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Schulsystem, Berge und Auswandern: Vortrag einer Feldkirchnerin über drei Jahre Norwegen

Mag. Jacky Stitz, 22.06.2025 08:00

FELDKIRCHEN. Volksschullehrerin Elena Gumpenberger (27) aus Feldkirchen hat gewagt, wovon viele nur träumen: Auswandern. Drei Jahre verbrachte sie in Norwegen und berichtet bei einem gratis Vortrag am Mittwoch, 2. Juli, 19.30 Uhr, Lesetreppe in der VS Feldkirchen über das norwegische Schulsystem, Bergabenteuer und das Auswandern an sich. Der Eintritt ist frei, vorab gab sie im Tips-Interview Einblicke in ihr außergewöhnliches Erlebnis. Anfang August geht es für sie wieder zurück nach Norwegen.

  1 / 8   Eindrücke von Elena Gumpenberger (27) aus Feldkirchen, die für drei Jahre das Mühlviertel hinter sich ließ und nach Norwegen auswanderte. (Foto: privat)

Tips: Wie kamen Sie auf die Idee, nach Norwegen zu gehen?

Elena Gumpenberger: Ich war im August 2018 auf Erasmus im Zuge meines Lehrerstudiums in Bergen in Norwegen für fünf Monate, hab´ damals dort meinen Ex-Freund kennengelernt und wahrscheinlich deshalb weiter die Sprache gelernt und mich in das Land verliebt. Die Idee nach meinem Erasmus wieder nach Norwegen zurückzugehen bzw. hinzuziehen hat sich in den Jahren 2019 bis 2021 entwickelt, da ich so oft dort auf Besuch und Urlaub war. Ich hab´ dann 2021 beschlossen, im Jahr 2022 wieder zurückzuziehen, wollte eigentlich nach Spitzbergen, um Gletscherführer zu werden, aber es wurde Plan B: zwei Austauschsemester in Bergen im Zuge meiner Masterausbildung. 

Der Plan wäre es 2013 gewesen, mit meinem Opa eine Kreuzfahrt nach Norwegen zu machen, aber der ist einige Monate zuvor verstorben. Ich habe also irgendwie durch meinen Auslandsaufenthalt den Traum meines Opas verwirklicht.

Auswandern war nie so wirklich geplant, sondern ist eher einfach passiert, weil ich das Leben in Norwegen versuchen wollte und es mir einfach so gut gefallen hat. Da ich noch keine Pläne habe, wieder zurückzuziehen, obwohl ich meine Heimat Österreich immer mehr und mehr schätze und total gerne wieder nach Hause komme. Ich weiß jedoch, dass ich jederzeit immer wieder nach Hause kann, also war der Abschied nur halb so schwer.

Tips: Haben Sie die drei Auslandsjahre durchgehend in Norwegen verbracht?

Gumpenberger: Ich hab´ durchgehend hier gelebt, aber meine Familie etwa viermal im Jahr zu Hause besucht. Meine Familie war schon hier auf Besuch und mit mir in den norwegischen Bergen. Am häufigsten war meine Mama (6-mal) und mein Bruder sowie meine Oma (2-mal) da. Meine Mama meint mittlerweile, dass ich woanders hinziehen könnte, weil sie Bergen schon so gut kennt.

Ich hab´ immer in Bergen gewohnt, aber hab schon sehr viel von Norwegen gesehen/ bin viel herumgereist. Ich lebe zurzeit in einer 3er WG im schönsten Stadtteil von Bergen, arbeite Vollzeit als Lehrerin und bin so gut wie jede freie Minute in den Bergen.

Tips: Was haben Sie dort gemacht?

Gumpenberger: Ich war als Studentin (zwei Auslandssemester) und eben sonst als Lehrkraft hier. Ich hab´ mich das erste Semester intensiv mit der norwegischen Sprache auseinandergesetzt und Sprachkurse besucht, danach habe ich einige Monate im Kindergarten gearbeitet und die letzten zwei Jahre als Lehrerin in der Volksschule gearbeitet. Privat war ich unglaublich viel in den Bergen, habe die Bergausbildung beim norwegischen Alpenverein (DNT) gemacht und durch den Austausch mit Norwegern immer mehr über die norwegische Kultur gelernt.

