Weitere Angebote

Sociale Medien

Kontakt

Schaulustige behindern Einsatzkräfte - Zivilcourage überwiegt im Bezirk noch

Elena Auinger, 05.07.2017 13:06

BEZIRK SCHÄRDING. Videos und Fotos von Unfällen und Katastrophen verbreiten sich im Internet meist wie ein Lauffeuer. Aufgenommen werden diese oft von Schaulustigen, die nicht selten mit diesen Aufnahmen die Privatsphäre der Opfer und Helfer verletzten und zusätzlich die Einsatzkräfte bei ihrer Arbeit behindern. Tips bat Bezirkspolizeikommandant Matthias Osterkorn zu diesem Thema zum Interview.

  1 / 2   Die Polizei hat auf Basis des Sicherheitspolizeigesetzes das Recht Personen vom Einsatzbereich wegweisen zu können. Wenn nötig auch unter Gewaltanwendung. Foto: Weihbold

Tips: Hat die Polizei im Bezirk mit Schaulustigen zu kämpfen? Wie ist die Polizei von „Gaffern“ und „sensationshungrigen Bürgern“ betroffen?

Bezirkspolizeikommandant Matthias Osterkorn: Speziell bei Großschadensereignissen wie Unwetterkatastrophen und Bränden oder bei Verkehrsunfällen und dergleichen stellen Schaulustige alle Blaulichtorganisationen immer wieder vor unnötige Herausforderungen.

Tips: Welche Probleme können sich für die Polizeiarbeit durch Schaulustige ergeben?

Osterkorn: Gehen wir einmal von einer der häufigsten Arten des täglichen, polizeilichen Einsatzes aus, die Abwicklung eines Verkehrsunfalles. Hier findet mitunter bereits eine Behinderung beim Zufahren der Einsatzkräfte statt. Vorbeifahrende Neugierige fotografieren durch das Autofenster, statt zügig vorbei zu fahren.

Tips: Nimmt das Problem auch im Bezirk zu?

Osterkorn: Aus den Erfahrungen der letzten Jahre stellt dies ein gleichbleibendes Problem dar. Das jüngste größere Ereignis war das verheerende Unwetter in Haibach im letzten Sommer. Hier wurde ich vom Bezirksfeuerwehrkommandanten ersucht, die behördlich erlassenen Fahrverbote strikt überwachen zu lassen, da immer wieder Schaulustige in die abgesperrte Zone mit dem PKW fuhren und dadurch ein ungehindertes Arbeiten der eingesetzten Feuerwehren absolut nicht möglich war.

Tips: Schaulustige bei Unfällen oder diversen Katastrophen gab es schon immer. In Zeiten von Facebook & Co. hat diese Problematik aber ganz neue Dimensionen angenommen: Welche Probleme treten hier auf?

Osterkorn: Im Zeitalter des Internets hat sich ein absoluter Wettkampf um das bessere Video oder Foto entwickelt, wodurch teilweise das Recht zum Schutz der Privatsphäre mit Füßen getreten wird.

Tips: In wie weit hat die Polizei Handlungsspielraum bei Schaulustigen? Wie sieht hier die rechtliche Situation aus?

Osterkorn: Die Polizei hat auf der Basis des Sicherheitspolizeigesetzes ein Durchgriffsrecht im Einsatzbereich, sprich am Vorfallsort. Dies kann bis zur Wegweisung unter Gewaltanwendung führen, sofern eine mündliche Aufforderung keine Wirkung zeigt.

Tips: Hat die Sensationsgier die Zivilcourage (sprich lieber Filmen/Fotografieren statt Helfen) bereits abgelöst?

Osterkorn: Ich denke, im ländlichen Bereich ist es mit der Zivilcourage nach wie vor nicht schlecht bestellt.

Tips: Wie verhalte ich mich richtig, wenn ich an einem Einsatzort vorbeikomme, bei dem die Rettungskräfte bereits vor Ort sind?

Osterkorn: Von der allgemeinen Hilfeleistungspflicht abgesehen, sollte man in aller Ruhe analysieren, welchen konstruktiven Beitrag kann ich im speziellen Fall leisten.

Auch das Rote Kreuz kennt das Problem, wird aber selten gestört

Nicht nur die Polizei sondern auch das Rote Kreuz kennt das Problem mit Schaulustigen, kann jedoch berichten, dass ihre Arbeit eher selten von sensationshungrigen Bürgern gestört wird. „Natürlich kommt es immer wieder vor, dass gerade auf öffentlichen Plätzen oder bei größeren Veranstaltungen auch Schaulustige vor Ort sind. Was man aber ehrlich sagen muss, ist, dass eine Störung unserer Arbeit dadurch die ganz klare Ausnahme ist“, sagt Florian Kurz, Bezirksgeschäftsleiter des Roten Kreuzes Schärding.

Behinderung der Einsatzfahrzeuge

Wenn es im Zuge eines Einsatzes aber doch mal zu größeren Menschenansammlungen kommt, dann ist für das Rote Kreuz das größte Problem, „dass manchmal kein oder nur langsam Platz gemacht wird, um Einsatzfahrzeuge selbst mit Blaulicht und Sirene durchfahren zu lassen.“ Das größte Problem ist somit die Behinderung von Einsatzkräften auf der Straße und damit verbunden ein späteres Eintreffen der Rettung. Ein weiteres Problem sieht Kurz im Schutz der Privatsphäre für alle Beteiligten sowie darin, dass Tatsachen falsch dargestellt werden können. „Man sieht immer wieder Videos im Internet von Einsätzen wo sich die Einsatzkräfte vermeintlich total falsch verhalten. Bei diesen Videos sieht man aber oft nur die halbe Wahrheit und daraus können völlig falsche Bilder vom Verhalten der Einsatzkräfte entstehen“, so Florian Kurz.

Zivilcourage rettete Leben

Dass die Sensationsgier die Zivilcourage bereits abgelöst hat, kann Kurz nicht bestätigen: „Ganz im Gegenteil, wir können gerade in letzter Zeit auf einige Fälle zurückblicken, in denen Ersthelfer zu echten Lebensrettern geworden sind. Gerade im Bereich der Wiederbelebung hatten wir in den letzten Monaten mehrere Fälle in denen ohne die Maßnahmen der Ersthelfer die Patienten wahrscheinlich nicht überlebt hätten.“


Kommentare sind nur für eingeloggte User verfügbar.

Jetzt anmelden