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Krankenpfleger Daniel Winter aus Esternberg: „Wir kommen täglich an unsere Belastungsgrenze“

Elena Auinger, 21.12.2020 10:19

ESTERNBERG. Daniel Winter aus Esternberg ist täglich mit dem Corona-Virus konfrontiert. Er arbeitet seit etwa zwei Monaten auf der Covid-Akut-Station im Hanusch-Krankenhaus Wien. Im Tips-Interview erzählt der Pfleger mit Herz wie sein Arbeitsalltag aussieht, welche Herausforderungen es zu meistern gibt und was er über die Corona-Impfung denkt.

  1 / 4   Daniel Winter ist nach einem 12-Stunden-Tag auf der Covid-Akut-Station völlig durchgeschwitzt und erschöpft. (Foto: privat)

Tips: Sie arbeiten auf der Covid-Akut-Station im Hanusch-Krankenhaus Wien: Ist das eine Intensivstation und warum haben Sie von der Hämatologie auf diese Station gewechselt?

Daniel Winter: Nein, die Station ist keine Intensivstation. Die Covid-Akut-Station im Hanusch-Krankenhaus versorgt alle Patienten mit einem positiven Covid-Befund sowie schweren Verläufen. Diese beinhalten alle Nebenwirkungen und Probleme einer COVID-Infektion wie Atembeschwerden, starke Kopfschmerzen, Durchfälle usw. Auf der Station wird unter anderem mit speziellen Sauerstoffgeräten (AIRVO) gearbeitet, um Patienten bei der Atmung Unterstützung zu geben. Ebenso erhalten die Patienten die bestmögliche medizinische sowie pflegerische Versorgung. Ich habe freiwillig von der Hämatologie auf die Covid-Akut-Station gewechselt, um in Zeiten der Pandemie Patienten pflegerisch bestmöglich zu betreuen und zu unterstützen. Auch muss betont werden, dass viele meiner Kollegen ebenfalls freiwillig auf die Station gewechselt haben. Wir sind ein Team aus verschiedenen Fachbereichen, somit kann jeder seine Erfahrung miteinbringen und gemeinsam schaffen wir daher eine ganzheitlich und pflegerisch hohe Qualität in der Patientenversorgung. Durch meine langjährige Berufserfahrung habe ich mich bestärkt gefühlt, auch der Herausforderung hier zu arbeiten, gewachsen zu sein.

Tips: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag im Moment aus? Vor allem die Arbeit im Schutzanzug?

Winter: Ich bin nun seit etwa zwei Monaten auf der COVID-Station der 3. Medizinischen Abteilung des Hanusch-Krankenhauses und unser Arbeitsalltag umfasst 12-Stunden-Dienste in Tages- und Nachtschichten in voller Schutzausrüstung. Dies bedeutet, wir müssen jedes Mal eine komplette Ausrüstung tragen. Eine korrekte hygienische Arbeitsweise ist Grundvoraussetzung, wenn wir zu den Patienten in die Zimmer gehen. Das erschwert die Pflege sehr. Wir schwitzen sehr unter der Schutzkleidung und bekommen schlecht Luft. Das merken auch die Patienten und bedanken sich jedes Mal, wenn wir zu ihnen hereinkommen. Das ist wirklich rührend. Viele Patienten haben Hemmungen, nach uns zu klingeln, weil sie wissen, dass die Pflege anstrengend ist. Aber niemand sollte Hemmungen haben, uns zu rufen. Das ist unser Job. Wir sind die einzigen menschlichen Kontakte und wir tragen Mundschutz, Brille und Schutzanzug. Covid-19-Patienten sehen, solange sie auf der Station sind, kein einziges echtes menschliches Gesicht. Keine schöne Vorstellung. Daher haben wir uns Buttons unserer Gesichter gebastelt, damit die Patienten wissen, wie wir aussehen. Zusammengefasst sind die Dienste Schwerstarbeit. Am Ende des Tages kommt man trotz anstrengendem Dienst nach Hause und weiß, man hat jemanden geholfen und dort Unterstützung geboten, wo sie dringend gebraucht wird. Da die Station in Reinbereich und Unreinbereich aufgeteilt ist, sind Pausen und WC-Gänge gut einzuplanen. Wenn man im unreinen Bereich eingeschleust ist, sind ein Toilettengang sowie Pausen nicht möglich. Dort halten wir uns bis zu drei Stunden auf, ohne Pause. Nach dem Ausschleusen in den Reinbereich ist eine Pause unumgänglich, um den weiteren Arbeitsalltag zu schaffen. In diesem Sinne möchte ich mich auch bei der kollegialen Führung des Hanusch-Krankenhauses für das Bereitstellen von Säften und einem Gratis-Mittagessen bedanken, das uns dann wieder Kraft und Energie gibt, die Arbeitsanforderungen weiter gut bewältigen zu können.

Tips: Wie verarbeitet man die Schicksale der Patienten gerade jetzt, wo auch Besucher nicht erlaubt sind? Ihr kämpft ja sozusagen täglich um das Leben dieser Patienten?

Winter: Einfühlungsvermögen ist ein sehr wichtiger und großer Part unserer Arbeit, die Grenze zwischen Empathie und eigener Abgrenzung ein Seiltanz. Die Belastung ist sehr hoch. Wir kommen nach unseren Diensten nach Hause und wissen nicht, wie der morgige Tag/Nacht verläuft. Patienten werden über Nacht aufgrund einer Verschlechterung ihres Zustandes auf die Intensivstation verlegt, werden neu eingeliefert, verschlechtern sich stark. Oder sie sterben. Wir können nicht planen, nicht mal von Tag zu Tag. Wir kommen wirklich täglich an eine immense Belastungsgrenze. Wissen aber auch, wie sehr wir gebraucht werden. Dieses Gefühl beflügelt irgendwie. Deshalb ist die Stimmung momentan noch gut. Es klingt komisch, aber Covid hat uns als Team echt zusammengeschweißt und unser Zusammenhalt ist groß, denn nur gemeinsam können wir durch diese Pandemie kommen.

