Republik und die Bundesländer Oberösterreich und Niederösterreich wegen Bodenverbrauchs angeklagt
WIEN/OÖ/NÖ. Gemeinsam mit Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb hat die österreichische NGO AllRise am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz ihre Staatshaftungsklage gegen die Republik Österreich sowie die Bundesländer Niederösterreich und Oberösterreich wegen unzureichenden Bodenschutzes vorgestellt.
Begründet wird diese vor dem Verfassungsgerichtshof mit dem individuellen Schaden, der den Klägern entsteht – finanziell, aber auch gesundheitlich. Johannes Wesemann, Initiator und Gründer von AllRise: „Seit Jahrzehnten verabsäumt es die österreichische Politik, heimische Böden zu schützen und damit das Klima, die heimische Lebensmittelproduktion sowie die Biodiversität. Mehrmals wurde die Republik bereits von der Europäischen Kommission auf fehlende Maßnahmen hingewiesen – bisher ohne Erfolg. Daher beschreiten wir nun den Rechtsweg und klagen.“
EU-Richtlinien werden nicht umgesetzt
Die Klage stützt sich insbesondere auf die fehlende Umsetzung diverser EU-Richtlinien, so etwa die Wasserrahmenrichtlinie, die Nitratrichtlinie, die UVP-Richtlinie oder die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, kurz FFH. Auch die Zersplitterung der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und damit einhergehend eine fehlende nationale Bodenschutzstrategie werden kritisiert: „Die Nicht-Umsetzung der genannten Richtlinien sowie die fehlende Abstimmung auf Bundesebene führte und führt zu immer neuen Genehmigungen von Bauvorhaben und überbordendem Bodenverbrauch“, erklärt Anwalt Wolfram Proksch, der die Klage gemeinsam mit seiner Kollegin Theresa Stachowitz formuliert hat.
„Es gibt eine Reihe an aktuellen Beispielen, die schlicht nicht genehmigungsfähig wären, würden sich Bund und Länder an EU-Vorgaben halten. Auch aus der Kombination einer unübersichtlichen Rechtsgrundlage in Zusammenhang mit dem fehlenden Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen ist bereits ein Schaden für den Einzelnen begründet.“
Artenvielfalt geht verloren
Mit dem Verlust der Böden geht auch der Verlust der Artenvielfalt einher. „Erde ist nicht ein Haufen Dreck, sondern ein Ökosystem voller Leben. Die reichhaltige Biodiversität des Bodens ist für uns überlebenswichtig – als Grundlage, auf der unsere Nahrung wächst, als Speicher von Wasser und Kohlenstoff, als kühlender Faktor im Klimawandel, usw.“, erklärt Prof. Helga Kromp-Kolb und betont: „Boden erfüllt so viele Funktionen, dass seine übermäßige Vernichtung die Daseinsvorsorge in Frage stellt.“
Fast ein Fünftel der bewohnbaren oder landwirtschaftlich geeigneten Fläche Österreichs ist bereits verbaut. Die Statistik Austria hat erhoben, dass die Flächenversiegelung mit 26,6 % im gesamten Beobachtungszeitraum der Jahre 2001 bis 2019 deutlich schneller wuchs als die österreichische Bevölkerung. „Aktuell spüren wir so deutlich wie schon lange nicht mehr, was es heißt, von Importen abhängig zu sein. Setzen wir dem Bodenverbrauch kein Ende, werden künftig auch unsere Lebensmittel in großem Maße aus dem Ausland kommen müssen. Wir werden dann im Wettbewerb mit allen anderen Ländern stehen, die ein ähnliches Problem haben werden. Die Versorgungssicherheit ist damit massiv gefährdet, ganz zu schweigen von den finanziellen Folgen für jeden Einzelnen“, so Wesemann.
Lösungsansätze erarbeitet
Das Team von AllRise hat eine Reihe von Lösungsansätzen erarbeitet, die die Klage begleiten, zum Beispiel eine eingegrenzte Widmungskompetenz der Gemeinden mit Siedlungsgrenzen, ein nationales Raumordnungsprogramm, in dem festgelegt wird, dass in Zukunft eine Netto-Null-Flächeninanspruchnahme stattzufinden hat, was auch zum Erreichen des “Netto-Null-Flächenverbrauchs bis 2050 der EU-Bodenstrategie” beitragen würde, eine Revitalisierung des Leerstandes sowie ein Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes, einer Aufstockungspflicht bis hin zu strengeren Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung der Raumordnungsgesetze. Zudem drängt die NGO auf die Formulierung einer verbindlichen Bodenschutzstrategie sowie der noch ausständigen Umsetzung des Klimaschutzgesetzes.
Weitere Klagen könnten folgen
„Auch wenn wir in unserer Klage nur Niederösterreich und Oberösterreich als Bundesländer führen, so sehen wir auch bei den anderen sieben Bundesländern Versäumnisse und behalten uns vor, auch diese zu einem späteren Zeitpunkt zu klagen“, so Proksch.
Gesamte Klage lesen:
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