Bürgermeister Josef Leitner: „Bildung ist das Koks des dritten Jahrtausends“
WIESELBURG. Im großen Tips-Interview gibt Wieselburgs Ortschef Josef Leitner (47, SPÖ) Einblicke über aktuelle Projekte der Stadtgemeinde und zieht nach acht Monaten im Amt des Bürgermeisters ein erstes persönliches Fazit.
Tips: Herr Leitner, Sie sind seit April Bürgermeister der Stadtgemeinde Wieselburg. Wie fällt Ihr bisheriges Fazit aus?
Josef Leitner: Sehr gut, es macht mir großen Spaß. Wieselburg ist eine dynamische Stadt, wo jeden Tag etwas Neues auf die Stadtgemeinde zukommt. Der mir wichtige Kontakt mit den Bürgern, in Kombination mit den kommunalen Aufgaben, gestaltet die Arbeit als Bürgermeister sehr abwechslungsreich und interessant.
Tips: Was hat sich für Sie persönlich in Ihrem Alltag geändert?
Leitner: Natürlich hat sich durch das Bürgermeisteramt in meinem Alltag einiges geändert (Leitner arbeitet parallel zum Bürgermeisteramt als Leiter der Abteilung Betriebsservice und Funktionärsausbildung bei der AKNÖ, Anm. d. Red.). Das wichtigste dabei ist Organisation und ein gutes Zeitmanagement – dann geht sich alles aus (lacht).
Tips: Welche Projekte beschäftigen Wieselburg zurzeit?
Leitner: Es gibt bei uns momentan vier große Themen: die Umfahrung, das Gesundheitswesen, das Umwelt- und Energiethema und das Radwegenetz. Im Sog der Umfahrungsfertigstellung (geplante Eröffnung im Herbst 2020, Anm. d. Red.) entwickeln wir ein Verkehrsleitsystem, um die Verkehrsströme in der Stadt steuern zu können. Außerdem wollen wir die Umfahrung als Chance für Betriebsansiedlungen nutzen und ein neues Betriebsgebiet erschließen.
Tips: Die Umfahrung wird zum Teil sehr kontrovers diskutiert, vor allem bei Geschäftstreibenden in der Stadt. Wie ist Ihre Meinung?
Leitner: Die Umfahrung wird eine große Entlastung für die Stadtbevölkerung sein, denn der Durchzugsverkehr wird sich um 40 Prozent verringern. Zudem glaube ich, dass die immer stärker werdende tägliche Rush Hour auch Kunden verschreckt, die wir dann wieder haben. Ich stehe dem Ganzen sehr positiv gegenüber.
Tips: Im Gesundheitsbereich hat Wieselburg ein Förderpaket für Ärzte geschnürt – was steckt dahinter?
Leitner: Unsere strategische Ausrichtung als Stadtgemeinde liegt ganz klar in der Weiterentwicklung der niedergelassenen Gesundheitsversorgung. Mit dem Förderpaket möchten wir erreichen, dass sich mehr Praktische Ärzte und auch Fachärzte in Wieselburg ansiedeln.
Tips: Stichwort Umwelt und Energie – Wieselburg setzt schon seit vielen Jahren auf diese Themen.
Leitner: Ja, und das wollen wir auch so fortsetzen. In diesem Bereich gibt es nach wie vor viel Potenzial, sei es durch Schaffung grüner Naherholungsinseln im Stadtgebiet, Begrünung von Fassaden und Dächern, Bepflanzungsaktionen mit der Bevölkerung oder auch auf das Achten der Regenwasserversickerung bei neu bebauten Flächen. Aber auch klassische Themen wie neue Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden oder ein zweites Bürgerkraftwerk mit der Messe Wieselburg sind angedacht.
Tips: Der Umweltgedanke ist mittlerweile zu einem globalen und sehr populären Thema mit Millionen Unterstützern geworden. Fällt es aufgrund dieser Tatsache auf kommunaler Ebene einfacher, gewisse ökologische Projekte durchzuführen?
Leitner: Um ehrlich zu sein, hat der Umweltgedanke in Wieselburg bereits mit Günther Leichtfried vor mehr als 20 Jahren Einzug gehalten. Und auch mir ist dieses Thema extrem wichtig. Wir setzen diesen Weg fort, indem wir mit unserem Tun versuchen, Ökologie, Soziales und Wirtschaft in einen harmonischen Einklang zu bringen.
Tips: Auch beim Thema Radwegenetz tut sich einiges.
