Ein Werk über Liebe, Rivalität und Macht: So oder so ähnlich könnte es vor 150 Jahren gewesen sein
PUTZLEINSDORF. Ein ganzes Dorf wird Bühne, wenn im Sommer die Leinenhändlersaga in Putzleinsdorf aufgeführt wird. Ein Open Air-Musical, das vom spießbürgerlichen Leben in dem beschaulichen Dorf erzählt, von den Menschen, die hier vor 150 Jahren gelebt haben, und wie die Nachricht vom neuen Pfarrvikar, Norbert Hanrieder, Unruhe in den Alltag gebracht hat. Die beiden wichtigsten Männer hinter dem Stück sind Autor Johannes Huber und Komponist Tristan Schulze, die ihre Arbeit jetzt beendet haben. Im Tips-Gespräch erzählen sie mehr davon.
Hanrieder selbst hat mit seiner Chronik „Pfarrgeschichte Putzleinsdorfs“ einen Beitrag zum Inhalt geliefert. Denn Johannes Huber kannte nach dem Fund und Studium eines Pfarrbuchs zwar alle Menschen, die im Jahr 1869 in der Pfarre gelebt haben, aber erst durch Hanrieders Pfarrchronik und weitere eigene Recherchen erwachten diese zum Leben. Bald war klar, wer die „Big Players“ damals waren und allmählich wurde ihre Geschichte sichtbar. „Es sind alles Personen, die real existiert haben. Und sie haben sich mit den gleichen Problemen herumschlagen müssen, wie wir: erste Liebe, Eifersucht, Rivalität, Macht und Machtverlust. Wir haben heute nur andere Begriffe, wie Midlifecrisis und Pensionsschock“, erzählt der Autor. „Nicht alles ist wahr oder gar belegbar, aber so oder so ähnlich könnte es gewesen sein.“
Schon seit August 2014, seit die Entscheidung für dieses Projekt gefallen ist, begleiten ihn die Personen. Schlüsselrollen sind Caroline und Hedwig. Die eine Tochter eines mächtigen Unternehmers, die andere des Schulmeisters. Beide sind im heiratsfähigen Alter und haben so ihre Probleme mit der Liebe und auch mit ihren Vätern. Neben verwirrten Gefühlen geht es aber auch um persönliche Befindlichkeiten, um den zunehmenden Einfluss der Kirche im öffentlichen Leben und auch der Wiener Börsenkrach beeinflusst den Lauf der Geschichte. „In den vergangenen zwei Jahren sind mir alle Personen ans Herz gewachsen. Ich habe mit Neugierde beobachtet, wie sie sich entwickelt und an Konturen gewonnen haben. Mein Ururgroßvater hat sich etwa vom Rand noch weiter Richtung Mitte der Handlung vorgearbeitet. Es sind wirklich große Figuren. Für diejenigen, die letztlich keinen Platz im Stück gefunden haben, hat es mir leid getan“, sagt Huber.
Spiel am Originalschauplatz
Das Besondere an der Leinenhändlersaga ist zum einen, dass es am Originalschauplatz aufgeführt wird. „Jede Person ist vor 150 Jahren über den Putzleinsdorfer Marktplatz gegangen. Einige werden sogar von ihren eigenen Nachkommen gespielt“, berichtet Johannes Huber. Zum anderen wird das Publikum in die Aufführung einbezogen und Teil des historischen Settings. Schon am Nachmittag wird es Ausstellungen geben. Huber: „Je mehr man sich vorher Zeit nimmt, in dieses Ambiente einzutauchen, desto größer wird der Eindruck sein, den das Stück hinterlässt.“
Tristan Schulze, der für die musikalische Umsetzung der Geschichte verantwortlich zeichnet, ergänzt: „Dass der ganze Ort mitwirkt, ist etwas Besonderes. So etwas findet man ganz selten.“ Der in Wien lebende Musiker und Komponist hat sich selbst gleich zu Beginn des Projektes ein Bild von Putzleinsdorf gemacht und auch schon ein paar Sänger getroffen. „Mit Norbert und Johannes Huber hatten wir ausführliche dramaturgische Besprechungen. Wenn die großen Bögen stehen, wird auch klarer, wie die Musik klingen kann. In diesem Fall geht es schon in der Ouvertüre um das Spannungsfeld zwischen sakraler Musik und Volksmusik. Das zieht sich durch das ganze Stück.“ Die jungen Damen präsentieren sich eher verträumt und romantisch mit starken Gefühlsausbrüchen, wohingegen einige der Männerfiguren recht trocken sind. „Es darf aber auch, wie im Libretto, Platz für Humor sein“, meint Schulze. Komponieren passiert für ihn dort, wo der Einfall zu Hause ist. „Diesen Einfall schreib ich dann gleich fertig instrumentiert in den Computer. Oft hör ich erst nach einer langen Weile an, was ich geschrieben habe“, beschreibt der Musiker seine Arbeit.
Keine Angst vor der Oper
Und wie klingt nun die Leinenhändlersaga? „Die Musik ist eingängig, vieles kann man bald mitsingen. Die Details sind aber sehr viel ausführlicher gearbeitet, als es in einem Musical der Fall wäre. Ich würde daher Oper dazu sagen. Man muss sich vor dem Begriff nicht fürchten – die Zauberflöte oder die Fledermaus machen ja auch niemandem Angst.“
Mittlerweile haben die Proben unter der dramaturgischen Leitung von Norbert Huber und der Produktionsleitung von Karl Lindorfer begonnen. Ausführende sind neben den rund 20 Hauptrollen das NordwaldKammerorchester, Chor, Solisten, aber auch Blasmusik, Kirchenchor, Trachtengruppe oder Schulklassen. Johannes Huber, der selbst am Fagott spielt, hat in den letzten Wochen schon die Ungeduld aller Beteiligten gespürt. „Die Motivation ist gut und alle werden ihr Bestes geben“, ist er überzeugt. Das Stück soll ein Erlebnis werden, das einen bleibenden Eindruck hinterlässt und an das man sich noch lange mit Freude erinnert, wünschen Huber und Schulze dem ehrgeizigen Vorhaben.
Premiere ist am 22. Juli, 20 Uhr in Putzleinsdorf. Gespielt wird bis 30. Juli.
Karten gibt es bei allen Raiffeisenbanken, Ö-Ticket oder unter www.leinenhändlersaga.at.
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