Sebastian Stadler: „Leidet der Bewegungsapparat, leidet der Geist“
BEZIRK SCHÄRDING. Die Semesterferien sind für Familien der perfekte Zeitpunkt für einen Skiurlaub. Jährlich verunglücken 23.000 Österreicher auf den Skipisten. Wie man sich aufs Skifahren vorbereiten kann, welche Verletzungen am häufigsten vorkommen und wie es generell mit der Fitness des Bewegungsapparates der Menschen bestellt ist, erklärt Sebastian Stadler, Physiotherapeut aus Stadl (Gemeinde Engelhartszell) im Tips-Interview.
Tips: Auf Österreichs Skipisten verletzen sich etwa 23.000 Personen pro Jahr: Was kann man als Skifahrer schon im Vorfeld tun, damit man auf den Skiern beweglicher und sicherer unterwegs ist?
Sebastian Stadler: Allgemein ist Skifahren ein gefährlicher Sport, bei dem man nie zu 100 Prozent sicher sein kann, verletzungsfrei zu bleiben. Man kann sich aber natürlich hinsichtlich Physis mit Präventionsübungen vorbereiten, u.a. mit allgemeiner Rumpfkräftigung und Mobilitäts-Übungen wie Skigymnastik. Daher ist es wichtig, schon im Vorfeld zu wissen, an welchen Stellen im Körper man seine Defizite hat und wie gut das eigene Können ist. Viele Verletzungen resultieren nämlich aus fehlender Körperwahrnehmung oder Selbstüberschätzung.
Tips: Was sind die häufigsten Verletzungen?
Stadler: Das kommt meistens auf die Schneekonsistenz an. Sind die Temperaturen wärmer und der Schnee schwerer, kommt es zum klassischen Knieschnee. Bei so einem Schnee reißen häufiger Kreuzbänder im Kniegelenk. Ist es eisig und glatt, kommen vor allem Schienbeinkopf- und Schulterverletzungen vor. In der Praxis habe ich am öftesten mit dem „unhappy triad“ zu tun – auf Deutsch eine Kombinationsverletzung aus vorderem Kreuzband-, Innenband- und Innenmeniskusriss. Das passiert meistens, wenn das Knie nach innen klappt und gleichzeitig eine gegensätzliche Drehbewegung von Unter- und Oberschenkel stattfindet.
Tips: Mit dem nahenden Frühjahr werden auch andere Sportarten, wie Laufen, Radfahren, Fußball oder Tennis spielen, wieder intensiver ausgeübt: Welche Tipps können Sie als Physiotherapeut Hobbysportlern geben, damit sie fit in die neue Frühjahrssportsaison starten können?
Stadler: Hobbysportler sollten beachten, die goldene Mitte zwischen Belastung und Belastbarkeit des Körpers zu finden, um zukünftigen Verletzungen vorzubeugen. In der Sportphysiotherapie wird oft der Satz „Low Load to High Load“ verwendet. Das bedeutet, man soll zum Start der Saison immer eine niedrige Belastung wählen und diese langsam progressiv steigern. Wesentliche Bedeutung wird auch der Regeneration zugeschrieben, die leider immer häufiger in den Hintergrund gerät. Nur die Beine hochzulagern reicht leider nicht aus, denn richtige Ernährung, ausreichend Schlaf und Stressabbau sind unter anderem essenzielle Faktoren zu einer adäquaten Regeneration des Organismus. Meine Empfehlung ist daher ein angepasstes und optimales Krafttraining für jeden Sportler, um die Verletzungsrate langfristig zu reduzieren. Abschließend ist noch hinzuzufügen, dass aus wissenschaftlicher Sicht eine isolierte Muskeldehnung gegen Verletzungen leider nur einen geringen Effekt hat.
Tips: Seit der Corona-Pandemie erlebt Home-Office einen wahren Aufschwung. Was folgt ist ein zunehmender Bewegungsmangel: Wie wirkt sich das auf den Bewegungsapparat der Menschen aus?
Stadler: Bewegungsmangel ist für den Bewegungsapparat zwar nur ein Risikofaktor von vielen, doch es ist allgemein bekannt, dass sich dieser negativ auf den Körper auswirkt. Denn unterschiedliche Strukturen des Körpers, wie zum Beispiel der Knorpel, die Bandscheiben oder auch die Struktur des Knochens, brauchen Bewegung, um einen Stoffwechsel herbeizuführen, welcher durch Druck und Zug entsteht. Aber keine Angst, es braucht keinen Leistungssport, um einen guten Stoffwechsel in den Zellen zu haben – es reicht völlig aus, sich nach der Arbeit noch aktiv zu bewegen. Dies hat ebenfalls positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, denn leidet der Bewegungsapparat, leidet auch der Geist. Umgekehrt dasselbe.
Tips: Welche Übungen können Sie unseren Lesern empfehlen?
Stadler: Im Allgemeinen gibt es keine spezifischen Übungen für einen sitzenden Arbeitenden, denn jeder Körper braucht individuelle Übungen, die auf die jeweilige Problematik angepasst werden. Deshalb gibt es auch nicht die heilsbringende Übung. Von einer allgemeinen Mobilisation des Körpers oder Stärkung der Muskulatur profitieren die meisten Menschen, um häufige Beschwerden wie Rückenschmerzen in den Griff zu bekommen.
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