Tips: Ich habe gehört, dass das größte Problem ist, dass Covid-19-Intensivpatienten durchschnittlich viel länger auf der Intensivstation sind als „normale“ Intensivpatienten: ist das tatsächlich so?

Winter: Die Liegedauer der Patienten ist mit aber auch ohne Corona situationsabhängig. Auch in den verschiedenen Fachbereichen liegen Patienten je nach Erkrankung unterschiedlich lange. Allgemein beobachte ich neben der besonderen Schwere der kritischen COVID 19 Verläufe auch die lange Dauer der Krankenhausaufenthalte. Das hatte sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt gezeigt und wird durch weitere Erfahrungen zunehmend bestätigt. Auch wenn es Unterschiede nach Kliniken und Regionen gibt, wird hier von Aufenthalten von zwei bis vier Wochen ausgegangen. Das ist deutlich länger als die sonstige durchschnittliche Liegedauer auf Intensiv- und Bettenstationen.

Tips: Welche Beschwerden haben die Corona-Patienten?

Winter: Covid-19-Patienten sind sehr verunsichert. Die meisten machen sich Sorgen, dass sie zu spät gehandelt haben und womöglich ihre Familie oder Freunde angesteckt haben. Viele schämen sich - müssen sie aber nicht, denn die Krankheit kann jeden treffen. Bei einigen kommt irgendwann die Angst, um das eigene Leben dazu. Bei schweren Verläufen bekommen die Patienten immer schlechter Luft, sie haben Angst, dass sie ersticken müssen. Weitere Symptome können Fieber, Durchfälle, Abgeschlagenheit usw. sein. Eine weitere Sorge ist natürlich, ob man sich wieder gut erholt und in sein häusliches Umfeld zurückkehren kann. Auch der zwischenmenschliche Kontakt fehlt – da kein Besuch möglich ist.

Tips: Wenn Ihre Schicht zu Ende ist: wie geht es Ihnen dann?

Winter: Wenn meine Schicht vorbei ist, versuche ich mich so gut wie möglich abzugrenzen. Nach einem 12-Stunden-Dienst in voller Schutzausrüstung, sind wir am Ende durchgeschwitzt und wirklich erschöpft– man kommt heim und fällt ins Bett, die Abende nach den Diensten sind gelaufen, da die Müdigkeit und Abgeschlagenheit siegt.  Die Regenerationsphasen um sich zu erholen sind deutlich länger geworden. Um mich von den Herausforderungen meines Berufes zu erholen, verbringe ich Zeit in der Natur, mache Sport und im Background sind Familie und Freunde, die immer für mich da sind und ein offen Ohren für mich haben.

Tips: Was würden Sie im Moment als größte Herausforderung Ihrer Arbeit bezeichnen und warum?

Winter: Ich glaube, dass jeder Tag, egal in welcher Gesundheitseinrichtung man arbeitet, als herausfordernd beschrieben werden kann. ALLE die der Pandemie den Kampf ansagen, leisten alltäglich das Allerbeste – von der Reinigungskraft, den Krankenträgern, den Laboranten und den vielen anderen Berufsgruppen, die jeden Tag die Herausforderungen annehmen, die COVID 19 mit sich bringt und die gemeinsam das Bestmögliche für unsere Patienten zu erzielen.

Tips: Haben Sie Angst, dass Sie sich oder Ihre Mitmenschen mit dem Virus anstecken könnten?

Winter: Nein. Bei der Aufnahme haben wir ein sehr gutes Hygienekonzept im Haus, denn sobald Patienten positiv getestet wurden, kommen diese komplett isoliert auf die Station. Wir arbeiten nach höchsten Hygieneanforderungen und haben hier optimale hygienische Bedingungen. Wir haben genügend Schutzkleidung und müssen uns keine Gedanken darübermachen, dass wir nur noch 10 ml Desinfektionsmittel übrig haben. Deshalb habe ich keine Angst um mich - um meine Familie und Bekannte aber schon. Mein Opa ist im höheren Alter und gehört zur Risikogruppe. Leider gibt es immer noch Leugner, die sogenannten „Querdenker“, die nicht wahrhaben wollen, wie schwerwiegend die Erkrankung ist. Diese Menschen lade ich gerne ein, einen Blick auf unseren täglichen Alltag zu werfen, wo jeden Tag um das Leben so vieler Menschen gekämpft wird. Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Aber es wird momentan hart auf die Probe gestellt. Und ich hoffe, dass es ein Gedankenanstoß ist und es nach der Krise Änderungen geben wird in Bezug auf die Rahmenbedingungen und der Wertschätzung dem Pflegepersonal gegenüber.

Tips: Was denken Sie über die Impfung? Werden Sie sich impfen lassen?

Winter: Ich werde mich impfen lassen, um in dem sensiblen Bereich in dem ich arbeite Patienten sowie Kollegen zu schützen. Erst wenn in mehreren Entwicklungsschritten (Herstellung, nichtklinische und klinische Studien) alle Anforderungen an die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Impfstoffes gemäß den gesetzlich-regulatorischen Vorgaben und wissenschaftlichen Standards erfüllt sind, erteilt das BASG/AGES Medizinaufsicht die nationale Zulassung, und auf das vertraue ich.


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