausreichend Personal, um Zeit- und Arbeitsdruck und somit das Risiko von Gewalt zu senken, Rückzugsmöglichkeiten, eine entsprechende Ausbildung der Führungskräfte zum Umgang mit Konflikten, Gewalt und Mobbing, aber auch Informationen für Beschäftigte und Betriebsvereinbarungen. In Unternehmen mit Betriebsrat sollen Betriebsvereinbarungen zum Schutz vor Aggression und Gewalt am Arbeitsplatz sowie zur Etablierung von Mobbingpräventionsmaßnahmen abgeschlossen werden. Mit Informationen sind innerbetriebliche Leitlinien, Sensibilisierungskampagnen, regelmäßige Schulungen zum Umgang mit Konflikten und respektvollem Umgang gemeint. Arbeitnehmer müssten wissen, wie sie Gewaltsituationen vermeiden oder in schwierigen Situationen handeln können. „Und wenn das alles nichts hilft und Beschäftigten in der Arbeit Gewalt widerfährt, dann ist der Arbeitgeber im Rahmen der Fürsorgepflicht verantwortlich, die Betroffenen zu schützen und zu unterstützen. Dafür braucht es medizinische oder psychologische Angebote zur Nachsorge sowie das Recht auf einen Schadenersatz“, schließt Kalliauer.
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