"Norwegen ist das Labor der Energiewende Europas“
OÖ/OSLO. Eine Delegation rund um die beiden Landesräte Markus Achleitner (ÖVP) und Günther Steinkellner (FPÖ) sowie der Business Upper Austria informierte sich in Oslo über das Engagement Norwegens für die Energiewende. „Norwegen ist das Labor der Energiewende Europas“, so Achleitner und Steinkellner. Klar sei aber auch: „Transformation kostet Geld.“ Geld, über das Norwegen verfügt und das es auch einsetzt.
Bis 2030 soll der öffentliche Verkehr im Großraum Oslo komplett emissionsfrei sein, schon jetzt ist ein Großteil auf E-Mobilität umgestellt, darunter die Fähren am Oslofjord. Hier kann Oberösterreich auch aus Fehlern lernen. So kämpften die Betreiber zu Beginn im Winter mit großen Problemen. Es wurde viel mehr Energie als gedacht benötigt, etwa weil der Verbrauch durch die Heizungen in den Öffis nicht richtig mitbedacht wurden.
„Das mussten wir auf die harte Tour lernen, wir hatten auch einfach falsche Berechnungen“, erzählt Glenn-Ivar Gaalaas vom Verkehrsunternehmen Unibuss. Nach Anpassungen und weiteren Investitionen „haben wir mittlerweile 99,9 Prozent Fahrplansicherheit“, zeigt er sich stolz. Im Mai sei bei 80.000 Fahrten nur eine einzige ausgefallen. Für den Betrieb braucht es auch umfassende Infrastruktur: In 26 Busdepots werden die Fahrzeuge geladen.
„Im öffentlichen Verkehr ist die Zukunft elektrisch“, ist Snorre Laegran vom Verkehrsverbund Ruter AS überzeugt. „Das ist ein Risiko, aber Norwegen hat das Geld und den politischen Willen“.
Transformation kostet viel Geld
Norwegen greift tief in den Fördertopf, um die Mehrkosten abzufedern – finanziert aus dem Staatsfonds, der mit den Einnahmen aus Gas und Erdöl gefüllt ist. „Norwegen hat den Vorteil, mit diesen vielen Mitteln Dinge probieren zu können, wo sich andere Staaten in Europa deutlich schwerer tun würden“, so Achleitner und Steinkellner. „Norwegen ist das Labor der Energiewende Europas.“
Den beiden geht es auch darum, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Transformation Geld kostet. „Wir wollen sie, wir wollen sie schnell, aber wir wollen sie unter Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen.“
Emissionsfreie Baustellen
Schon jetzt müssen auch alle öffentlichen Baustellen in Oslo emissionsfrei sein. Weiteres Vorhaben: Die Vorgabe bis 2030 auf die privaten Baustellen auszurollen. Bauunternehmen Skanska investiert viel Geld in die Umstellung, unter anderem in E-Baumaschinen. „Das kostet viel, ist herausfordernd, aber der Weg, den wir gehen müssen“, so Tuva Ronnes von Skanska Norway. E-Baumaschinen seien etwa dreimal so teuer.
Sie verweist auch auf die Kreislaufwirtschaft im Bau: „Wir müssen einen Weg finden, künftig anders zu bauen, um Materialien besser wiederverwenden zu können.“ Das Bauunternehmen habe auch eine eigene Abteilung, um für klimaneutralen Beton zu forschen.
Logistik ohne Emissionen
Vorzeigebeispiel ist auch der größte Lebensmittelgroßhändler des Landes ASKO. Der gesamte Transport wird auf fossil-freie Lösungen - elektrisch und wasserstoffbetrieben - umgestellt, bis 2026 soll der gesamte Fuhrpark mit erneuerbaren Kraftstoffen betrieben werden. 300 bis 400 Kilometer ist die Reichweite der eingesetzten E-LKWs. Laut eigenen Angaben 96 Prozent des Energieverbrauchs des Unternehmens werden durch die eigene Produktion erneuerbarer Energie aufgebracht.
