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Industriellenvereinigung übt erneut Kritik an Schulbüchern für Wirtschaft und Geographie

Tips Logo Anna Fessler, 27.07.2023 15:59

OÖ. Zum zweiten Mal hat die Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ) zwei Schulbücher für Geographie und Wirtschaftskunde analysiert. In keiner Weise würden diese zeitgemäßes und ideologiefreies Wirtschaftswissen vermitteln, so die Kritik. Der Veritas-Verlag, in dem die Schulbücher erschienen sind, reagiert auf die Vorwürfe. Auch bei der Bildungsdirektion des Landes hat Tips nachgefragt. (Update 16 Uhr)

„Es ist untragbar, dass in den Schulbüchern ‚Wirtschaft‘ im Industrie- und Exportland Österreich, dessen Wohlstand der Menschen darauf beruht, eine ständig negative Assoziierung erfährt.", so Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der IV OÖ. (Foto: Land OÖ)

Im Juni 2023 startete die IV OÖ eine Serie: einen Praxistest für Schulbücher in Geographie und Wirtschaftskunde. Nun wurden weitere Schulbücher analysiert: „Geospots 7/8, Geografie und Wirtschaftskunde für die AHS“ (3. Auflage 2022) und „Geografisch 6, Geografie und Wirtschaftskunde für die AHS“ (1. Auflage 2022), beide erschienen im Veritas-Verlag.

„Wirtschaftskritische Ausrichtung“

Geospots 7/8 würde zwar zentrale Aspekte der Wirtschaft abdecken und sei durchaus bemüht, ein neutrales Bild zu den jeweiligen Kapiteln zu vermitteln, jedoch würden Klischees, negative oder veraltete Inhalte sowie ideologische Narrative überwiegen.

Kritisiert wird, dass das Schulbuch eine „eindeutige, enorm wirtschaftskritische Ausrichtung aufweist“. So würden etwa Österreichische „Global Players“ im gleichnamigen Kapitel unerwähnt bleiben. In den Vordergrund gestellt würden Lobbying der Konzerne, Kinderarbeit in Fernost und Greenwashing. Auch Aussagen wie „Global gesehen ist das Geldvermögen äußerst ungleich verteilt und die Ungleichheit zwischen reichen Industrieländern und schwächer entwickelten Staaten geht immer weiter auseinander.“, stören die IV OÖ.

Wirtschaft erfahre „ständig negative Assozierung“

Auch in „Geografisch 6, Geografie und Wirtschaftskunde für die AHS“ würden einseitige Ideologie und Haltung dominieren. Als Beispiele nennt die IV OÖ unter anderem folgende Inhalte: In dem Schulbuch werde das Messen des Wohlstands anhand des BIP (Bruttoinlandsprodukt) als nur bedingt geeignet angeführt, weil unbezahlte Arbeiten darin nicht berücksichtigt sind. Danach folge ein unmittelbarer Themenschwenk zum Gender Pay Gap. Der Standortwettbewerb würde als „Race to the bottom“ dargestellt, der „auch vor Abbau von Sozial- Arbeits- und Umweltstandards nicht Halt macht“.

Auch Aussagen über prekäre Arbeitsbedingungen in der fleischverarbeitenden Industrie wie „Sie sind oft ausbeuterischen Praktiken wie Lohndumping, Überschreitung der Maximalarbeitszeit oder mangelnder Sicherheit am Arbeitsplatz ausgesetzt.“ führt die IV OÖ als Beispiel an.

„Es ist untragbar, dass in den Schulbüchern ‚Wirtschaft‘ im Industrie- und Exportland Österreich, dessen Wohlstand der Menschen darauf beruht, eine ständig negative Assoziierung erfährt. In manchen Passagen hat man das Gefühl, Herr Babler hat die Inhalte verfasst.“, meint Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der IV OÖ. Erfreulich sei hingegen, dass es bereits zu ersten Gesprächen mit Stakeholdern gekommen sei.

