Mehr Oberösterreicher als noch vor der Pandemie greifen regelmäßig zum Alkohol
LINZ/OÖ. In Oberösterreich gibt es schätzungsweise 60.000 alkoholkranke Menschen und weitere 120.000 Personen, die Alkohol in einem problematischen Ausmaß konsumieren. Jede dritte Person konsumiert mehrmals pro Woche Alkohol. Die „Dialogwoche Alkohol“ von 8. bis 14. Mai soll dazu anregen, über das Thema offen zu sprechen und den eigenen Umgang mit Alkohol ehrlich und selbstkritisch zu hinterfragen.
Die „Österreichische Dialogwoche Alkohol“ findet vom 8. bis 14. Mai 2023 zum vierten Mal statt und lädt zu offenen Gesprächen und sachlicher Information über Alkoholkonsum ein. Ziel ist es, problematische Konsummuster aufzuzeigen, Wissenslücken zu schließen und einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol zu fördern. Die Dialogwoche wird vom Gesundheitsministerium gefördert1 und in Oberösterreich vom Institut Suchtprävention, pro mente OÖ in Kooperation mit dem Land OÖ und der ÖGK koordiniert.
Zahlreiche kostenlose Veranstaltungen finden statt
In der Dialogwoche finden in ganz Österreich zahlreiche Veranstaltungen statt, die kostenlos und offen für alle Interessierten sind. Dazu gehören Informations- und Beratungsangebote für verschiedene Zielgruppen wie Gesundheits- und Sozialbereich, Jugendarbeit, Schule, Betriebe, Eltern, Jugendliche, Betroffene und Angehörige. Ein detaillierter Veranstaltungsüberblick ist auf der Website der Initiative unter www.dialogwoche-alkohol.at einsehbar.
Aktuelle Alkoholdaten für Oberösterreich
Das Institut Suchtprävention von pro mente OÖ kann pünktlich zur Dialogwoche Alkohol wieder aktuelle und exklusive Zahlen und Daten zum Thema Alkohol für Oberösterreich präsentieren. Das Datenmaterial stammt aus der zeitgleich veröffentlichten „Österreichischen Repräsentativerhebung zu Konsum- und Verhaltensweisen mit Suchtpotential 2022“, durchgeführt vom Kompetenzzentrum Sucht der Gesundheit Österreich GmbH und vom Gesundheitsministerium sowie vom Bundesministerium für Finanzen beauftragt.
Für diese Online-Erhebung wurden Daten von 1.017 Befragungsteilnehmenden (ab 15 Jahren) in Oberösterreich ausgewertet. Die Datensätze wurden so gewichtet, dass sie nach den Variablen Alter und Geschlecht einer repräsentativen Auswahl der oberösterreichischen Wohnbevölkerung entsprechen. Die Befragung wurde im Sommer 2022 durchgeführt.
Die wichtigsten Ergebnisse der Befragung:
- Im Zentrum der aktuellen Befragung stand die Erhebung des Alkoholkonsums in unterschiedlichen Phasen der Pandemie: unmittelbar vor Beginn der Coronakrise (Jänner bis Februar 2020), nach Beginn der Coronakrise (ab März 2020) und aktueller Konsum (die letzten vier Wochen).
- Während zwar die überwiegende Mehrheit der Befragten (66,1 %) maximal einmal pro Woche oder seltener alkoholische Getränke konsumiert, zeigt sich jedoch auch, dass aktuell rund jede dritte Person (33,9 %) in Oberösterreich mehrmals pro Woche Alkohol trinkt. Vor der Pandemie gaben dies 29,7 % der Befragten an, während der Pandemie stieg dieser Wert auf 35,1 % an.
- Die Entwicklung eines Anstiegs während der Krise und eines folgenden Rückgangs, der jedoch höher als der Ausgangswert liegt, lässt sich auch anhand der unterschiedlichen Trinkfrequenz-Kategorien (täglich, fast täglich, mehrmals pro Woche) beobachten. Frauen trinken tendenziell weniger oft und verzichten häufiger als Männer auf Alkohol. Dennoch gab es auch bei den Frauen Anstiege beim Konsumverhalten.
- Jene Personen, die angaben, dass sie Alkohol konsumieren, wurden auch dazu befragt, ob sie ihren Konsum im Vergleich zu vor Beginn der Pandemie gesteigert oder verringert haben oder ob es keine Veränderungen gab. Dazu gaben rund zwei Drittel (67,3 %) der Befragten an, dass es keine Veränderungen gab, während 22 % angaben, dass sie ihren Konsum gesteigert und knapp 11 % ihren Konsum verringert haben.
- Aus den Befragungsdaten lassen sich auch Zusammenhänge zwischen einem schlechten bzw. sehr schlechten psychischen Gesundheitszustand und einem erhöhten Alkoholkonsum erkennen. Jene Personen, die unter psychischen Belastungen leiden gaben deutlich häufig an, ihren Alkoholkonsum im Vergleich zu vor Beginn der Pandemie gesteigert zu haben (31%).