Leitner: Wir wollen mit unseren Radwegen nicht bei der Stadtgrenze aufhören, sondern die Wege in der Region (Bergland, Petzenkirchen, Wieselburg-Land) besser vernetzen – unter Berücksichtigung der überregionalen Radwege, die bei uns durchgehen (z. B.: Ötscherlandradweg).
Tips: Wieselburg ist nicht nur eine Schulstadt, sondern über die Jahre auch zu einer Studentenstadt gereift. Inwiefern profitiert die Stadtgemeinde von so viel Jugend?
Leitner: 800 Studenten sind im Verhältnis der Stadtgröße sehr viel und wir freuen uns natürlich, dass die jungen Menschen die Angebote der Fachhochschule annehmen und nach Wieselburg kommen. Viele Studenten bleiben ja auch nach ihrem Studienabschluss da, ob als Arbeitnehmer oder als Unternehmer. Das wollen wir in Zukunft noch stärker fördern, um aus der Bildung nachhaltige Wertschöpfung für die Stadt zu generieren. Bildung ist das Koks des dritten Jahrtausends.
Tips: „Schön langsam wachs ma z“samm“ – diesen Ausspruch tätigten Sie bei Ihrer Angelobung und spielten damit auf die kontinuierliche örtliche Verschmelzung der Gemeindegrenzen von Wieselburg und Wieselburg-Land an. Ist es denn vorstellbar, dass in absehbarer Zukunft aus zwei eins wird?
Leitner: Das Zusammenwachsen von Wieselburg und Wieselburg-Land ist ein Prozess, der durch laufendes Tun passiert. Was am Ende dieses Prozesses steht, wird man sehen. Beide Gemeinden haben viel gemeinsam, aber auch ihre Alleinstellungsmerkmale – beides wollen wir wahren.
Tips: Am 26. Jänner 2020 steht die Gemeinderatswahl an – wann beginnt Ihr Wahlkampf?
Leitner: In Wieselburg wird nicht gekämpft, sondern geworben (grinst). Aber auch das werden wir kurz halten und auf ein paar Wochen im Jänner beschränken.
Tips: Wofür stehen Sie politisch?
Leitner: Mir ist es sehr wichtig, Handlungsfelder nicht in Konkurrenz zu sehen, sondern sie positiv miteinander zu verknüpfen. Diese Felder sind für mich: Wirtschaft, Ökologie, Soziales, Bildung und Sicherheit. Es hat mich schon immer fasziniert, die Balance zwischen diesen Feldern zu finden und über den Eigennutz hinaus etwas für die Gesellschaft zu tun.
Tips: Warum hat es Sie als promovierter Akademiker (Sozial- und Wirtschaftswissenschaften) in die Politik und nicht in die Privatwirtschaft gezogen?
Leitner: Das hat sich vor rund 20 Jahren durch Zufall ergeben, als die Arbeiterkammer NÖ einen Wirtschaftler gesucht hat für betriebswirtschaftliche Arbeit. Meine Aufgabe war es, Betriebsräte von Mittel- und Großunternehmen wirtschaftlich zu begleiten. Dazu muss man eine Firma verstehen können, um die wirtschaftliche Situation richtig einschätzen zu können. Politisch interessiert und engagiert habe ich mich aber schon immer.
Tips: Was war der Berufswunsch des jungen Sepp Leitner?
Leitner: Ich wollte im technisch-wirtschaftlichen Bereich tätig sein.
Tips: Haben Sie politische Vorbilder?
Leitner: Ja, auf kommunaler Ebene ganz klar mein Vorgänger, Günther Leichtfried. Ansonsten haben mich Bruno Kreisky und Franz Vranitzky beeindruckt.
Josef Leitner im WORDRAP
Mein erstes Auto war... ein grüner Ford Sierra, Baujahr 1982.
Meine Freizeit verbringe ich... mit meiner Familie, beim Sport (Badminton, Radfahren) oder als Musikant (Steirische Harmonika) bei der Wieselburger Tanzlmusi.
Mein Lieblingsmusiker in der Jugend war... Freddy Mercury.
Darüber kann ich lachen... Ich lache immer herzhaft gerne. Man darf sich im Leben den Humor nicht rauben lassen.
Mein Lebensmotto lautet... Zielstrebig sein und dabei auf Familie und Freunde nicht vergessen.
Glück ist... wenn es mir bei all meinem Tun gut geht.
Wieselburg in drei Worten... Mehr vom Leben.
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