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CO2-Bepreisung und Klimabonus: Wie funktioniert's und wer ist betroffen?

Tips Logo Marlis Schlatte, 03.12.2021 09:33

OÖ. Am 3. Oktober wurde die Ökosoziale Steuerreform von der Bundesregierung vorgestellt und seit dem viel diskutiert. Inhalte wie die CO2-Bepreisung sowie der Klimabonus werfen viele Fragen und Kritiken auf. Tips nahm die neue CO2-Steuer, die eigentlich gar keine Steuer ist, beim Online-Nachhaltigkeitsstammtisch des Ökosozialen Forums OÖ mit Gastreferent Daniel Varro, Kabinettchef im Finanzministerium, genauer unter die Lupe.

Ein großer Teil der in Österreich verursachten Emissionen soll mit der CO2-Steuer bepreist werden. (Foto: FrankHH/Shutterstock.com)
Ein großer Teil der in Österreich verursachten Emissionen soll mit der CO2-Steuer bepreist werden. (Foto: FrankHH/Shutterstock.com)

Schlechtes Verhalten soll bepreist werden, wenn es im Sinne der Gesamtbevölkerung ist. So also nun auch das Verursachen umweltschädlicher Emissionen. Die CO2-Bepreisung ist Teil der Ökosozialen Steuerreform, die nun in Österreich bevorsteht.Es gibt verschiedene Systeme, die Länder bei der Bepreisung von CO2-Emissionen anwenden. Einige Länder haben eine CO2-Bepreisung mit Emissionshandel andere wiederum eine CO2-Steuer. Auch beide Varianten gleichzeitig können vorkommen, was insbesondere in Europa der Fall ist. Denn im Bereich der Industrie gibt es beispielsweise bereits einen Emissionshandel. Länder wie Kasachstan, China, Argentinien, Kanada und Teile der USA haben daneben auch noch eine CO2-Steuer eingeführt. Und das soll jetzt auch in Österreich umgesetzt werden.

50 Millionen Tonnen CO2 unbepreist

In Österreich betrugen die Gesamtemissionen im Jahr 2019 rund 80 Millionen Tonnen CO2. Für 2020 ist die Treibhausgasinventur noch nicht vollendet, jedoch nimmt man hier einen Wert von 73,7 Millionen Tonnen an. Ob die Reduktion auf die Pandemie oder auf wirklich nachhaltige Verbesserungen zurückgeht, ist fraglich.Von den 80 Millionen Tonnen CO2 (2019) werden 30 Millionen aus dem Bereich Energie und Industrie bereits im Europäischen Emissionshandel bepreist. Bei der Umsetzung der Österreichischen Ökosozialen Steuerreform blendet man diesen Teil aus und konzentriert sich auf den übrigen Teil (50 Millionen Tonnen), der nicht durch den Europäischen Emissionshandel abgedeckt ist und noch keine Bepreisung bekommen hat. Das betrifft die Bereiche Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, einen weiteren Teil der Energie und Industrie, Abfallwirtschaft und Fluorierte Gase. Ziel ist es, eine Reduktion bis 2030 von 36 Prozent (eventuelle Ausweitung auf 48 Prozent) zu erreichen.

Steuer, die keine Steuer ist

Österreich reagiert hier nun mit der Einführung eines CO2-Preises von 30 Euro pro Tonne. Doch eigentlich kann man hier nicht direkt von einer Steuer sprechen. Vielmehr handelt es sich um einen Zertifikatehandel. Das hat vor allem zwei Gründe: Laut Varro ist es volkswirtschaftlich bewiesen, dass ein Emissionshandel deutlich besser zum Ziel führt, da die Möglichkeit besteht, die Anzahl der Zertifikate zu beschränken. Außerdem liegt auf EU-Ebene im Bereich des Steuerrechts Unstimmigkeit vor. Damit ist der Zertifikatehandel auch aus diesem Blickwinkel einfacher Durchzuführen als eine Steuer.

Für Österreich bedeutet das nun Folgendes: Ein Teil der Emissionen aus dem Bereich Energie und Industrie (nämlich 37,1 Prozent der Gesamtemissionen in Österreich) wird bereits im Emissionshandel bepreist. Mit der Ökosozialen Steuerreform sollen in Österreich nun auch die Bereiche Verkehr (30,1 Prozent), Gebäude (10,2 Prozent) und ein weiterer Teil der Energie und Industrie (5,1 Prozent) bepreist werden. Ausgenommen bleiben die Landwirtschaft (10,2 Prozent der österreichischen Gesamtemissionen), die Abfallwirtschaft (2,9 Prozent), Fluorierende Gase (2,8 Prozent) und ein übriger kleiner Teil der Energie und Industrie (1,6 Prozent).

