Tierischer Geschichtenerzähler: mit der Kamera auf der Pirsch
JULBACH. Seit fast 15 Jahren ist Stefan Anzengruber schon auf der Pirsch im Böhmerwald. Fürchten muss sich die Tierwelt aber nicht vor dem Julbacher. Er schießt nur mit der Kamera und hält magische Augenblicke im Leben der heimischen Fauna gekonnt fest.
von unserer freien Redakteurin CHRISTIANE SEUFFERLEIN
Wenn der Gimpel mit dem Grünfinken streitet, die Schwanzmeisen einen trauten Moment am verschneiten Ast miteinander teilen oder Fuchs und Hase sich im heimischen Wald „gute Nacht“ sagen, ist Stefan Anzengruber dabei. Der Tier- und Naturfotograf erzählt mit seinen Bildern viele kleine Geschichten – dramatische, romantische, humorvolle, berührende. Seine Hauptdarsteller, die heimische Tierwelt, rückt der Julbacher dabei so gekonnt in Szene, dass selbst eine einfache Meise zur exotisch anmutenden Schönheit wird, denn: „Wer die Meise nicht ehrt, ist den Hirsch nicht wert“, ist Anzengruber überzeugt.
Wissen, Geduld und Ruhe
So leicht, anmutig und scheinbar zufällig seine Bildsprache auch ist, mit Schnappschüssen hat diese Kunst nichts zu tun. Um wilden Tieren in ihrer natürlichen Umgebung so nah zu kommen, braucht es neben Geduld und Ruhe vor allem viel Wissen und Erfahrung. Beides hat sich der Fotograf schon in jungen Jahren angeeignet: „Als Bub bin ich mit dem Gucker losgezogen und habe stundenlang die Tiere beobachtet. Irgendwann wollte ich die Bilder dann auch festhalten und hab mir das Handwerk langsam erarbeitet.“
Das Klicken des Auslösers ist dabei nur ein kleiner Teil. Lange bevor das Bild endlich im Kasten ist, wandert Anzengruber regelmäßig seine Gebiete im Böhmerwald ab und versucht, seine Motive aufzuspüren: „Jedes Tier hat seine Zeit und natürlich auch Habitate und Orte, an denen man Glück haben kann. Besonders im Winter, wenn Spuren besser sichtbar sind und das fehlende Laub der Bäume andere Einblicke schafft, eröffnen sich die Geschichten der Waldbewohner. Ich weiß, wenn der Luchs durchzieht oder ein anderes Raubtier in der Nähe ist. Jedes Rascheln ist verräterisch, ebenso wie das Geräusch-Repertoire der Vögel. Hören Amseln im Wald plötzlich auf zu singen und gehen zu Gezeter über, ist die Chance groß, dass ein großer Räuber wie der Marder, der Fuchs oder der Wolf in der Nähe sind. Ihn zu fotografieren wäre ein großer Traum.“
Über den Wolf gestolpert
Einmal wäre dieser Wunsch auch fast wahr geworden: „Sowohl über den Wolf, der direkt vor mir einen Weg gekreuzt hat, als auch über eine Wildschweinrotte samt Frischlingen bin ich regelrecht gestolpert. Aber die besten Fotos in meinem Leben habe ich leider nicht gemacht – einfach nur, weil ich keine Kamera dabei hatte.“ Die Wildschweine sorgten dann auch für eine brenzlige Situation: „Ich habe die Rotte gesehen und wollte einfach nur schnell mit der Handykamera einen Schnappschuss machen. Da startete die Bache einen Scheinangriff. Glücklicherweise drehte sie dann wieder ab, weil ein wütendes Wildschwein ist kein Spaß!“
Die innere Einstellung zählt
Normalerweise sind die Fotografie-Ausflüge aber wesentlich unspektakulärer. Drei bis vier Stunden im Schnitt sitzt der Fotograf, Sommer wie Winter, ganz still, um ein Bild zu bekommen, oder eben auch keins. Wichtiger als sich dabei gut zu tarnen, ist für Anzengruber die innere Einstellung: „Wenn ich gestresst oder grantig bin, brauche ich es gar nicht probieren. Da komm ich dann am Ende zwar entspannter heim, aber sicher ohne Foto. Wenn es mir gut geht und ich den Moment in der Natur richtig genieße, kommen die Tiere oft sogar neugierig auf mich zu. Die wissen scheinbar, dass ich ihnen nichts tun will.“
Beitrag zum Artenschutz
Obwohl Anzengruber betont, dass seine Leidenschaft für Natur und Fotografie ein Hobby ist und auch bleiben soll, will er trotzdem etwas bewirken: „Man schützt, was man kennt. Mit meinen Bildern möchte ich die Schönheit der Tierwelt rund um uns zeigen und damit auch zum Artenschutz beitragen.“ Darum gibt er auch nie preis, wo genau seine Bilder entstehen, um ein Pilgern auf der Suche nach Luchs und Co. zu vermeiden.
Aktuell veröffentlicht Stefan Anzengruber seine Fotos nur auf seiner Facebook-Seite, obwohl er der Idee, ein Fotobuch herauszugeben, durchaus etwas abgewinnen kann. „Ja, ein Buch schwebt mir schon vor, aber erst, wenn ich alle wichtigen Tierarten, die es bei uns in der Umgebung gibt, auch beisammen habe. Da fehlen noch der Hirsch, der Wolf, so mancher Vogel. Wann das sein wird, ist auch gar nicht wichtig, das Leben mit und in der Natur ist einfach mein Antrieb und das wird sich auch nicht ändern, wenn ich alle fotografischen Trophäen gesammelt habe.“
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