Ich bin in Österreich derzeit nur auf „Urlaub“ im Sommer für einen Monat lang, aber lebe nach wie vor in Norwegen. Ich besuche jetzt meine Freunde und Familie hier, werde die heimischen Berge unsicher machen, meinen alljährlichen Akrobatikworkshop halten, bei der Sportwoche in Feldkirchen mithelfen, viel Sport machen und den österreichischen Sommer genießen. Ich fahre Anfang August mit meinem Campervan wieder nach Norwegen, weil dort ab Mitte August die Schule wieder startet und ich die ersten Monate in der 6. Klasse unterrichten werde. Zudem hab ich mir dort oben mittlerweile ein soziales Umfeld und Leben aufgebaut, dass ich nicht so schnell aufgeben will.

Tips: Wo liegen die Hauptunterschiede im Leben allgemein zwischen Österreich und Norwegen?

Gumpenberger: Der Lebensstandard ist noch etwas höher hier in Norwegen, die meisten Norweger besitzen ein Ferienhaus, Studenten bekommen vom Staat bis zu sechs Jahre ein Stipendium (von dem sie ca. 60 Prozent zurückzahlen müssen), es gibt hier ein Gesetz, das besagt, dass man überall zelten bzw. in der Hängematte schlafen kann, wenn es 100 Meter vom nächsten Haus oder bewirtschaftetem Feld weg ist. Generell kaufen sich hier Mitte 20 die Meisten ihre erste Wohnung und versuchen nicht unnötig jahrelang Miete zu zahlen, man vertraut den Mitmenschen noch mehr (das Hüttensystem hier beruht auf Vertrauen). Im Sommer ist es andauernd hell und im Winter eben weniger bis gar nicht hell - je nachdem wie weit nördlich man wohnt. Mehr Menschen sind draußen in der Natur, man fährt mit sogenannten “fjellski” (breitere Langlaufski mit Stahlkanten und ohne feste Bindung) oder eben mit “telemarkski”. Es regnet mehr und die Menschen jammern weniger über das Wetter, sie schätzen es mehr, wenn die Sonne mal scheint, ein durchschnittlicher Sommertag hat 19 Grad plus. Norweger muss man besser kennenlernen, bevor die auftauen und Freundschaften aufbauen. Aber zu all dem könnte ich einen Roman schreiben.

Tips: Was unterscheidet Österreich und Norwegen in puncto Bildung bzw. Schulsystem voneinander?

Gumpenberger: Die Kinder starten meist mit einem Jahr im Kindergarten, die Volksschule geht von der 1. bis zur 7. Klasse und danach können alle in die gleiche Schule weitergehen. Diese geht drei Jahre und dann nochmal drei Jahre danach bis zur Matura. In der Volksschule gibt es keine Noten und Prüfungen bzw. ist es mehr ein Miteinander und es herrscht weniger Stress, die Kinder sind viel freier, haben von der ersten Klasse weg ihren eigenen PC. Generell unterrichtet man mit einem Whiteboard, es gibt auch mehr Zeit zum Spielen und die Kinder sind bei jedem Wetter draußen. Der Nachteil ist sicher, dass die Kinder, wenn sie studieren möchten, einen gewissen „numerus klausus“ vorweisen müssen, um in einem Studium aufgenommen zu werden und viele deshalb Kurse wiederholen und damit Jahre verbringen und viel Geld dafür zahlen.

Tips: Wer kann was von wem lernen?

Gumpenberger:Die Österreicher können wieder mehr in die Mitmenschen vertrauen, mehr in die Natur gehen, das Schulsystem bzw. die Notengeberei zu überdenken, weniger über das Wetter jammern bzw. sich einfach dem Wetter nach zu kleiden und das Gesetz “nicht einfach überall zelten zu dürfen” noch einmal überdenken.

Tips: Was gefällt Ihnen an Norwegen am besten?

