Wie es sich anfühlt, als junger Mensch den Lebensmut zu verlieren
SARLEINSBACH/BEZIRK. Sabrina ist 16 Jahre alt und schlitterte in der Coronazeit in eine Depression. So wie ihr geht es vielen jungen Leuten in dieser Pandemie, weshalb auch der Bedarf in der Beratungsstelle Mikado spürbar angestiegen ist. Tips-Leser können mithelfen, dass die Sorgen und Ängste von Kindern und Jugendlichen gehört werden.
Eigentlich lebte Sabrina (Name geändert) ein relativ unbeschwertes, zufriedenes Leben. Die Trennung ihrer Eltern, als sie neun Jahre alt war, war anfangs hart, aber allmählich hat sie sich daran gewöhnt. Sie hatte Freundinnen und die Schule war okay. Dann kam Corona. „Den ersten Lockdown fand ich zu Beginn ja noch ganz cool. Schulfrei zu haben hörte sich gut an, bis mir klar wurde, was das alles wirklich für mich, meine Freunde, meine Familie und die ganze Gesellschaft bedeutet. Die fehlende Routine, keine Freunde treffen, nicht fortgehen, die Sorgen um Opa und Oma. Schnell wurde die Freude getrübt“, erzählt die 16-Jährige.
„Reiß dich doch zusammen“
Richtig schlimm wurde es jedoch dann letztes Jahr im Oktober und November, als der nächste Lockdown kam. „Den ganzen Tag vorm Laptop, zahlreiche Arbeitsaufträge, wo ich völlig den Überblick verloren habe, und die immer stärker werdenden Zweifel.“ Sabrina zweifelte an allem: an sich selbst und ihrem Aussehen, an ihren Eltern, ob sie die Schule schaffe – und ob das Leben überhaupt noch einen Sinn mache?
Auch ihre Eltern waren Corona-bedingt angespannt: Da gab es berufliche Sorgen, Home-Office mit Sabrinas kleiner Schwester und eine pflegebedürftige Oma. Sabrina kam da zu kurz: „Ich fühlte mich unverstanden, wollte mit niemandem darüber reden. Meine Eltern waren selber sehr gestresst und meinten nur: „Reiß dich doch zusammen, oder geh einfach mal raus.““ Sabrina fühlte sich alleine, von der ganzen Welt unverstanden und zog sich immer mehr zurück. „Ich machte immer weniger für die Schule, weil es einfach nicht mehr ging. Mein Zimmer war mein Rückzugsort. Die Jalousien unten, die Tür zu, ich habe nichts gelernt, mit niemandem mehr telefoniert, keine Arbeitsblätter mehr gemacht, habe aufgehört zu essen und ganz viel geschlafen. In der Nacht wiederum konnte ich fast gar nicht mehr schlafen wegen der quälenden Gedanken. Ich war dann auch oft nächtelang am Handy. Einfach um die unangenehmen Gedanken und die Zeit zu vertreiben.“ Für Sabrina hatte alles keinen Sinn. „Lass den Scheiß hinter dir. Wozu willst du weiterleben?“, fragte sie sich. Sie hatte keine Kraft mehr.
Lernen, mit Corona zu leben
Nach Wochen in diesem Zustand der Leere und Isolation klopfte ihre Mama an die Tür und meinte, so könne es nicht weitergehen, sie mache sich Sorgen. „Erstmals seit Corona hatte ich das Gefühl, dass sie sieht, wie es mir geht“, blickt das junge Mädchen zurück. Nach einem Gespräch, sehr offenen Worten und vielen Tränen beschlossen die beiden, Hilfe zu suchen.
Inzwischen war Sabrina einige Male im Mikado, einer Einrichtung des Arcus Sozialnetzwerks. „Ich weiß jetzt, dass ich nicht allein bin mit meinen Problemen, jemand hört mir zu und gibt mir Tipps, wie ich mein Leben mit Corona gestalten kann.“ Musik tut der Schülerin sehr gut, reden und Kontakte halten, aber auch rausgehen und sich bewegen hilft. „Ich kann jetzt die Welt wieder anders sehen. Es dreht sich nicht mehr alles um Corona.“
Steigender Bedarf
Vielen in Sabrinas Alter ergeht es ähnlich. Für sie alle ist wichtig, dass sie Unterstützung und ein offenes Ohr finden. Die Spenden aus unserer Weihnachtsaktion Glücksstern gehen deshalb dieses Jahr an die Beratungsstelle Mikado mit Sitz in Sarleinsbach. Diese ist auf finanzielle Unterstützung angewiesen, um die Beratungskapazitäten ausbauen und den steigenden Bedarf abdecken zu können.
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