Veritas-Verlag: „IV OÖ ist nicht direkt mit uns in Kontakt getreten“

Der Veritas-Verlag weiß von diesen Gesprächen scheinbar nichts: „Es ist bedauerlich, dass die IV OÖ nicht direkt mit uns in Kontakt getreten ist, bevor sie ihre Bedenken öffentlich gemacht hat. Wir sehen Bildung als einen Prozess, der nicht dazu dienen sollte, eine bestimmte Ideologie zu verbreiten, sondern vielmehr dazu, kritisches Denken und ein fundiertes Verständnis für die Komplexität unserer Welt zu fördern. In diesem Sinne sind wir stets bereit für einen offenen und konstruktiven Dialog.“, heißt es auf Nachfrage.

Die Lehrwerke seien darauf ausgelegt, kritisches Denken zu fördern und eine breite Palette an Themen und Sichtweisen zu präsentieren. „Die von der IV OÖ geäußerte Kritik an unseren Werken umfasst Themen wie die 'illiberale Demokratie am Beispiel Viktor Orbans' oder 'Armut in Österreich'. Es ist uns wichtig zu betonen, dass diese Themen, so unangenehm sie auch sein mögen, Teil unserer Realität sind und es unangemessen wäre, sie zu ignorieren.“, so der Veritas-Verlag zu Tips.

Österreichischer Bundesverlag Schulbuch erfuhr ebenfalls aus Medien von der Kritik

Im Juni analysierte die IV OÖ zwei Schulbücher, die im Österreichischen Bundesverlag Schulbuch erschienen sind und veröffentlichte dazu eine Kritik. Der ÖBV-Geschäftsführer Maximilian Schulyok meint, in diesem Fall gäbe es einen Austausch dazu mit der IV OÖ. Er sei dazu auch vor etwa zwei Wochen in Linz gewesen. Bei dem Termin habe man vereinbart, dass die IV OÖ gemeinsam mit dem Fachverband Buch- und Medienwirtschaft in der Wirtschaftskammer und der Allianz Bildungsmedien Österreich im Herbst gemeinsam einen Workshop organisieren, um an Lösungen für die Zukunft zu arbeiten.

Über die Kritik habe man aus den Medien erfahren und sei dann proaktiv auf die IV OÖ zugegangen. Zudem betont der ÖBV, dass eines der kritisierten Werke, „Kompass 7/8“ bereits seit fünf Jahren nicht mehr aufgelegt wird.

Statement der Bildungsdirektion Oberösterreich (Update vom 27.07, 16 Uhr)

Tips hat auch die Bildungsdirektion des Landes um eine Reaktion auf den IV OÖ-Test von Schulbüchern gebeten. „Die Bildungsdirektion nimmt die Initiativen von externen Organisationen, wie der Industriellenvereinigung Oberösterreich, zur Prüfung und Analyse von Schulbüchern grundsätzlich zur Kenntnis. Es ist wichtig, dass verschiedene Stakeholder, darunter auch Wirtschaftsverbände, ihre Perspektiven und Anliegen in Bezug auf die Inhalte von Schulbüchern einbringen. Die Inhalte eines Schulbuchs werden in einem Verfahren durch die Schulbuchkommission des BMBWF geprüft und approbiert, um sicherzustellen, dass sie den pädagogischen Standards und den in den Lehrplänen festgelegten Anforderungen entsprechen. Die einzelnen Schulbuchverlage sind gefordert, da das Schulbuch ein wichtiges Lehrmittel darstellt, das die Lehrenden bei der Unterrichtsgestaltung unterstützt.“, so eine Sprecherin.

Auf Nachfrage, wie das in den Schulen vermittelte Wissen aktuell gehalten wird, heißt es seitens der Bildungsdirektion: „Aktuelle und aktuellste geopolitische und wirtschaftliche Entwicklungen werden von den Lehrenden aufgegriffen und im Unterricht thematisiert. Dies ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, ein zeitgemäßes und fundiertes Verständnis der Materie zu entwickeln und sich mit den aktuellen Geschehnissen auseinanderzusetzen.“

 


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