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Frauenhaus Innviertel: "Wahrscheinlich hat sie ihn provoziert"

Rosina Pixner, 18.04.2017 15:50

INNVIERTEL. Es gibt viele Einstellungen und Kommentare in unserer Gesellschaft, die häusliche Gewalt verharmlosen, das Verhalten des Täters rechtfertigen oder sogar die Schuld dem Opfer zuschreiben. Dies führt dazu, dass sich betroffene Frauen schämen oder die Schuld bei sich suchen und sich nicht trauen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ursula Walli, Leiterin des Frauenhaus Innviertel, klärt über Vorurteile und Mythen auf.

Jede fünfte Frau in Österreich ist von Gewalt betroffen. Foto: Wodicka
Jede fünfte Frau in Österreich ist von Gewalt betroffen. Foto: Wodicka

>>Männer schlagen zu, weil sie von Frauen provoziert werden<<

Aussagen wie diese verharmlosen die Gewalt: sie schreiben den Frauen zu, an der Gewalt beteiligt zu sein beziehungsweise geben ihnen die Schuld. „Wir erleben oft Frauen in der Beratung, welche jahrelang versucht haben, ihren Männern alles recht zu machen, nicht dagegenzureden, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Gewalttätige Männer finden an ihren Frauen vieles, was sie provoziert: das Essen ist zu kalt, die Frau kommt zu spät von der Arbeit, die Kinder sind zu laut, sie hat sich mit einer Freundin getroffen etc. Tatsächlich gibt es keine Rechtfertigung für Gewalt“, betont Walli.

>>Sie könnte ihn doch einfach verlassen<<

Trennungen sind nie einfach. Besonders schwierig sind sie jedoch für Opfer von häuslicher Gewalt: ihr Selbstwert wurde zerstört, oft wurde ihnen jahrelang vom gewalttätigen Partner eingeredet „es wird dir niemand glauben“ oder „ohne mich schaffst du es nicht“. Studien zeigen, dass die Gefahr von Gewalt in Trennungssituationen am größten ist. Es gehört also viel Mut dazu, den Partner zu verlassen. Es ist wichtig, Frauen in dieser Situation zu unterstützen und ihnen Zeit zu geben.

>>Häusliche Gewalt kommt selten vor<<

Laut Schätzungen ist mindestens jede fünfte Frau in Österreich einmal in ihrem Leben von Gewalt durch einen nahen männlichen Angehörigen betroffen.

>>Häusliche Gewalt ist ein Problem der Unterschicht<<

Häusliche Gewalt kann allen Frauen widerfahren. Unabhängig von Einkommen, Alter, Religion, Kultur und sozialer Herkunft.

>>Männer schlagen nur, wenn sie betrunken sind<<

Es gibt keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Gewaltausübung. Alkohol oder Drogen können bei gewaltbereiten Personen die Hemmschwelle senken. Alkoholkonsum darf nicht als Entschuldigung oder Ausrede dienen.

>>Gewalt in der Familie ist Privatsache<<

Gewalttaten sind strafbare Handlungen, egal in welchem Kontext sie passieren.

>>Streit kommt in jeder Familie vor>>

Das stimmt. Beim Streit geht es allerdings um Meinungsverschiedenheiten auf Augenhöhe. Bei Gewalt werden ungleiche Machtverhältnisse – beispielsweise körperliche Überlegenheit, Waffen etc. – eingesetzt und Abhängigkeitsverhältnisse (wie zum Beispiel die Frau verdient aufgrund von Kinderbetreuungspflichten weniger als ihr Mann und ist somit auf seine finanzielle Unterstützung angewiesen) ausgenützt.

>>Männer misshandeln Frauen und Kinder, weil sie ihre Gefühle nicht anders ausdrücken können<<

Gewalttaten im privaten Bereich werden oft als reine Affekthandlung gesehen. Die Männer explodieren, gehen hoch oder können sich nicht anders helfen. Dabei wird aber übersehen, dass sie die Gewalt nicht wahllos ausüben: sie greifen zum Beispiel keine Arbeitskollegen oder Freunde an. Aussagen wie „ihm ist die Hand ausgerutscht“ verharmlosen Schläge. Die Hand des Täters hat kein Eigenleben, sie wird durch seinen Willen gesteuert – er entscheidet sich bewusst für das Schlagen.

>>Frauen erfinden Misshandlungen, damit sie Vorteile bei der Scheidung haben<<

Die Dunkelziffer bei Gewalttaten in Familien ist sehr hoch. Es ist wahrscheinlicher, dass Gewalttaten nicht bekannt oder angezeigt werden beziehungsweise von den Frauen verharmlost oder bagatellisiert werden, als dass sie diesbezüglich übertreiben.

>>Frauen suchen sich Männer, die sie misshandeln<<

Diese Aussage unterstellt den Frauen, dass sie von Beginn der Beziehung wissen, dass es sich beim Partner um einen Gewalttäter handelt und sie an ihrer Situation selbst schuld sind. Es kommt sehr selten vor, dass Täter zu Beginn der Beziehung offen gewalttätig sind. Die Gewalt beginnt oftmals sehr subtil und steigert sich nach und nach. Nach der ersten Gewalttat wird die Tat heruntergespielt, es werden Entschuldigungen ausgesprochen und Versprechen gemacht. Typisch ist, dass die Gewalttaten mit der Zeit immer häufiger und intensiver werden.

„Viele der genannten Beispiele fallen unter das sogenannte Victim blaming (= Opfer-Täter-Umkehr oder Opferbeschuldigung). Menschen neigen dazu, solche Verharmlosungen oder Rechtfertigungen zu verinnerlichen und zu verbreiten. Dies hat auch einen Grund: Es wird impliziert, dass sich jede/r einzelne vor Gewalt schützen kann, in dem er/sie sich nur richtig verhält“, sagt Ursula Walli.

Kontakt

Frauenhaus Innviertel, www.frauenhaus-innviertel.at, 07752/71733, office@frauenhaus-innviertel.at


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