Sozialmarkt und Schuldnerberatung erwarten großen Ansturm ab Jänner
BEZIRK RIED. Die Teuerungswelle betrifft alle Bürger. Seit Monaten wird alles teurer. Nicht nur die Energiekosten steigen dramatisch an, auch Lebensmittel sind sehr teuer geworden. Der tägliche Einkauf ist für manche kaum mehr leistbar. Für viel zu viele stellt sich in den kommenden Monaten die Frage: „Heizen oder essen?“
Am schlimmsten erwischt es aber diejenigen, die ohnehin schon finanzielle Probleme haben, sei es durch niedriges Einkommen oder durch Schulden.
Tips sprach mit Wirtschaftskammer-Bezirksstellenleiter Christoph Wiesner, der auch Obmann des Rieder Sozialmarktes „G„schäftl“ ist, sowie mit Karl-Heinz Vogelsberger von der Schuldnerberatung Ried, wie sich die Teuerungswelle auf ihre Kunden auswirkt.
50 Prozent mehr Kunden
Das „G„schäftl“ spürt die aktuellen Krisen schon seit einiger Zeit. „Verglichen mit Jahresbeginn haben wir derzeit rund 50 Prozent mehr Kunden“, sagt Wiesner. „Der Hauptgrund ist derzeit, dass im G„schäftl auch die Geflüchteten aus der Ukraine einkaufen dürfen, solange sie in der Grundversorgung sind und nicht arbeiten dürfen. Das sind fast ausschließlich Frauen und Kinder.“
Ab Jänner, wenn die Steigerungen bei Strom- und Heizkosten sowie Miete voll durchschlagen, rechnet Wiesner auch bei den heimischen Kunden mit steigenden Zahlen.
Einkaufskosten steigen
Das G„schäftl bekommt dann ein echtes Problem, warnt der Vereinsobmann: „Wir spüren die gestiegenen Einkaufskosten jetzt schon. Zusätzlich bekommen wir von den Lebensmittelmärkten nach und nach weniger Ware. Immer mehr Supermärkte und Geschäfte haben ,too good to go„-Angebote – Kisten mit unverkauften, überschüssigen Lebensmitteln zu einem sehr günstigen Preis. Diese Ware ging bis jetzt häufig an uns. Dieses Angebot dient zwar der Sache, aber uns gehen diese Lebensmittel ab. Fürs G“schäftl bedeutet das: mehr Leute, aber weniger Ware.“
In dieser Situation wirkt sich auch die Struktur des Rieder Sozialmarktes aus, erklärt Wiesner: „Das G“schäftl ist ein unabhängiger Verein, der nicht zu den Tafeln oder dem Roten Kreuz gehört. Wir haben zwar die Caritas und den Sozialhilfeverband als Kooperationspartner, aber wir finanzieren uns nur über Spenden. Da wirken sich die höheren Preise beim Einkaufen oder beim Strom sofort aus.“
Wiesner bedankt sich in diesem Zusammenhang bei den Rieder Serviceclubs: „Dank ihrer großzügigen Spenden können wir es uns noch leisten, selbst einzukaufen. Wir wissen aber nicht, wie lange noch.“
Schuldnerberatung
Auch bei der Schuldnerberatung steht der große Ansturm noch bevor, befürchtet Regionalstellenleiter Karl-Heinz Vogelsberger.
Tips: Ist die Nachfrage an Beratungen seit der Teuerungswelle bei der Schuldnerberatung gestiegen?
Vogelsberger: Die Nachfrage hat bisher nur geringfügig zugenommen – hauptsächlich durch Klienten, die sich schon in einem Zahlungsplan oder Abschöpfungsverfahren befinden und die im Hinblick auf die allgemeinen Teuerungen wissen wollen, ob es konkrete Handhaben für Zahlungsreduktionen in ihren jeweiligen Verfahren gebe. Die Antworten darauf sind individuell und können daher nur im Beratungssetting dargestellt und nicht verallgemeinert dargelegt werden.
Wir rechnen allerdings mit einer massiven Zunahme der Ratsuchenden innerhalb kurzer Zeit, wenn die jeweiligen Energiejahresabrechnungen – hauptsächlich für Strom und Gas als zentrale Wärmequellen – eingelangt sind, und wenn diese eine satte Erhöhung der neuen, monatlich zu leistenden Vorauszahlungen ausweisen – möglicherweise noch in Verbindung mit entsprechenden Zahlungsrückständen.
Tips: Mit welchen Themen kommen die Klienten zu Ihnen, haben sich die Themen verändert?
Vogelsberger: Bis jetzt waren die Hauptthemen nach wie vor die Schulden samt den Möglichkeiten und Voraussetzungen für eine Entschuldung. Teilweise wurden aber auch schon die Inflation und die demnächst aufschlagenden Energiepreiserhöhungen angesprochen und denkbare Umgangsszenarien mit besprochen.
Tips: Stichwort Strom- und Gaspreis: Auch wenn es jetzt einen Strompreisdeckel gibt, viele können sich das Heizen beziehungsweise die täglichen Lebenshaltungskosten nicht mehr leisten. Was raten Sie Betroffenen, um nicht in die Schuldenfalle zu tappen?
Vogelsberger: Zu den an sich unvorstellbar gestiegenen Energiekosten können wir auch nur raten, einzusparen, wo immer es geht, zum Beispiel nicht täglich duschen – mehr Katzenwäsche, maximal 20 Grad Raumtemperatur und darunter – je nach Zimmer, beispielsweise im Schlafzimmer. Außerdem mit Bedacht lüften, Licht nur einschalten, wenn es auch tatsächlich gebraucht wird etc.
Zu den Zahlungsrückständen bei den Energielieferanten raten wir, gegebenenfalls nach leistbaren Ratenvereinbarungen zu suchen und nur äußerst selten und nur in absolut nachvollziehbar gerechtfertigten Fällen zu kurzfristigen Kontoüberziehungen oder Krediten mit kurzer Laufzeit – wenn beispielsweise in Kürze Bausparverträge oder Lebensversicherungen auslaufen und fällig werden.
Zu den neuen, sich wahrscheinlich massiv erhöhenden monatlichen Vorauszahlungen für Energie raten wir, die Lieferanten zu ersuchen, künftig vierteljährlich abzurechnen, damit sich die Energiesparmaßnahmen unmittelbarer, das heißt schon nach drei Monaten, in einer hoffentlich wesentlich reduzierten Strom- oder Gasvorauszahlung niederschlagen. Bei Strom wäre diese Vorgangsweise wegen der flächendeckend installierten Smart-Meter vielleicht sogar monatlich ohne wesentlich erhöhten Verwaltungsaufwand möglich.
Jedenfalls ist das unsererseits eine Anregung für Energielieferanten, darüber nachzudenken, Energiesparen unmittelbar sicht- und spürbar zu belohnen beziehungsweise in Fällen von Energieverschwendung den gleichen Effekt in umgekehrter Richtung zu bewirken.
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