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„Jugendliche haben das Gefühl, mit ihren Problemen alleine zu sein“

Mag. Melanie Mai, 14.04.2021 14:14

ST. GEORGEN/GUSEN. Die psychischen Belastungen in der Coronakrise sind für Kinder und Jugendliche besonders groß. Daher bieten unter dem Titel „Gemeinsam bist du weniger allein“ die Therapeutinnen Nina Panholzer aus Linz und Evelyn Klapf aus St. Georgen an der Gusen eine Gruppenpsychotherapie für diese Zielgruppe an. Tips hat mit den beiden über die Ängste der Jugendlichen gesprochen.

Nina Panholzer und Evelyn Klapf bieten im Jugendzentrum St. Georgen an der Gusen einen geschützten Ort zum Austausch unter Jugendlichen an. (Foto: Klapf)

Tips:Wie ist die Idee der Gruppenpsychotherapie entstanden?

Klapf: Immer mehr Jugendliche kommen zu uns in die Praxis mit dem Gefühl mit ihren Problemen alleine dazustehen. Es fehlt ihnen der soziale Austausch mit Gleichaltrigen, der gerade in diesen Zeiten besonders wichtig wäre. Schule, Sportvereine, Jugendzentren, Freundeskreis etc. spielen bei der Identitätsbildung von Jugendlichen eine wesentliche Rolle. Das alles ist derzeit nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Jugendlichen fehlen die Erfahrungen eigener Wirksamkeit und Kompetenz, sozialer Zugehörigkeit zu Gleichaltrigen und die Entwicklung von Autonomie durch die Ablösung vom Elternhaus. Wir sind der Meinung, dass es zur Zeit viele Jugendliche gibt, die dringend ein unterstützendes Angebot brauchen. Zahlreiche empirische Studien belegen, dass psychotherapeutische Gruppentherapie hochwirksam ist. Dennoch wird Gruppentherapie im ambulanten Bereich noch viel zu selten angewandt.

Tips:Seit über einem Jahr begleitet uns mittlerweile die Pandemie. Wie gehen junge Menschen ihrer Meinung nach damit um?

Panholzer: Das Leben hat sich in kurzer Zeit drastisch verändert. Viele leiden zunehmend an fehlenden Sozialkontakten und sprechen von Vereinsamung. Innerhalb der Familie kommt es aufgrund der intensiven räumlichen Nähe vermehrt zu Konflikten. Vor allem im Alter der Pubertät, wo es um Abgrenzung und Loslösung geht, besteht oft großes Konfliktpotenzial. Jugendliche fühlen sich durch Homeschooling überfordert. Sie berichten, dass ihnen die persönliche Rückmeldung von Lehrer und Mitschüler über ihre schulischen Leistungen fehlt. Das führt dazu, dass sie bis spät abends über ihren Büchern sitzen. Weit über ein gesundes Ausmaß hinaus. Andere erzählen uns, dass sie sich hilflos fühlen und den Anforderungen nicht mehr gerecht werden können. Beides löst bei den Jugendlichen häufig Überforderungsgefühle aus, die Symptome wie anhaltende Kopfschmerzen, Zwangsgedanken, depressive Verstimmung, Ängste etc. auslösen. Der damit einhergehende Leistungsabfall löst zusätzlichen Druck aus – ein Teufelskreis, aus dem Jugendliche nur schwer alleine wieder herauskommen.

Tips:Was sind die Hauptängste vieler jungen Menschen?

Panholzer: Zukunftsängste. Sie wissen nicht, wie und wann es weitergeht. Viele warten gerade auf ihre Praktika, die aufgrund der Pandemie nicht möglich sind oder sind auf Lehrstellensuche. Sie befürchten, dass es nicht genügend Jobs gibt. Ihnen fehlen einfach die Perspektiven und das macht ihnen Angst.

Tips:Wie kann man trotz dieser Ängste bestmöglich mit der Krise umgehen?

Klapf: Jugendliche sollten versuchen, so viele Alltagsstrukturen wie möglich beizubehalten: morgens anziehen und frühstücken, feste Zeiten für Mittagspausen einführen und soziale Kontakte – beispielsweise über Spaziergänge – aufrechterhalten. Der Frühling bietet sich an, wieder vermehrt sportlichen Aktivitäten im Freien nachzugehen. Bewegung hat einen positiven Einfluss auf die psychische Gesundheit und bietet Ausgleich zu dem stundenlangen Sitzen vorm Computer. Die Jugendlichen sollten dabei auf Aktivitäten zurückgreifen, die ihnen Spaß machen und unter Einhaltung der Abstandsregeln steht auch einer Unternehmung mit Gleichaltrigen in der Natur nichts im Wege.

Tips:Was können sich Interessierte unter der Gruppenpsychotherapie vorstellen?

Klapf: Alle lernen mit- und voneinander – das inspiriert und gibt Halt. In einer Gruppenpsychotherapie bekommt jedes Gruppenmitglied Rückmeldungen von mehreren ganz unterschiedlichen Menschen – nicht nur von der Therapeutin oder dem Therapeuten. Die Teilnehmenden machen die Erfahrung, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine dastehen und erfahren, wie andere Betroffene ähnliche Probleme ganz anders angehen. Der offene Austausch und die zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Gruppe ermöglichen, die eigenen Gefühle und Empfindungen besser wahrzunehmen und gleichzeitig auch anderen Menschen und deren Bedürfnissen, Beweggründen und Sichtweisen offener zu begegnen.

Gruppentherapie für Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren:
Start: 10. Mai, 18 bis 19.40 Uhr – an sechs Terminen
Wo: Jugendzentrum St. Georgen an der Gusen
Für Teilnehmer aus St. Georgen übernimmt die Marktgemeinde zur Gänze die Kosten. Infos unter: 0677/64120099
Nähere Infos unter www.evelyn-klapf.at oder www.nina-panholzer.at

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