- Die internationale Definition für risikoarmen Konsum besagt, dass gesunde Frauen nicht mehr als 16 und gesunde Männer nicht mehr als 24 Gramm Alkohol pro Tag zu sich nehmen sollten. Das entspricht bei Frauen 0,4 Litern Bier oder 0,2 Litern Wein, bei Männern 0,6 Litern Bier oder 0,3 Litern Wein.
- Bei der Befragung zeigte sich, dass aktuell mehr als ein Drittel der Befragten diese Grenzen bei einer durchschnittlichen „Trinkgelegenheit“ überschreiten. 37,6 Prozent gaben an, üblicherweise mehr als 1 Standardglas (entspricht rund 1 großen Bier bzw. einem Viertel Wein oder 3 Schnäpsen zu 0,2 cl) zu trinken. Auch dieser Wert ist im Vergleich zu vor der Pandemie (34,7 %) angestiegen.
Landeshauptmann-Stellvertreterin Christine Haberlander:
„Alkohol ist neben Nikotin die Substanz mit der größten Krankheitslast. In Oberösterreich gibt es schätzungsweise 60.000 alkoholkranke Menschen und weitere 120.000 Personen, die Alkohol in einem problematischen Ausmaß konsumieren. Es ist entscheidend, dass wir das Bewusstsein für die Risiken schärfen und einen offenen Dialog über Alkoholkonsum und -abhängigkeit führen.“
Auch für Prim. Dr. Kurosch Yazdi-Zorn, Vorstand der Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin am Kepler Universitätsklinikum transportiert die Dialogwoche wichtige Botschaften für einen maßvollen Umgang mit dem Genussmittel Alkohol, das den Genuss und die eigene Gesundheit und Lebensqualität auch rasch zerstören kann: „Für Menschen, die unter psychischen Belastungen und Problemen leiden, stellte die Corona-Pandemie eine besondere Herausforderung dar. Die aktuellen Zahlen zeigen hier einen Zusammenhang zwischen einem schlechten psychischen Gesundheitszustand und einem erhöhten Alkoholkonsum. Die Daten zeigen jedoch auch, dass etwa jede zehnte Person (9,6 %) in den letzten zwölf Monaten einen ernsthaften Versuch unternommen hat, den eigenen Alkoholkonsum zu reduzieren. Hier gilt es anzusetzen, und die Menschen dabei zu unterstützen und zu bestärken, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen“.
Rainer Schmidbauer, Leiter des Instituts Suchtprävention, pro mente OÖ:
„Rund jede dritte Person in unserem Bundesland konsumiert mehrmals pro Woche Alkohol. Ein nicht unerheblicher Teil konsumiert Alkohol in einem Ausmaß, dass nicht mehr als „risikoarm“ gilt. Daher soll uns die Dialogwoche Alkohol dazu anregen, über dieses Thema offen zu sprechen und den eigenen Umgang mit Alkohol ehrlich und selbstkritisch zu fragen: Wie viel ist viel? Wie viel ist zu viel? Halte ich mich an die empfohlenen Grenzmengen? Achte ich auf Punktnüchternheit (situationsbedingter Verzicht von Alkohol zum Beispiel im Arbeitsumfeld, im Straßenverkehr, etc.)? Kann ich auch ein „Nein“ akzeptieren, wenn jemand bei einem Anlass keinen Alkohol trinken möchte? Bin ich mir als Erwachsener meiner Vorbildwirkung für Jugendliche bewusst? Setze ich Alkohol als „Problemlöser“ ein?“
Für den Vorsitzenden des ÖGK-Landesstellenausschusses, Michael Pecherstorfer, ist daher das Thema Prävention ebenfalls von großer Bedeutung und er betont die sinnvolle und erfolgreiche Kooperation auf diesem Gebiet: „Als ÖGK wollen wir die Substanz Alkohol nicht dämonisieren, weil die Frage eine andere ist: Wie schaffen wir Menschen einen gesunden Umgang damit? Die Dialogwoche Alkohol rückt diese Schlüsselfrage in den Vordergrund. Das ist auch für unsere Betriebe in Oberösterreich von essentieller Bedeutung: Verantwortungsbewusstes Handeln schließt den Konsum von Alkohol am Arbeitsplatz aus. Das beginnt bei der Bewusstseinsbildung für eine vorhandene Suchtproblematik: Denn die Gefahr einer Eigen- und Fremdgefährdung in alkoholisiertem Zustand – ob beim Betrieb von Maschinen oder im Straßenverkehr – ist viel zu groß. Darum unterstützen wir als ÖGK diese Aktion. In Oberösterreich danke ich besonders dem Institut Suchtprävention und dem Land Oberösterreich für den herausragenden und profunden Einsatz. Ein gesunder Umgang mit Alkohol gelingt nicht durch Verbote, sondern braucht eine offene und ehrliche Diskussion.“
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