SCHÄRDING. In Social Medien wie Facebook kursieren zahlreiche Falschmeldungen über Asylwerber und Flüchtlinge. Von tausend Euro und mehr an Sozialleistungen sollen diese laut einigen Posts erhalten. Wie viel Geld Asylwerber und Flüchtlinge in Österreich in Wirklichkeit erhalten und zahlreiche andere Fakten erzählt Julia Obereder, Flüchtlingsbetreuerin der Caritas in Schärding, im Tips-Interview.
Tips: Häufig haben Asylwerber mit Vorurteilen zu kämpfen. Es wird z. B. kritisiert, dass sie Markenkleidung tragen: Woher kommt die Kleidung der Asylwerber?
Julia Obereder: Die meisten Asylwerber kommen nur mit dem, was sie am Leib tragen. Manche haben auch noch ein bis zwei Plastiksackerl mit Kleidung mit, aber niemand flüchtet mit einem Koffer voller Kleidung. Sie werden vorerst im Flüchtlingshaus ausgestattet – aus Sachspenden. Nachdem wir dankenswerter Weise viele sehr gut erhaltene Kleidungsstücke gespendet bekommen, sind hier auch Markenartikel dabei. Sie erhalten dann im Jahr 150 Euro an Bekleidungsgutscheinen, um sich Kleidung kaufen zu können.
Tips: Auch die Tatsache, dass Flüchtlinge Handys und Fahrräder besitzen, wird kritisiert.
Obereder: Wer im Heimatland ein Handy besitzt, nimmt das natürlich mit. Manche kaufen sich die Handys auch in Österreich, allerdings gebraucht. Der Vorteil eines Smartphones ist, dass sie über Skype oder Viber gratis mit ihren Familien telefonieren können und das meistens die einzige Möglichkeit ist, den Kontakt zur Familie aufrechtzuerhalten. Ein gebrauchtes Smartphone erhält man ab 30 Euro. Die Fahrräder sind alle gebraucht und gespendet.
Tips: Wie viel Geld hat ein Asylwerber pro Tag zur Verfügung?
Obereder: Asylwerber, die in einem Flüchtlingshaus leben, erhalten 5,50 Euro pro Tag, also etwa 170 Euro im Monat und müssen sich mit diesem Betrag selbst versorgen. Im Bezirk Schärding werden nur Selbstversorgungsquartiere geführt. Das heißt, dass Asylwerber selbst einkaufen und kochen. In Quartieren, wo Asylwerber mit Mahlzeiten versorgt werden, erhalten sie dann nur 40 Euro Taschengeld im Monat.
Tips: Warum flüchten großteils Männer?
Obereder: Eine Flucht ist teuer und gefährlich. Pro Person müssen bis zu 10.000 Euro an Schlepper bezahlt werden. Eine Familie kann es sich oft nicht leisten, gemeinsam zu flüchten. Es wird der ausgewählt, der den Strapazen am ehesten standhält. Das sind oft die Väter oder die erstgeborenen Söhne. Für Frauen und Kinder ist die Flucht noch gefährlicher. Viele vor allem junge Männer sind außerdem in Syrien stark gefährdet, von einer Miliz oder Terrorgruppe vereinnahmt zu werden. In den meisten Fällen befindet sich die Familie auch nicht mehr im Herkunftsland, sondern bereits in einem angrenzenden Staat. In den Nachbarländern von Syrien sind Millionen von Flüchtlingen untergekommen, zumeist unter sehr schlechten Bedingungen.
Tips: Dürfen Asylwerber arbeiten?
Obereder: Für Asylwerber ist es in Österreich kaum möglich eine Arbeitsbewilligung zu bekommen. Arbeiten ist also de facto praktisch ausgeschlossen. Erst wenn das Asylverfahren positiv abgeschlossen ist und festgestellt wurde, dass jemand in Österreich bleiben darf, erhält der Flüchtling uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Das kann einige Jahre dauern. Asylwerber können nur gemeinnützige Arbeiten im geringen Ausmaß annehmen, weil dafür keine Arbeitsbewilligung notwendig ist. Dazu zählt zum Beispiel die Reinigung von öffentlichen Plätzen, die in Schärding täglich von Asylwerbern übernommen wird. Sie erhalten dafür einen Anerkennungsbeitrag von wenigen Euro pro Stunde.
Tips: Wie sieht es mit der Ausbildung von Minderjährigen aus?
Oberder: Minderjährige Asylwerber dürfen die Schule besuchen und junge Erwachsene bis 25 Jahre dürfen unter gewissen Voraussetzungen eine Lehre beginnen. So muss es sich z. B. um einen Lehrberuf handeln, in dem es nicht genügend Arbeitskräfte gibt und für den kein Österreicher oder eine andere Person mit Arbeitserlaubnis in Frage kommt.
Tips: In letzter Zeit waren Zeltstädte und Containerdörfer immer wieder Thema in der Öffentlichkeit.
Obereder: Container sind natürlich der Unterbringung in Zelten vorzuziehen. Allerdings sollte es bei so vielen leer stehenden Gebäuden in Österreich möglich sein, Asylwerber adäquat in Quartieren unterzubringen.
Tips: Wie sieht die optimale Unterbringung von Asylwerbern aus?
Obereder: Das Flüchtlingshaus in Schärding, das ehemalige Alten- und Pflegeheim, ist für uns ideal. Lage und Infrastruktur sind gut und die Zimmeraufteilung ebenso. Ausreichend Sanitär- und Kochmöglichkeiten sowie ein großer Raum für den Deutschkurs und die Hausversammlung sind vorhanden. Die Asylwerber wohnen gerne hier.
Tips: Welche Schicksale stehen hinter den Flüchtlingen?
Obereder: Ein Großteil der Flüchtlinge, die Österreich erreichen, kommt aus Syrien, wo seit mittlerweile vier Jahren Krieg herrscht. Menschen aus Syrien konnten lange keinen Alltag erleben. Täglich waren sie konfrontiert mit Krieg, Blut, Tod und Leid. Die Syrer erzählen mir, es gäbe für sie nur die Möglichkeit, sich einer Gruppierung anzuschließen und zu kämpfen oder getötet zu werden. Sie erzählen von Familie und Freunden, die sie haben sterben sehen. Sie erzählen von unglaublich viel Leid und weinen.
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