Zertifikate für Import

45,4 Prozent der Emissionen in Österreich werden nun also zusätzlich bepreist. Doch wen betrifft das nun eigentlich? Die Bevölkerung, also die Endkunden, betrifft es nur indirekt. Direkt betroffen sind hingegen die Inverkehrbringer. Das sind diejenigen, die fossile Energieträger nach Österreich importieren und hier in Verkehr bringen. Diese Unternehmen (die Anzahl bewegt sich im Bereich zwischen 500 und 2000 Inverkehrbringer) sollen vom NEHG erfasst werden - dem Nationalen Emissionszertifikatehandelsgesetz.

Die betroffenen Unternehmen müssen sich registrieren und jeweils bis zum 30. Juni des Folgejahres einen Treibhausgasemissionsbericht einreichen. Darin muss genau angegeben werden, wie viel das Unternehmen importiert und in Österreich in Verkehr gebracht hat. Dazu gibt es dann noch ein Prüfgutachten, um zu prüfen, ob die angegebenen Werte richtig sind.Laut dem Experten sei die Erstellung eines solchen Berichtes für Unternehmen keine allzu große Hürde, da die Menge der CO2-Emissionen verschiedener Produkte bekannt sind und das am Ende eine relative klare Berechnung ist. Beispielsweise weiß man, wenn man 1 Liter Öl importiert und daraus Benzin oder Diesel herstellt, wie viel CO2 das verursacht. Der Bericht wird dann abgegeben und für die jeweils inverkehrgebrachte Menge Zertifikate gekauft. Das Ziel ist außerdem, dass Zertifikate nicht jeder erwerben kann, sondern nur jene, die auch etwas emittieren. Dadurch sollen Spekulationen mit den Zertifikaten vermieden werden.

Landwirtschaft und andere Ausnahmefälle

Warum wird nun die Landwirtschaft von der CO2-Bepreisung ausgenommen? Zum einen muss gesagt werden, dass hier nicht etwa die Traktoren gemeint sind, denn die fallen in den Verkehrssektor, sondern etwa das entstehende Methan bei der Fleischproduktion. Varro erklärt die Ausnahme diesen Bereichs damit, dass die regionale Landwirtschaft eine wiederum ökologische Maßnahme sei und man hier in einem ganz anderen Wettbewerbsverhältnis stehe. Wenn nun eine zusätzliche Besteuerung kommen würde, würde sich das wiederum auf die heimischen Lebensmittelpreise auswirken und gleichzeitig ausländische Lebensmittel (ohne CO2-Bepreisung) noch billiger werden.

Für den Teil des Bereichs Industrie und Energie, der nun vom bereits bestehenden Emissionshandel sowie von der neuen Ökosozialen Steuer in Österreich ausgenommen ist, gibt es bestimmte Gründe. Beispielsweise soll in Wirtschaftsbereichen, die in erhöhtem Wettbewerb stehen, verhindert werden, dass die Unternehmen über die Grenze abwandern. Die betroffenen Bereiche, unter anderem Hersteller von Zement, wurden bereits von der EU auf einer Liste definiert. Für sie gibt es eine Rückerstattung von 65 bis 95 Prozent (Carbon-Leakage-Regelung).Und auch für Unternehmen, die besonders hohe Energiekosten im Verhältnis zu den Gesamtbetriebswirtschaftlichen-Kosten haben (15 Prozent), sollen einen Teil rückerstattet bekommen (Härtefall-Regelung).

Klimabonus

Das Paket ist nun bis zum 6. Dezember in Begutachtung und wird dann mit dem Koalitionspartner diskutiert und Stellungnahmen eingearbeitet. Im Gesetz würde es dann theoretisch im ersten Quartal nächsten Jahres stehen. Um die zusätzliche Steuerlast abzufedern, die sich ja nun auch indirekt auf den Endkäufer auswirkt, wird in diesem Zuge außerdem der Klimabonus eingeführt. Dieser wird nach regionalen Kriterien, wie etwa dem Standort der Wohngemeinde, Verfügbarkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln sowie anderer Faktoren wie der Notwendigkeit des Pendelns und der Kinder- oder Krankenbetreuung vergeben. Zuschüsse sind in der Staffelung 100, 133, 167 oder 200 Euro möglich. Die Verteilung wurde von unterschiedlichen Seiten stark kritisiert und als unverhältnismäßig zu den neuen steuerlichen Maßnahmen gesehen. Erste Stimmen und Reaktionen nach der Vorstellung der Ökosozialen Steuerreform können hier nachgelesen werden: www.tips.at/n/547306


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