Skiunfall: Wenn sich das Leben in einer Sekunde für immer ändert
FRANKENMARKT. Seit einem Skiunfall hat Michaela Hauser eine inkomplette Querschnittslähmung, kann viele Dinge nicht mehr erledigen, die vorher selbstverständlich waren. Auf ihrer Homepage gibt sie Einblick in ihr Leben – und schreibt sich zurück ins Leben.
Michaela Hauser ist 42 Jahre alt, verheiratet mit Ehemann Christian und hat zwei Kinder im Alter von 15 bzw. 12 Jahren. Ihr Leben verlief bis zum März 2019 eigentlich nach „Plan“, wenn es sowas überhaupt gibt: Im Haus der Schwiegereltern war eine Wohnung ausgebaut worden, sie arbeitete als Krankenschwester im Altersheim in Vöcklamarkt.
Bruch an der Halswirbelsäule
„Man hat eigentlich einen Lebensplan“, so Hauser, die irgendwann wieder zurück in den Akutbereich ins Krankenhaus wollte und sich auf dem Zenit ihres sportlichen Lebens befand. Sechsmal die Woche standen Laufen, Wandern oder Fitness am Programm. Aber das Schicksal hatte einen anderen Plan: Beim alljährlichen Skiausflug mit den Arbeitskollegen in Gosau bremst sie, ein Ski geht auf, der andere nicht, sie schlittert dahin, hakt vorne ein, es überschlägt sie und sie fällt ins Flache.
„Ich habe den Bruch an der Halswirbelsäule gehört“, erinnert sie sich. Die Erstversorgung verlief tadellos. „Ich war bei Bewusstsein und hab allen Ersthelfern gesagt, dass sie mich bloß nicht anrühren sollen“, so Hauser. Gespürt hat sie nichts mehr am Körper. Sie lag am Rücken, der Kragen ihrer Skijacke füllte sich mit Schnee und fungierte quasi als Stütze. Der Hubschrauber brachte sie in die Salzburger Landeskliniken. Es folgten sieben Wochen Krankenhaus mit konservativer Versorgung, also ohne Operation, weil der Bruch am C7 Halswirbel glatt war. „Das Problem ist die Verletzung am Rückenmark“, erklärt Hauser ihre Folgeschäden: „Meine Seitenfasern vom Rückenmark sind links abgerissen.“ Da sich die Rückenmarkschädigung seitenverkehrt auf den Bewegungsapparat auswirkt, kann sie sich rechts kaum bewegen. „Warum ich gehen kann, kann sich niemand erklären“, so Hauser. Ihre Diagnose lautet „inkomplette Querschnittslähmung“. Im spinalen Schock dürften sich die Nerven neu zusammengefunden haben.
Spastiken und Schmerzen
„Für mich als Krankenschwester war es am schlimmsten, dass man plötzlich jemanden zum Zähneputzen oder waschen braucht, einfach völlig ausgeliefert zu sein.“ In diesen Tagen wollte sie nicht weiterleben, gibt sie zu. Auch Spastiken, wo die Muskeln gegeneinander arbeiten, kamen hinzu. Aber ohne sie könnte sie gar nicht gehen. Schlimm sind die neuropathischen Schmerzen, die sie quälen. „Es fühlt sich an, als ob dich ein Bunsenbrenner brennt.“ Noch heute, jeden Tag.
Nach dem Krankenhaus ging es für dreieinhalb Monate nach Bad Häring. Dort habe sie auch erfahren, dass die meisten tragischen Unfälle im ganz alltäglichen Leben passieren. Etwa bei einer Frau, die im Badezimmer kollabierte und so unglücklich auf der Duschtasse landete, dass sie querschnittsgelähmt ist, genauso wie jene Frau, die beim Katzenfüttern rückwärts über die Stiege fiel. „Aber man darf keine Angst vorm Leben haben“, ist Hauser überzeugt.
Weil sie den Rollstuhl zunächst total ablehnt, kämpft sie an Krücken, muss aber irgendwann doch die Grenzen ihres Körpers akzeptieren. „Ich bin weder Fisch noch Fleisch, ich kann ein bisschen gehen und ein bisschen Rollstuhlfahren“, erklärt sie. Sie schaffe vielleicht 300 Meter mit Krücken, dann ist sie fertig. Auch das Gleichgewicht haut nicht mehr hin, zu lange stehen geht ebenfalls nicht.
Wie es weitergeht? Hauser strahlt unglaublichen Optimismus aus. „Es gibt nur ein Leben, da muss man das Beste draus machen“, sagt sie. Den Kopf in den Sand zu stecken, wäre keine Option gewesen. Es habe zwar gedauert, aber: „Wegen meiner Kinder musste ich funktionieren. Mein Lebensplan ist in Fetzen gelegen, also musste ich mir einen neuen zurechtlegen, damit das Leben lebenswert ist.“ Ihre Freunde nehmen sie an, wie sie ist. Ihr Ehemann steht zu ihr, die Kinder seien sowieso „gechillt“. „Ich habe so viel Rückhalt“, ist sie für ihr soziales Netzwerk dankbar. Vom Typ her sei sie sowieso ein Motivator, depressive Phasen – die natürlich auch manchmal da waren und sind – seien nur verschwendete Zeit und Energie. „Es ändert ja nichts!“
„Es geht viel mehr, als man glaubt!“
Der Alltag verläuft jetzt völlig anders: Sie fährt mit Linksgas-Automatik, hat jede Wochen Therapien. Putzen ist natürlich nicht mehr möglich und „die Stiege in den ersten Stock ist eines der anstrengendsten Dinge im Alltag“. Aus diesem Grund musste die junge Familie auch ein behindertengerechtes Haus bauen, im September wird übersiedelt.
Die private Unfallversicherung, die sie hatte, war ein glücklicher Zufall. Die Berufsunfähigkeitspension hat sie sich mittlerweile erstritten. Auch Pflegegeld bekommt sie. Ob der Skiunfall als Arbeitsunfall gilt, wird sich noch herausstellen.
„Eine Freundin, die auch im Rollstuhl sitzt, hat mir geraten: ‚Leb Dein Leben so, als wenn Du nicht im Rollstuhl sitzen würdest, denn es geht immer irgendwie und zur Not musst Du halt um Hilfe fragen‘“, lässt sich Hauser ihren Optimismus und ihre Selbstbestimmtheit nicht einschränken. Nachsatz: „Es geht viel mehr, als man glaubt!“
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