Geringerer Nachschub bei Allgemeinmedizinern bereitet Sorgen
STEYR/OÖ. Wird es in OÖ künftig genug ortsnahe niedergelassene Ärzte geben und wird unser Gesundheitssystem, eines der besten und teuersten, langfristig für alle gewährleistet sein? Diese Fragen beschäftigten jüngst den Seniorendialog in Steyr.
Landesobmann Josef Pühringer, Gesundheitsreferentin und LH-Stellvertreterin Christine Haberlander, der Direktor der OÖ Ärztekammer Felix Wallner sowie Michael Pecherstorfer, Vorsitzender des ÖGK Landesstellenausschusses, sprachen darüber im Museum Arbeitswelt.
„Wir haben zwar im OECD-Vergleich die zweithöchste Ärztedichte in Europa. Allerdings hat sich die Zahl der Medizinstudenten im Fach Allgemeinmedizin innerhalb von 15 Jahren um zwei Drittel reduziert. Zugleich haben bis Ende 2022 in Oberösterreich 104 niedergelassene Kassenärzte das 65. Lebensjahr erreicht“, so Pühringer. „Ebenfalls Sorgen macht uns die Überlastung des Ärztepersonals mit administrativen und pflegerischen Aufgaben, die in anderen Ländern nicht von Ärzten verrichtet werden.“ Der OÖ Seniorenbund verlangt daher Mitsprache in den Krankenkassen, „zumindest so wie es vor der Reform gesichert war – in allen Gremien, nicht nur in der Hauptversammlung, wie es jetzt vorgesehen ist“, so der Landesobmann.
Gute medizinische Versorgung ist gegeben
Sowohl im urbanen als auch im ländlichen Bereich ist in Österreich eine gute medizinische Versorgung gegeben. Laut einem OECD-Vergleich liegt Österreich was die Ärztedichte anlangt mit über fünf Ärzten pro 1.000 Einwohner hinter Griechenland auf Platz zwei. Da das Ärztepersonal, anders als in anderen Ländern, auch viele pflegerische und administrative Aufgaben übernimmt und in diese Statistik auch Turnusärzte eingerechnet sind – die in anderen Ländern nicht berücksichtigt werden – werfen diese Daten jedoch Fragen auf.
OÖ bei Ärztedichte im hinteren Bereich
Ein Blick auf Oberösterreich zeigt, dass die Ärztedichte im Vergleich zu den anderen Bundesländern hierzulande im hinteren Bereich rangiert. Während in Wien beinahe sieben (6,84) Ärzte auf 1.000 Einwohner entfallen, liegt dieser Wert in Oberösterreich bei 4,25, wodurch es den letzten Platz einnimmt. Für den Mangel an Ärzten im niedergelassenen Bereich sieht der Direktor der Ärztekammer OÖ Felix Wallner mehrere Gründe: „Österreich leistet sich den Luxus von insbesondere zu Deutschland deutlich abweichenden Aufnahmekriterien für das Medizinstudium, wodurch der Anteil an ausländischen Studenten, die nur zum Studieren nach Österreich kommen, sehr hoch ist.“ Das sei für die heimische Gesundheitsversorgung nicht optimal.
Hinzukomme der zunehmende Wahlarztanteil und das derzeitige Honorarsystem, die dazu führen, dass rund 40 Kassenstellen in Oberösterreich unbesetzt sind, so Wallner weiter. Die bevorstehenden Pensionierungen würden die Problematik zuspitzen. Der Vorsitzende des ÖGK Landesstellenausschusses OÖ Michael Pecherstorfer sieht die aktuelle Situation optimistischer. „Das österreichische Vertragsärzte-Netz ist sehr groß und dicht ausgebaut – allein in Oberösterreich gibt es 675 Stellen für Hausärzte und 455 für Fachärzte. Die gute Nachricht ist, dass 96% aller Arztstellen in Oberösterreich besetzt sind. Für die 4-Prozent-Lücke sind die Pensionierungswelle, weniger Medizinabsolventen, aber auch hartnäckige Fake News hinsichtlich dem Hausarztberuf, verantwortlich“, so Pecherstorfer.
Wirtschaftliche Gründe bei Stadt-Land-Gefälle
Die Situation in ländlichen Regionen wird durch die Abwanderung junger Erwachsene in den urbanen Bereich erschwert. Der Bedarf an medizinischem Personal steige zwar einhergehend mit der wachsenden Zahl älterer Menschen. Dennoch würden kaum Maßnahmen gesetzt, die frisch ausgebildete Medizinern dazu bewegen, eine Kassenstelle auf dem Land zu übernehmen oder selbst zu eröffnen. Wirtschaftliche Gründe spielen dabei eine wesentliche Rolle. Allgemeinmediziner werden je nach Anzahl der behandelten Patienten honoriert. Im Vergleich zu den Ballungsräumen fällt es am Land meist schwerer, eine Hausarztpraxis wirtschaftlich zu führen.
ÖGK sieht in 7-Punkte-Programm Türöffner
In einem erarbeiteten 7-Punkte-Programm sieht die ÖGK eine Chance, dem Mangel an medizinischem Personal im niedergelassenen Bereich entgegenzuwirken. Dieses Programm umfasst unter anderem mehr Allgemeinmedizin in der Ausbildung, eine Hilfestellung bei der Praxisgründung, ein attraktives Einkommen und moderne Kassenverträge für „junge Bedürfnisse“. Das Programm der ÖGK geht der Ärztekammer OÖ allerdings nicht weit genug. Wallner fordert etwa höhere Quoten für inländische Medizinstudenten oder Aufnahmekriterien, die nicht zu einer österreichischen Benachteiligung beim Zugang zum Medizinstudium führen. Auch die Wiedereinführung der Verpflichtung der Spitäler, genügend Ärzte-Ausbildungsstellen zur Verfügung zu stellen sowie die Förderung von Lehr- und Mentoringpraxen wären für ihn zielführende Maßnahmen. Eine konsequente Abgrenzung der Arzneimittelversorgung durch Apotheken in Ballungsgebieten und Hausärzte im ländlichen Bereich sei ebenso wünschenswert. Bei der Übernahme von unbesetzbaren Kassenstellen sollen öffentliche Förderungen einen zusätzlichen Anreiz schaffen.
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