Mathematikum: „Knobeleien und Rätsel machen einfach Spaß“

Tips: In der Ausstellung im We­lios sieht man Besucher, die mit Eifer bei den Aufgaben sind. In der Schule jedoch zählt Mathe­matik ja nicht gerade zu den be­liebtesten Fächern. Warum ist das so?

Beutelspacher: Das ist leider auf der ganzen Welt so, denn in der Schule kommt man schnell von der Anschauung zum forma­len Rechnen. Man müsste Ma­thematik viel mehr an die realen Dinge ankoppeln, dann könnte man sich das alles viel besser vorstellen. Dadurch, dass es in der Mathematik nur ein entwe­der richtig oder falsch gibt, wird dieses Wissensgebiet auch als unbarmherzig empfunden.

Tips: Sie haben einmal den Satz geprägt, dass Mathematik die Kunst ist Rechnen zu vermei­den.. Wie ist das zu verstehen?

Beutelspacher: Mathematik ist eigentlich eine geistige Wissen­schaft, die sich die Menschen geschaffen haben, um die Welt zu verstehen. Wir können ja die Welt nur dadurch erkennen und verstehen, wenn wir Muster erkennen. Und die Geometrie als Teilgebiet der Mathematik beschäftigt sich mit den For­men. Ein weiteres großes Betä­tigungsfeld in der Mathematik schon seit alters her, ist die Zeit, also das Kalenderwesen.

Tips: Ein häufiger Einwand gegen die Schulmathematik be­steht in der Aussage, dass man im weiteren Leben Mathematik nicht braucht.

Beutelspacher: Es ist in der Tat so, dass auch ich heute weniger rechne als noch in der Schule. Aber erstens steckt in jedem mo­dernen Gerät Mathematik. In je­dem Computer, jedem Handy ist Mathematik verpackt. Ja auch in der Psychologie oder den Wirtschaftswissenschaften geht es nicht ohne Mathematik ab. Zweitens ist Mathematik eine Kulturwissenschaft. Denken Sie nur an die Primzahlen, also die Zahlen 2, 3, 5, 7, 11 und so weiter, die nur durch 1 und sich selbst teilbar sind, die beschäf­tigen die Menschen schon seit dem Altertum. So will man eine Formel entwickeln, um aus einer Primzahl die nächsten berech­nen zu können.. Aber für jeden sollte wohl das Dritte ausschlag­gebend sein: Knobeleien und mathematische Rätsel machen einfach Spaß.

Tips: Im Welios wird derzeit die Ausstellung „Mathematik zum Anfassen“ gezeigt, die Sie kreiert haben. Hier erlebt man diesen Spassfaktor, der in der Mathematik steckt.

Beutelspacher: Das Interessan­te ist, dass wir hier nicht Witze erzählen oder bunte Männ­chen auftreten lassen. Der Spaß kommt aus der Sache selbst. Man hat eine Versuchsanord­nung vor sich liegen und be­kommt eine Aufgabenstellung, zum Beispiel aus zwei Körpern eine dreiseitige Pyramide zu bauen. Nun probiert man herum und plötzlich, ganz unvermittelt und ungeplant macht es „klick“ und man hat die Lösung. Dieser Erkenntnismoment, der tut uns gut, das sind wirkliche Glücks­momente, die man in dieser Aus­stellung erleben kann.

Tips: Sie leiten in Gießen das Mathematikum, ein Science Center, wie das Welios hier in Wels, allerdings zum Thema Ma­thematik. Nach dem Rundgang im Welios, wie ist ihr Eindruck?

Beutelspacher: Schon von au­ßen macht das Welios einen tollen Eindruck. Wenn ich in ein Science Center gehe, dann schaue ich, was die Besucher machen. Hier im Welios habe ich die Besucher beobachtet, die waren fröhlich, entspannt, aus­dauernd, sind lange geblieben und waren immer bei der Sache. Auch das Miteinander hat mei­ner Beobachtung nach bestens funktioniert. Das ist ein großes Kompliment, das man dem We­lios machen muss: Wenn man einmal drinnen ist, dann wird man gefesselt! Aber das ist auch bei uns so. Das Thema Mathe­matik ist ja nicht gerade ein The­ma, das einen Massenansturm auslöst. Aber, wenn jemand bei uns einmal über die Schwelle ins Mathematikum getreten ist, dann ist er begeistert.

HINWEIS

Informationen zur Ausstellung „Mathematik zum Anfassen“ sowie zu den Öffnungszeiten und Preisen des Welios generell und weitere Tipps gibt es im Internet unter www.welios.at