Weit vorne bei Speichertechnologie
Norwegen produziert als 98 Prozent seiner Elektrizität aus erneuerbaren Quellen, 90 Prozent des Stroms stammen aus Wasserkraft. In Oberösterreich kommen mittlerweile knapp 89 Prozent der elektrischen Energie aus erneuerbaren Quellen. Bis 2030 will das Bundeland auf über 90 Prozent kommen. Wobei dies nicht leicht sein werde, so Energie-Landesrat Achleitner, weil der Bedarf steige. Zum Vergleich: Die EU liegt im Schnitt aktuell bei 45 Prozent, verweist er auf die Spitzenposition Oberösterreichs in diesem Bereich.
Vor allem auch im Bereich Speichertechnologie sei Norwegen sehr weit. Die Kapazität der Speicherkraftwerke in Norwegen liegt bei etwa 70 Prozent des jährlichen Energiebedarfs. „Die Hälfte der gesamten Speicherkapazität von Europa findet sich in Norwegen. Deswegen ist Norwegen doppelt und dreifach wichtig.“
Wie der Oslo-Besuch auch zeigt, „funktioniert die Energiewende ohne Leitungsnetz und Speichertechnologie nicht“. Achleitner verweist darauf, dass auch Oberösterreich hier nicht untätig ist und erst am Freitag in Timelkam (Bezirk Vöcklabruck) der Spatenstich für einen hochmodernen Batteriespeicher gesetzt wurde.
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Carbon Capture
Ein Vorzeigeprojekt hat auch der norwegische Energieversorger Hafslund Celsio AS beim Oslo-Besuch präsentiert. Das Unternehmen betreibt unter anderem Norwegens größte Müllverbrennungsanlage, die sich - weltweit erstmals - vollständige Kohlenstoffabscheidung und -speicherung zur Aufgabe gemacht hat. Das Projekt soll 2029 abgeschlossen sein. Mit Carbon Capture soll CO2 bestmöglich vermieden werden, was nicht vermeidbar ist werde einfangen und so gut möglich genützt, der unvermeidbare Rest gelagert.
Hafslund macht das 260 Meter unterhalb des Meeresbodens, wo CO2 in eine poröse Sandstein-Schicht gepumpt wird, erläutert Truls E. A. Jemtland von Hafslund. Mitte August sei die erste solche Speicherung erfolgt.
„Wir wollen uns mit dieser Projektgesellschaft eng austauschen und verbinden.“ Vor allem auch den Landesenergieversorger Energie AG will Achleitner hier mit ins Boot holen, um von Osloer Learnings zu profitieren.
Technologieoffenheit nötig
„Die Energiewende, die Transformation der Energie ist maßgeblich und die Grundlage für die Mobilitätswende“, so Achleitner. Nur mit Strom werde die Transformation in Österreich aber nicht funktionieren, plädieren er und Steinkellner – wie Norwegen es vormache – für Technologieoffenheit. „Nicht die Politik gibt vor, sondern die Forschung, die Unternehmen und der Markt.“
Schlüsseltechnologie sei Wasserstoff, verweisen sie auf die OÖ. Wasserstoff-Offensive 2030. „Wir brauchen einen grundlastfähigen erneuerbaren Energie-Mix, und der Weg dahinter muss sozial verträglich und ökonomisch sein. Das wird in Österreich und Europa vor allem der Wasserstoff und seine Derivate werden. Das ist deswegen so notwendig, weil wir das für die Industrie brauchen.“
Kooperationen
Aufgrund des Engagements Norwegens in Sachen Energiewende sei Oberösterreich intensiv in Kooperation mit dem Land. „Die Norweger probieren, koste es was es wolle – und zeigen damit aber auch, was technologisch möglich ist. Unsere Aufgabe auf europäischer Ebene und dann auch letztlich in Österreich und Oberösterreich gemeinsam mit unseren Partnern ist, dass wir diese ökologische Machbarkeit auch in eine ökonomische Machbarkeit übersetzen“, so Achleitner. Und auch Mobilitäts-Landesrat Steinkellner ist überzeugt: „Die massiven Investitionen in Norwegen eröffnen auch für oberösterreichische Unternehmen interessante Perspektiven“. Oberösterreich könne Stärken im Infrastrukturbereich, in der Bahntechnik, bei intelligenten Mobilitätslösungen einbringen.
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