Gumpenberger: Das Vertrauen an die Mitmenschen, das bewusste Umgehen mit der Natur und die unbewirtschafteten Hütten (die ein ganzes Jahr über offen stehen), die Sprache (in der ich mich mittlerweile sehr zu Hause fühle) und die Landschaft - wenn spitze Berge/Gletscher auf Fjorde treffen gibt das einfach einen tollen Ausblick.

Wenn es in der Zukunft möglich ist, die doppelte Staatsbürgerschaft zu beantragen, werde ich das machen.

Tips: Was vermissen Sie im Ausland aus Österreich am meisten?

Gumpenberger: Tiefe Gespräche mit langjährigen Freunden und meiner Familie, die spontanen Besuche bei meiner Oma und meinen Liebsten zu Hause, die unzähligen Bademöglichkeiten im Ort, manchmal auch die Sonne und die warmen Temperaturen, das frische Obst und Gemüse vom Garten, das Rennradfahren im Flachland, den mühlviertlerischen Dialekt, die herzlichen Begrüßungen, innigen Umarmungen, das Landleben und die Tiere zu Hause.

Tips: Kann Ihrer Meinung nach denn jeder einfach auswandern?

Gumpenberger:Ja eigentlich schon, man muss es nur einfach wirklich wollen und sich bewusst sein, dass man Opfer erbringen muss bzw. in einem neuen Land von vorne starten muss bzw. wahrscheinlich eine neue Sprache lernen sollte.

Tips: Wo fühlen Sie sich zu Hause?

Gumpenberger:Das ist eine schwierige Frage, habe irgendwie mittlerweile zwei zu Hause, was irgendwie komisch ist, weil ich in Norwegen die bin, die aus Österreich kommt und ich in Österreich “Norwegerin” genannt werde, also nirgends so wirklich 100 Prozent dazugehöre. Jedoch bin ich freiwillig weggezogen und finde es toll ein bisschen anders zu sein.

Die Leute in Norwegen sind sehr herzlich, hier finden es die Leute toll, wenn man herzieht und sind beeindruckt, wie schnell ich mir die Sprache gelernt habe. Ich spreche die Sprache schon seit einigen Jahren fließend, hab nach zwei Monaten hier auf norwegisch zu träumen angefangen und mich wie gesagt sehr intensiv mit der Sprache beschäftigt. Unterrichte ja seit zwei Jahren auf norwegisch und hab zu 90 Prozent nur Kontakt zu Norwegern. Manchmal muss ich wirklich überlegen, wie das ein oder andere Wort auf Deutsch heißt. Hab die Sprache teils in Norwegen, teils in Österreich, mit Büchern und norwegischen Filmen gelernt. Aber am besten lernt man eine Sprache, wenn man in dem Land lebt und gezwungen ist, die Sprache täglich zu verwenden.

Tips: Die Berge faszinieren Sie ja an Norwegen ganz besonders.

Gumpenberger:Habe mittlerweile einige kleinere und größere Bergerlebnisse zu Fuß oder auf Skiern hinter mir, die ich gerne teilen möchte. Habe zum Beispiel dieses Jahr in den Osterferien den größten Nationalpark von Süd nach Nord alleine mit Pulk, Zelt und auf Skiern durchquert und war sechs Tage solo unterwegs. Habe zudem mittlerweile dreimal den drittgrößten Gletscher Norwegens “Folgefonna” auf verschiedenste Weisen durch- bzw. überquert.

Tips: Ihre schönste Erfahrung?

Gumpenberger: Mir selbst zu beweisen, dass man auch im Erwachsenenalter noch eine neue Sprache erlernen kann und ich mittlerweile in meiner zweiten Fremdsprache unterrichte ohne dabei nachdenken zu müssen, was mich doch etwas stolz macht, hab ich doch auf dieses Ziel einige Jahre hingearbeitet.

Vortragsabend „Erfahrungsbericht von drei Jahren Norwegen“ (Power Point) von Elena Gumbenberger; Mittwoch, 2. Juli, 19.30 Uhr;Volksschule Feldkirchen (Lesetreppe); kulinarische Schmankerl werden von der Referentin selbst gemacht: Zimt- und Kardamomschnecken, Sauerteigbrot mit Aufstrich, schwarzer Johannisbeersaft; Eintritt: freiwillige Spende; keine Anmeldung nötig

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