Warum Judensterne bei Corona-Demos ein falsches Signal sind
HASLACH/ALTENFELDEN/BEZIRK. Wenn Geschichtslehrerin Ludmilla Leitner mit ihren Schülern im Rohrbacher Gymnasium über den Holocaust redet, kommen zwangsläufig auch Verschwörungstheorien und Corona-Demonstrationen zur Sprache, bei denen Nachbildungen von Judensternen auftauchen. „Ungeimpft“ wird hier mit dem Schicksal Millionen unschuldiger Menschen gleichgestellt.
Nicht nur am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust (27. Jänner) macht Leitner die Judenverfolgung und Rechtsextremismus zum Thema. Die Historikerin aus Haslach hat es sich zur Herzensaufgabe gemacht, über die rechte Szene und die nationalsozialistischen Vernichtungslager aufzuklären, damit sich Geschichte nicht wiederholt. Deshalb kann sie auch nicht verstehen, dass bei den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen Judenstern-Persiflagen getragen werden. „Die Judenverfolgung damals kann man nicht mit dem vergleichen, was bei uns passiert“, macht Ludmilla Leitner deutlich.
„Absolut gefährliche Entwicklung“
Die Verharmlosung des Holocaust kommt der rechten Szene genau recht. „Corona hat dem Rechtsextremismus einen Nährboden bereitet. Es ist eine absolut gefährliche Entwicklung, wenn man sich die Teilnehmenden von Demonstrationen anschaut: Da marschieren Rechtsextremisten und Identitäre neben Familien und Kindern und instrumentalisieren Leute, die nur aus Angst vor der Impfung zusammentreffen. Hier wird Unwissenheit bewusst ausgenutzt“, sagt Leitner. Für die Identitären seien die Demos eine Plattform, um neue Mitglieder zu rekrutieren. „Hier kommen sie mit vielen Leuten ins Gespräch – und sie sind gebildet, eloquent und vermeiden negativ besetzte Wörter, damit man den rechten Hintergrund nicht sofort erkennt.“ So wird etwa nicht mehr von Rasse, sondern von Ethnie oder Kultur gesprochen; es heißt nicht mehr Ausländer raus, sondern Remigration jetzt.
Jüdische Bevölkerung in der Minderheit
Ein Blick rund 80 Jahre zurück zeigt, dass jüdische Mitbürger im Oberen Mühlviertel damals eine Minderheit darstellten. „Die meisten Juden haben zum Zeitpunkt des Einmarschs in Wien gelebt – 1938 war jeder zehnte Wiener Bürger jüdisch“, weist die Historikerin auf das Stadt-Land-Gefälle und das Ost-West-Gefälle hin. „Euthanasie im Dritten Reich, die Ermordung von Menschen mit Behinderung, war viel mehr Thema in unserer Region.“
Umerziehungslager in Doppl
Allerdings gab es in Doppl bei Altenfelden ein „Umerziehungslager für arbeitsungewohnte Juden“. Dieses war von Sommer 1940 bis September 1942 in der ehemaligen Pappenfabrik Doppl eingerichtet und war ein reines Arbeitslager, in dem jüdische Männer und Burschen im Straßen- und Gleisbau, für Forstarbeiten und in der Landwirtschaft sowie im Steinbruch eingesetzt wurden. Vor allem die Jugendlichen wussten nicht, was sie in Doppl erwartet; anfangs haben sie noch geglaubt, es handle sich um ein „Hachschara“-Lager, das sie auf die Auswanderung nach Palästina vorbereite.
Die sehr harten Lebens- und Arbeitsbedingungen im Lager sprachen sich schnell herum. Zeitzeugen berichteten später, dass sie hier unter SS-Aufsicht teilweise mit der Reitpeitsche zur Arbeit angetrieben wurden. Nach einer „schwarzen Brühe oder auch Kaffee genannt und einer dünnen Scheibe Brot zum Frühstück“ musste zwölf Stunden am Tag fast ohne Unterbrechung durchgearbeitet werden. Nur zu Mittag gab es eine kurze Rast, bei der „Schlangenfraß als Essen“ vorgesetzt wurde. Auch kranke Lagerinsassen wurden aus ihren Betten getrieben, manchmal wurden ihnen jedoch auch einige Tage Bettruhe zugestanden. 1942 reduzierte sich die Zahl der jüdischen Arbeitskräfte immer mehr, die meisten von ihnen wurden deportiert und an ihre Stelle traten nichtjüdische Zwangsarbeiter.
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